Kliniken Spezial Wenn Vergessen krankhaft ist

Volkskrankheit Alzheimer: Von den ersten Symptomen zu Diagnose und Behandlung und wie man Demenzen vorbeugen kann.

 Vorbereitung für eine Messung der Hirnströme (EEG)

Vorbereitung für eine Messung der Hirnströme (EEG)

Foto: DZNE/Volker Lannert

Anfangs ist es vielleicht nur ein Termin, der vergessen wird, oder ein Wort, das einem nicht einfallen will. „Man denkt: Das kann ja vorkommen, wenn man älter wird. Aber sich gar nicht mehr zu erinnern, dass es den Termin jemals gegeben hat, macht dann doch stutzig", sagt Saskia Weiß, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Schnell liegt der Verdacht nahe, dass der Betroffene die Alzheimer-Krankheit hat. Sie ist die häufigste Ursache von Demenz und bislang unheilbar.

Fast 1,6 Millionen Demenzkranke leben in Deutschland, zwei Drittel von ihnen leiden an Alzheimer, einer hirnorganischen Krankheit, die gekennzeichnet ist durch den langsam fortschreitenden Untergang von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Der schleichende Beginn ist typisch. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu: Bei den 65- bis 69-Jährigen ist nur ein Prozent betroffen, bei den über 90-Jährigen dagegen mehr als jeder Dritte.

Zu den klassischen Symptomen in einem frühen Stadium gehören Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Diese Merkmale sind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt, nehmen aber im Verlauf der Erkrankung zu, so dass es immer schwieriger wird, den Alltag zu bewältigen – für den Erkrankten, aber auch für die engen Angehörigen. Die stehen, wenn sie die Symptome bemerken, vor der schwierigen Frage: ansprechen oder nicht? Weiß versteht die Sorge, beim Betroffenen Ängste auszulösen, empfiehlt aber unbedingt das offene Gespräch: „Vergesslichkeit kann viele – behandelbare – Ursachen haben: Eine Fehlfunktion der Schilddrüse etwa, Hormon- oder Vitaminmangel oder sogar ein Tumor", erklärt sie.

Diagnose durch Testverfahren und körperliche Untersuchungen

In dieser Phase sollte man zunächst einen Termin beim Hausarzt ausmachen, der den Patienten nach ersten Untersuchungen gegebenenfalls an einen Facharzt (Neurologen) überweisen wird. Was viele nicht wissen: Alzheimer kann zu hundert Prozent erst nach dem Tod, durch eine Untersuchung des Gehirns, festgestellt werden, aber auch zu Lebzeiten ist eine Diagnose möglich: Dies geschieht einerseits durch Tests, mit denen der Arzt Wahrnehmung und Gedächtnisleistungen misst, andererseits aber, indem andere Krankheiten durch entsprechende Untersuchungen – beispielsweise Computer-Tomographie oder Kernspin-Untersuchung – ausgeschlossen werden. Lautet die Diagnose „Alzheimer", ist das „immer erst einmal ein Schock – für den Erkrankten genauso wie für den Angehörigen", schildert Weiß.

Allerdings bringe die Gewissheit oft auch eine Erleichterung mit sich: „Man weiß nun, womit man zu kämpfen hat." Durch die Diagnose biete sich die Gelegenheit, sofern die Krankheit noch nicht sehr fortgeschritten ist, Dinge zu regeln: Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Testament. „Manche überlegen auch, wie oder wo sie leben möchten, falls es zuhause nicht mehr geht", berichtet Weiß aus ihrer Erfahrung. Sie appelliert an die Angehörigen von Demenzkranken, schon früh eine Beratung in Anspruch zu nehmen, um sich Unterstützung zu holen.

Kann man etwas tun, um sein Risiko, an Alzheimer zu erkranken zu senken? Die Ursachen für Demenz seien multifaktoriell, sagt Professor Robert Perneczky von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Eine große Rolle spielen Eiweißablagerungen im Gehirn. Es gebe auch eine erbliche Komponente. Zudem schädige alles, was das Gefäßsystem beeinträchtigt, auch das Gehirn und steigere somit auch das Demenzrisiko. Dazu zählen Rauchen, zu viel Alkohol, zu wenig Bewegung, Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes. Die gute Nachricht dabei sei: „Wir sind der Demenz nicht hilflos ausgeliefert. Jeder kann durch seine Lebensgewohnheiten die Gesundheit des Gehirns positiv beeinflussen."

Neues aus der DZNE-Zentrale in Bonn

Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), eine Einrichtung der Helmholtz Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren mit Hauptsitz auf dem Gelände der Bonner Uniklinik, entwickelt neue Methoden, um auf der Suche nach wirksamen Medikamenten, Therapien und Behandlungen von Nervenkrankheiten voranzukommen, die effektiv und schnell in die Praxis umgesetzt werden sollen. „Die Aufgabe, Ursachen der Demenz zu erforschen, ist ein sehr drängendes gesellschaftliches Problem und unser Konzept einzigartig in Europa“, sagt der Gründungsdirektor des DZNE, der Neurologe Prof. Pierluigi Nicotera.

Anfang Mai veröffentlichte das DZNE ein Forschungsergebnis, das auf einen neuen Ansatz gegen die Alzheimer-Krankheit hindeutet: In Studien an Mausmodellen fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Blockade eines Hirnrezeptors auf den Astrozyten (Zellen, die an der Steuerung der Gehirnaktivität und des Blutflusses beteiligt sind), die Funktion des Gehirns normalisierte und die Gedächtnisleistung verbesserte.

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