Bio-Kraftstoffe

Alternativ-Gewinnung aus Gras und Holzresten

Die erste Offensive für Biosprit und -diesel auf der Basis von unter anderem Mais, Raps, Zuckerrohr und Ölpalme gefährdet erkennbar Welternährung und Regenwald. Deshalb tüfteln Forscher bereits an Alternativen.

Um die Atmosphäre tatsächlich mit weniger klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) aus dem Verkehr zu belasten, muss einmal der Einsatz von Kunstdünger auf Erdölbasis vermieden werden, zum anderen dürfen die Anbauflächen nicht in Konkurrenz mit denen der Nahrungserzeugung stehen.

In einer der bislang größten Untersuchungen hat sich nun die zu den Gräsern zählende Rutenhirse als effektive Energiepflanze erwiesen. Es zeigte sich, dass die Pflanzen rund 540 Prozent mehr Energie lieferten als für den Anbau und ihre Weiterverarbeitung zu Ethanol nötig waren. Das berichten Forscher um Ken Vogel von der Universität Nebraska in Lincoln (USA) in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften.

Zehn Farmer hatten das mehr als zweieinhalb Meter hohe Gras auf Flächen zwischen drei bis neun Hektar fünf Jahre lang in mehreren US-Bundesstaaten anbauen lassen. Bei den Pflanzungen wurde über den Verbrauch von Treibstoff, Dünger, Saatgut und den übrigen Arbeitsaufwand genau Buch geführt.

Das Verfahren sei weitgehend CO2-neutral, betonen die Autoren. Das CO2, das beim späteren Verbrennen des Biotreibstoffes im Motor frei wird, wurde der Atmosphäre zuvor beim Wachstum der Pflanzen entzogen. Die Resultate variierten über die Jahre und mit der Regenmenge, im Durchschnitt aber ergab ein Hektar Rutenhirse rund 3600 Liter Bioethanol.

Die Resultate zeigten, dass das Präriegras ein gutes Ausgangsprodukt für die Biosprit-Produktion sei, schreibt Vogel. Er weist darauf hin, dass sich bisherige Energieanalysen des Präriegrases (Panicum virgatum) auf Versuchsfelder mit einer Größe von fünf Quadratmetern beschränkt hätten. Bioethanol gilt bei vielen Experten als gute Alternative zum Verbrennen fossiler Treibstoffe, bei dem viel klimaschädigendes CO2 in die Luft gelangt.

Der nachwachsende Brennstoff lässt sich unter anderem aus der Vergärung von Zucker und stärkehaltigen Pflanzen oder Früchten gewinnen – etwa aus Mais, Weizen oder Zuckerrohr. Das Problem dabei: Die Treibstoffproduktion konkurriert mit der Nahrungsmittelherstellung.

Eine mögliche Alternative ist etwa Holz. Dieses ist – wie die Stärke – aus einzelnen Glukose-Einheiten aufgebaut, dem Endprodukt der Photosynthese. Im Holz allerdings ist die Glukose chemisch derart verknüpft, dass sie von den Verdauungsenzymen des Menschen nicht gespalten werden können – anders als beispielsweise bei der Stärke.

Der Hauptbestandteil von Holz, die Zellulose, ist daher für den Menschen unverdaulich. Mit Enzymen und allerlei technischem Aufwand gelingt der Aufschluss aber dennoch. Auf diese Weise kann auch die in der Rutenhirse gespeicherte Glucose von Mikroorganismen zu Alkohol vergoren werden. Auch Forstabfälle, Stroh oder gar alte Fensterrahmen sollen so zu Treibstoff werden. Fachleute sprechen von der zweiten Generation der Biotreibstoffe und vom „Lignozellulose-Verfahren“.

Dieses gilt als Hoffnungsträger, weil dafür Pflanzen eingesetzt werden, auf die der Mensch nicht zur Nahrungsversorgung angewiesen ist – und keine Flächen beansprucht werden, auf denen Mais, Weizen oder Soja angebaut werden.

Die „Grünreste“ der Nahrungspflanzen könnten zudem verbrannt werden, um Energie für die Abtrennung des Alkohols (Destillation) zu gewinnen. Vogel und seine Kollegen haben das im Zuge ihrer Studie geerntete Gras nicht in Ethanol gewandelt, sondern den potenziellen Ethanol-Ertrag nur berechnet.

Dabei stellte sich heraus, dass der Präriegras-Alkohol rund 94 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase freisetzt als Benzin auf fossiler Basis. In drei der insgesamt fünf Anbaujahre erwies sich der Grasanbau im Durchschnitt als Treibhausgas-neutral.

Die US-Wissenschaftler weisen darauf hin, dass ihre Resultate auf der Anbautechnik und den Grassorten von 2000 und 2001 beruhen. Beide seien inzwischen weiterentwickelt worden. Schon jetzt sei klar, dass die Rutenhirse (englisch: Switchgrass) das Potenzial habe, mehr Energie zu liefern, als für die Produktion und die Umwandlung zu Alkohol nötig sei.

Versuche in drei US-Staaten hätten gezeigt, dass sich die Ernteerträge noch um die Hälfte steigern ließen. Die grüne Gentechnik und die Agrartechnik könnten weitere Steigerungen bringen. Das Switchgrass wuchs in Nordamerika einst in rauen Mengen.

Als die europäischen Siedler das Land vor Jahrhunderten eroberten, mussten die weiten Prärien mit dem mannshohen Gras Farmen und Viehzucht weichen. Wenn es nach den Plänen von US-Präsident George W. Bush ginge, könnten bald wieder riesige Grasflächen den mittleren Westen der USA bedecken.

Auch in Deutschland sei der Anbau des Präriegrases grundsätzlich möglich, sagt Dietmar Kemnitz von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow. Jedoch sei der Einsatz auch teuer, da wegen des hohen Wärmebedarfs die Pflanzung von Junggräsern und Wurzelgeflecht bevorzugt werde.

Für eine direkte Aussaat sei die Vegetationsperiode hierzulande meist zu kurz. Die Pflanzung könne Kosten von 2000 bis 4000 Euro je Hektar verursachen, was sich nur bei Nutzung der Bestände über mehr als zehn Jahre rentiere.

Das US-Energieministerium (DOE) bescheinigt Ethanol aus Zellulose einen um 90 Prozent geringeren Ausstoß von Treibhausgasen. Es hat Pflanzenkundler, Genetiker und Wirtschaftsexperten zusammengeführt, um das Potenzial des Grases weiter zu erkunden. Nach Angaben von Projektleiter Sandy McLaughlin benötigt Ethanol aus Getreide ebenso viel Energie zur Produktion, wie es liefert.

Mit dem Switchgrass ließe sich fünf Mal mehr Energie produzieren als investiert werden müsse. Wer die Herstellung von Traktoren, die Feldarbeit und den übrigen Betrieb einer Farm einrechne, komme bei dem Gras gar auf einen rund 20-fach höheren Energiegewinn. In den USA und Kanada wird die industrielle Ethanolerzeugung aus Lignozellulose auch von der Wirtschaft intensiv erforscht, eine besonders große Anlage dafür wird von der Iogen Corporation im kanadischen Ottawa betrieben.

Europas größter Autokonzern geht indes davon aus, dass Verbrennungsmotoren noch über die nächsten 50 Jahre hinweg Autos vorantreiben werden. „Bioethanol" ist eine von vielen möglichen Alternativen zu bisherigen Kraftstoffen“, erklärt VW-Sprecher Harthmuth Hoffmann.

Daher kooperiere VW mit Iogen. Der von den Kanadiern gelieferte Treibstoff wird demnach in VW-Versuchsmotoren getestet und verbessert. Welchen Anteil der Alkohol aus Gras und Stroh eines Tages an der Treibstoffversorgung haben werde, sei derzeit aber nicht abzusehen, sagt Hoffmann: „Das wäre Kaffeesatz-Leserei.“

Auch die EU befasst sich mit der Lignozellulose. Das Programm NILE läuft bis 2009 und hat ein Budget von 12,8 Millionen Euro. Es soll unter anderem Daten für eine noch zu bauende europäische Demonstrationsanlage liefern.

Zellulose – schwer zu knacken

Sowohl die fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas als auch der Biotreibstoff Ethanol (der trinkbare Alkohol) gehen auf die Sonne zurück. Mit Hilfe ihrer Energie nehmen Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und verkoppeln die Kohlenstoffmoleküle daraus nach und nach zu längeren Kohlenwasserstoffen.

Am Ende dieses Prozesses steht der energiereiche Zucker Glukose, in dessen ringförmiger Struktur sechs Kohlenstoffatome zusammenfinden. Die Glukose kann im nächsten Schritt einerseits zu Stärke zusammengefügt werden.

Dann ist sie für Menschen oder Bakterien gut zu verwerten, etwa im Getreide. Koppelt die Pflanze die Glukose auf eine leicht abgewandelte Weise zusammen, entsteht die kaum zu verdauende Zellulose, die der Pflanze als Holz große Stabilität verleiht, aber nur von wenigen Organismen „geknackt“ werden kann.

Eine der größten Herausforderungen der Biotechnik ist, den riesigen Energievorrat der Zellulose nutzbar zu machen. Grasschnitt, schnell wachsende Bäume, Stroh, Altpapier, Bauholz und vieles mehr könnten so zur Energiequelle werden.

Um die Zellulose zu nutzen, muss sie aber durch Enzyme, große Hitze, starken Druck oder andere, energieaufwendige Prozesse aufgeschlossen werden.

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