"Nach oben offen" ist ein Missverständnis

Was ist die Richter-Skala, und wie funktioniert sie?

Bonn. Fünf komma neun? Vier komma acht? Immer, wenn die Erde bebt, liest es sich hinterher, als habe sie stattdessen eine Art Eiskunstlauf hingelegt. Von der "nach oben offenen Richter-Skala" ist dann die Rede, als sei auch ebensogut ein Beben der Stärke 100 000 möglich. Ist es aber nicht - genauso wenig, wie es ein eislauf-artiger ästhetischer Genuss ist, wenn unter einem der Boden erzittert.

Geologen nennen die Stärke eines Erdbebens "Magnitude" (lateinisch für "Größe"). Diesen Wert errechnen die Forscher aus der Ausschlagshöhe der Seismographenzeiger und der Entfernung der Messstation vom Erdbebenherd.

Ausgedacht hat sich diese Methode der amerikanische Geologe Charles Francis Richter im Jahre 1935. Für Erdbeben aus der Zeit davor gibt es lediglich Schätzungen: Beim großen Beben von San Francisco im Jahre 1906 etwa reichen sie von 7,8 bis 8,3.

Die Werte der Richter-Skala bauen "zehner-logarithmisch" aufeinander auf: Ein Unterschied von 1 bedeutet zehnfach stärkere Bodenbewegungen.

Das heißt: Ein Erdbeben mit Richter-Wert 6 ist zehn Mal so stark wie eins vom Wert 5, hundert Mal so stark wie eins vom Wert 4 und so weiter. Schon ein um 0,3 höherer Wert bedeutet ein doppelt so starkes Beben.

Das vom 3. März in Afghanistan (Richter-Wert 7,4) war also 400 Mal so stark wie das Ereignis von Montag. Weil Richter den Anfang seiner Skala willkürlich festlegte, sind für "Mikro-Beben" auch Werte kleiner als Null möglich. Bevor es die Richter-Skala gab, ordneten die Wissenschaftler Erdbeben nach den Schäden, die sie anrichteten.

Der italienische Vulkanologe Giuseppe Mercalli entwickelte dazu im Jahre 1902 eine Skala mit zwölf Stufen von I ("Nur von Messinstrumenten fühlbar, nicht von Menschen") bis XII ("Schwerste Zerstörungen"). Das Erdbeben von Montag stünde darin bei Stufe V "Stark fühlbar".

Und warum wird die Richter-Skala stets als "nach oben offen" bezeichnet? Das ist ein Missverständnis, weil sie keine Obergrenze hat wie die Mercalli-Skala, sondern mit dem Wert der Erschütterungs-Energie arbeitet: Der lässt sich zwar beliebig groß denken - aber eben nur denken.

Erdbeben gibt es nur, weil in der Erdkruste Spannungen auftreten, die sich bisweilen lösen. Das Gestein ist zu schwach, als dass diese inneren Spannungen unendlich groß werden könnten; irgendwann reißt es immer. Das stärkste jemals gemessene Erdbeben (1960 in Chile) hatte einen Richter-Wert von 9,5. Erschütterungen des Planeten mit Wert 10 oder höher sind zwar theoretisch denkbar - aber nicht durch Erdbeben, sondern höchstens durch den Einschlag eines Meteoriten.

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