„Diese Musik ist in Kuba überall auf den Straßen" Ein Gefühl von Freiheit

Marialy Pacheco mischt kubanische Leichtigkeit mit Jazz und Orchestersound.

Es ist eine unerwartete Offenbarung: „Eigentlich bin ich eher schüchtern“, sagt Marialy Pacheco und lacht. Aber klar. Diese charmante, attraktive Kubanerin, die wie ein Wildfang über die Tasten jagt und dabei die Rhythmen ihrer Heimat mit der Offenheit des Jazz und der Stringenz der Klassik vereint?

Schüchtern? „Ja“, bestätigt die 33-Jährige. „Ich bin auch kein Show-off, ich muss nicht immer scheinen.“ Wobei sich Letzteres kaum verhindern lässt. Dafür ist die Pianistin einfach zu gut. Spätestens seit sie 2012 als erste Frau die Piano Solo Competition des Montreux Jazz Festivals gewann, kommt man an ihr nicht mehr vorbei.

Im Rahmen des Beethovenfests 2016 wird sie nun zusammen mit ihrem Trio, dem WDR Funkhaus Orchester und dem Trompeter Joo Kraus in der Rhein-Sieg-Halle Siegburg traditionelle kubanische Musik und Eigenkompositionen präsentieren. „Diese Musik ist in Kuba überall auf den Straßen“, erzählt Pacheco. „Sie passiert einfach. Wir haben sie im Blut und müssen sie nicht erst in der Schule lernen.“

Dort geht es dann doch eher um Klassik. Schon mit sieben Jahren wurde die in ein musikalisches Elternhaus geborene Marialy am Conservatorio Alejandro García Caturla in Havanna aufgenommen, bei einer sehr strengen Lehrerin, wie sie heute sagt. „Ich bin einmal weinend nach Hause gelaufen und habe meinem Vater gesagt, dass ich mit dem Klavierspiel aufhören will, weil nichts gut genug schien. Ich bin dann natürlich doch wieder hingegangen, und da sagte mir meine Lehrerin, dass sie so hart zu mir sei, weil sie an mich glauben würde. Wenn sie aufhören würde, mich zu kritisieren, dann hätte ich einen Grund, traurig zu sein. Heute bin ich ihr dafür unglaublich dankbar.“

Die strenge Ausbildung hat auch andere Spuren hinterlassen. Marialy Pacheco, die seit einigen Jahren in Dortmund lebt und von dort die Welt bereist, stellt an sich selbst höchste Ansprüche, fordert sich selbst kontinuierlich heraus. Gerade weil sie liebt, was sie tut. „Ich werde richtig unglücklich, wenn ich ein Stück nicht richtig spielen kann“, gesteht sie.

Ob es sich nun um Klassik handelt - besonders der klar strukturierte Johann Sebastian Bach hat es der 33-Jährigen angetan - oder eben jene besondere Mischung aus lateinamerikanischen Klängen und Jazz, mit der sie seit Jahren große Erfolge feiert. „Besonders wichtig ist dabei die Leichtigkeit“, sagt sie. „Es muss wirken, als ob nichts Besonderes passieren würde, auch wenn wir etwa ein Stück im 7/4-Takt spielen.“

Umso größer war die Freude Pachecos, als genau dies mit dem WDR Funkhaus Orchester sofort funktionierte. „Die Musiker sind wirklich fantastisch“, freut sich Pacheco. „Sie folgen den Strukturen, die ich zwangsläufig schaffen musste, und vermitteln gleichzeitig ein Gefühl von Freiheit. Ich liebe das. Es gibt sogar ein paar Stellen, wo das Orchester selbst ein wenig die vorhandenen Freiräume erkundet“ - was ja sonst eher den Jazzern vorbehalten ist.

Zu denen gehört neben Marialy Pachecos Triopartnern Juan Camilo Villa und Rodrigo Villalón auch Joo Kraus - eine Art musikalischer Seelenpartner, einer, der den schier unbändigen Vorwärtsdrang der Pianistin mit seinem Trompetenspiel zu bändigen weiß. „Er ist unglaublich sensibel und dabei sehr authentisch“, lobt Pacheco ihn.

„Beides ist für traditionelle kubanische Musik unabdingbar. Joo hat ja selbst schon in Kuba gearbeitet, hat dort ein Album aufgenommen und versteht das. Er harmoniert mit mir auf eine fast schon magische Art und Weise“ - und hilft Marialy Pacheco so, ihren eigenen Sound zu perfektionieren. „Die Stücke, die ich selber schreibe, sind ja nicht rein kubanisch, auch Weltmusik und europäischer Jazz fließen mit ein.“

Ihren Wurzeln bleibt Pacheco dabei dennoch immer treu. „Manchmal glaube ich, dass jene Musiker, die nicht mehr in Kuba leben, so wie etwa Arturo Sandoval oder auch ich, ihre Identität viel stärker am Leben erhalten als jene, die geblieben sind.“ Momentan ist zum Beispiel Reggaeton in Havanna sehr populär - dabei ist das so unglaublich schlecht!“ Ein hartes Urteil. Aber eines, das von Liebe und Leidenschaft geprägt ist. „Ich kann nicht ohne Musik sein“, sagt Marialy Pacheco. Im Gegensatz zu ihrer vermeintlichen Schüchternheit glaubt man ihr das ungesehen.

Konzert

Samstag, 17. September Rhein-Sieg-Halle Siegburg, 20 Uhr

Offenes Kuba: Marialy Pacheco Trio, Marialy Pacheco (Klavier), Juan Camilo Villa (Bass), Joo Kraus (Trompete), Rodrigo Villalón (Schlagzeug) WDR Funkhausorchester Köln, Wayne Marshall (Dir.) „Danzón Cubano“ - Cuban Jazz Vibes, Klassische Musik im kubanischen Stil und Arrangements von traditionellen kubanischen Stücken.

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