Die Reiseindustrie reagiert mit zahlreichen Programmen auf den Klimawandel

Doch die Grenze zwischen Engagement und Marketing ist fließend

Die Reiseindustrie reagiert mit zahlreichen Programmen auf den Klimawandel
Foto: dpa

Das Thema Klimawandel hat auch die Reisebranche erfasst. Mehr als alle anderen Branchen ist die Reiseindustrie in den kommenden Jahren von den Klimaveränderungen betroffen, da sind sich die Experten einig. „Der Klimawandel wird uns vor Probleme stellen, von denen wir bislang nicht einmal die leiseste Ahnung hatten“, sagt Rolf Pfeifer, Geschäftsführer des Forum Anders Reisen. In dem Verband haben sich 138 vorwiegend kleinere Reiseveranstalter zusammengeschlossen, die ein besonderes Augenmerk auf die Belange der Umwelt legen.

Die Forum-Mitglieder unterwerfen sich dabei strengen Kriterien: Die Mindestentfernung für Flugreisen beträgt 700 Kilometer, die kürzeste Aufenthaltsdauer acht Tage. Bei Fernreisen sind es sogar zwei Wochen. Ein Wochenend-Trip nach New York wird gar nicht erst angeboten.

Dafür geht es in dem gerade zum zweiten Mal aufgelegten Katalog „Reiseperlen“ zum Beispiel für acht Tage zum Eseltrekking in die Cevennen. Dass sich „öko“ nach Jahren der Geiz-ist-geil-Hysterie und des Billigflieger-Booms wieder verkauft, belegen die Zahlen: 2006 konnten die Veranstalter des Forum Anders Reisen den Umsatz und die Teilnehmerzahlen um bis zu 20 Prozent steigern. Insgesamt zählten sie etwa 110.000 Gäste. „In den Köpfen der Leute findet ein Wandel statt“, sagt Pfeifer. „Viele Menschen reisen wieder bewusster.“

Das merkt Pfeifer auch an anderer Stelle. Bei der Bonner Initiative Atmosfair, die das Forum Anders Reisen 2005 mit der Umweltorganisation Germanwatch und dem Bundesumweltministerium gründete, buchen zunehmend mehr Menschen einen freiwilligen Klimaschutz-Beitrag. „Im ersten Jahr hatten wir vielleicht zehn Buchungen pro Tag, mittlerweile sind es bis zu 200“, sagt Pfeifer.

Auf freiwilliger Basis können sich Flugpassagiere bei Atmosfair so etwas wie einen Ablassbrief kaufen: Anhand eines Emissionsrechners wird der CO2-Ausstoß für eine Reise ermittelt. Der Kunde entrichtet dann zum Beispiel sieben Euro für einen einfachen Flug von München nach Mallorca und 65 Euro von Frankfurt nach Bangkok an die Bonner Non-Profit-Organisation. Die Einnahmen fließen in Solar-, Wasserkraft-, Biomasse- und Energiesparprojekte in verschiedenen Entwicklungsländern und sollen dort Treibhausgase einsparen.

Auch andere Touristikunternehmen übernehmen ökologische Verantwortung. So will die Lufthansa ihren Fluggästen die Möglichkeit geben, bei der Buchung einen freiwilligen Klimaschutz-Beitrag zu leisten. Die neue Marke Demeter-Reisen, ein Kooperationsprojekt des Öko-Lebensmittel-Anbieters Demeter und Drei Wünsche Wanderreisen, hat sich klimafreundliches Reisen auf die Fahnen geschrieben. Gebucht werden die Reisen im Internet – oder im Naturkostladen.

Seit März geht die Hotelkette Rezidor (Radisson, Regent International, Park Inn) mit 272 Häusern weltweit auf Schmusekurs mit der Umwelt. Teilnehmer des Treueprogramms „Goldpoints Plus“ können die von ihnen in den Hotels verursachten CO2-Emissionen ausgleichen, indem sie ihre Treuepunkte der Hotelkette spenden. Mit dem Erlös will Rezidor Energiesparprojekte unterstützen.

Die Autovermieter Hertz und Avis flirten kräftig mit dem Klimaschutz. So bietet Hertz seinen Kunden mehr als 1.500 abgasarme Autos an. Im April will der Vermieter weitere 400 Wagen vom Typ Toyota Prius Hybrid in seine Flotte einstellen. Konkurrent Avis hat seit Januar etwa 80 erdgasgetriebene VW Tourans im Angebot. Seit 1999 kooperiert der Vermieter mit der Klimaschutzorganisation Carbon Neutral Company. Um die von Avis-Autos ausgestoßenen Abgase zu kompensieren, sollen bereits mehr als 200.000 Bäume gepflanzt worden sein.

Alles echtes Engagement oder bloße Augenwischerei? Rolf Pfeifer vom Forum Anders Reisen räumt ein: „Die Grenzen sind fließend, oft wird der Klimaschutz gezielt zum Öko-Marketing benutzt.“ Etwas Gutes hätten aber auch weniger effiziente Projekte: Auch sie tragen zum allgemeinen Bewusstseinswandel bei.

Dass Klimaexperten trotzdem oft hellhörig werden, wenn sie von neuen Umweltprogrammen hören, hat vor allem damit zu tun, dass gerade unseriöse Anbieter gerne Umweltthemen dazu missbrauchen, um ihren Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen. Eine jüngst an der Tufts-Universität in Boston durchgeführte Studie stellt neun von 13 CO2-Kompensationsmodellen ein schlechtes Zeugnis aus. Das Ergebnis: „Gar nicht oder nur unter Vorbehalt empfehlenswert“. Atmosfair war ebenfalls unter den Getesteten. Unter den vier positiv bewerteten Anbietern schloss die Bonner Initiative als Sieger ab.

Weitere Infos

www.forumandersreisen.de
www.atmosfair.de
www.carbonneutral.com
www.climatecare.org
www.co2solidaire.org
www.mayclimate.org

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