Wetteifern um die besten Köpfe Fachkräfte dringend gesucht

BONN/BERLIN · Die ITK-Branche hat kein Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel. Die Strategien der Unternehmen unterscheiden sich nur punktuell.

„Schön wär’s!“ antwortet Michaela Schimmang auf die Frage, ob ein Unternehmen mit einem so breiten Dienstleistungsportfolio wie Steep vom Fachkräftemangel weniger als andere Unternehmen betroffen sei. Auch der technische Dienstleister spürt, dass der Markt sich verändert hat, erläutert die Recruiting-Spezialistin, die sich für den Mittelständler aus dem Bonner Stadtteil Dransdorf intensiv und exklusiv mit dem Thema auseinandersetzt. Das nach einem Management-Buyout aus einem britischen Konzern seit fast fünf Jahren selbstständig agierende Unternehmen hat ein sehr heterogenes Dienstleistungsangebot. So betreibt der Mittelständler, der sich selbst als „Hidden Champion“ versteht, im Hessischen Hünfeld zusammen mit dem Land seit über zehn Jahren die erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt (JVA) und arbeitet seit Jahrzehnten in vielen Geschäftsbereichen für die Bundeswehr.

Die Wunschlisten sind lang

Der Fachkräftemangel hat die ITK-Branche mit voller Wucht erreicht, und die Unternehmen wetteifern zunehmend um die besten Köpfe. „Aktuell sind 51 000 Stellen für IT-Fachleute unbesetzt, davon 20 500 in der ITK- und 30 500 in der ITK-Anwendungs-Branche“, weiß Bastian Pauly vom Branchenverband Bitkom. „Allgemein beobachten wir den Trend, dass der Fachkräftemangel seit 2013, als wir 39 000 freie Stellen verzeichnet haben, bis zum vergangenen Jahr, in dem die Zahl auf 51 000 stieg, zu einem immer größeren Problem wird.“

Am gesuchtesten sind und bleiben Software-Entwickler: Wenn auch mit leicht rückläufiger Tendenz führten sie die „Hitliste“ der gesuchten IT-Fachleute mit 60 Prozent deutlich vor den zweitplatzierten IT-Beratern und Anwendungsbetreuern mit jeweils 21 Prozent an. „Das bildet auch unsere Wunschliste ziemlich exakt ab“, sagt Schimmang: Auf der stünden nämlich die Java-Entwickler ganz oben, gefolgt von Systemadministratoren und IT-Beratern. Letztere würden auch bei Steep immer wichtiger, weil das Thema Datensicherheit in den letzten Jahren immer drängender geworden sei, so die Personalerin.

Und es steht nicht zu erwarten, dass sich das Problem in der nächsten Zeit lösen wird: 54 Prozent der vom Branchenverband Bitkom befragten Unternehmen befürchten, dass sich der Fachkräftemangel in Zukunft noch verschärfen wird. Selbst in den Anwenderbranchen, in denen ja der Anteil der Anwendungsbetreuer und Administratoren am höchsten ist, nimmt deren Anteil an den gesuchten Kräften zugunsten von Software-Entwicklern ab: Von 17 auf 31 Prozent ist deren Anteil an den gesuchten Spezialisten von 2014 bis 2016 gestiegen, während die Nachfrage nach Anwendungsbetreuern und Administratoren im selben Zeitraum von 51 auf nur noch 37 Prozent gesunken ist.

Schnell Teil des Teams werden

„Wir suchen im Hardware-Bereich IT-Consultants und IT- System-Engineers – beide mit speziellen Ausrichtungen wie Cloud, Virtualisierung oder IT-Security“, erzählt Manuela Schmiedeknecht, Teamleiterin HR-Marketing, Recruiting, Ausbildung bei Bechtle. Das Unternehmen ist mit rund 70 IT-Systemhäusern in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv und zählt darüber hinaus mit E-Commerce-Gesellschaften in 14 Ländern zu den führenden IT-Onlinehändlern in Europa. Das 1983 gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in Neckarsulm beschäftigt derzeit bundesweit rund 7 700 Mitarbeiter, 280 davon in der Region Bonn. Auch IT-Vertriebsmitarbeiter zu finden sei nicht einfach. Denn hier sei das „Vertriebs-Gen kombiniert mit IT-Affinität gefragt“, so Schmiedeknechts Kollege Martin Pfütze.

So heterogen die Bereiche sind, in denen die Unternehmen arbeiten, und so unterschiedlich auch die Arbeitsfelder der gesuchten Spezialisten sind, so ähnlich sind sich allerdings die Strategien der meisten Unternehmen: Natürlich gehört die Präsenz auf Portalen wie Monster, Stepstone oder Xing dazu. Immer wichtiger ist aber offenbar auch ein intensiv betriebenes Hochschulmarketing, und die Kooperation mit der Fachhochschule Bonn/Rhein-Sieg ist weder für Bechtle noch für das Systemhaus SER am Bonner Bogen wegzudenken: Es helfe nicht über den Fachkräftemangel zu lamentieren, Handeln sei gefragt, sagt Manfred Zerwas, Geschäftsführender Gesellschafter der SER-Gruppe. „Wir unterstützen mit unseren Hochschulkooperationen in diesem Jahr 40 Studentinnen und Studenten mit einem Deutschlandstipendium, allein 30 davon an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg“. Außerdem ermutige man die Mitarbeiter berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen wie ein duales Studium in Informatik oder Wirtschaftsinformatik aufzunehmen und unterstütze sie dabei auch finanziell.

Zunehmend sollen auch die Mitarbeiter selbst für das Unternehmen sprechen: „Im Rahmen unserer internationalen Qualifizierungsoffensive fördern wir den Austausch von Mitarbeitern unserer Standorte in Deutschland, Europa und auch darüber hinaus“, so Zerwas weiter. Bei Bechtle hört sich das ganz ähnlich an, nur der Schwerpunkt ist ein anderer: „Wir geben den Mitarbeitern viel Freiraum zur Gestaltung und bieten Neueinsteigern zu Anfang ein professionelles Onboarding – das heißt, sie können sich schnell als Teil der Unternehmensfamilie fühlen“, so Schmiedeknecht. Zufriedene Mitarbeiter seien die besten Multiplikatoren, die sich ein Unternehmen wünschen könne.

Und wer kann, bildet natürlich selbst aus: „Auf der Suche nach jungen Talenten bieten wir den zukünftigen IT-Systemkaufleuten oder Fachinformatikern für Systemintegration bereits in der Ausbildungszeit so einiges an“, meint Schmiedeknecht. Ein Angebot, das angenommen wird, wie die Einträge auf einem feigens ür die Azubis eingerichteten Blog zeigen.

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