Wirtschaftsmagazin Einkaufszentrum als Heilsbringer

Region · Erreichbarkeit, Bequemlichkeit und Qualität spielen für die Zukunft des Innenstadthandels eine entscheidende Rolle

 Shopping-Malls wie die neue Huma-Shoppingwelt in Sankt Augustin ermöglichen ein wetterunabhängiges Shoppingerlebnis. FOTO: HUMA SHOPPINGWELT

Shopping-Malls wie die neue Huma-Shoppingwelt in Sankt Augustin ermöglichen ein wetterunabhängiges Shoppingerlebnis. FOTO: HUMA SHOPPINGWELT

Foto: HUMA SHOPPINGWELT

Mit der Eröffnung der neuen Huma-Shoppingwelt in Sankt Augustin ist das modernste und mit 39 000 Quadratmetern Verkaufsfläche größte Einkaufszentrum der Region an den Start gegangen. Einen Monat nach der Eröffnung steht fest: Mit mehr als 100 000 Besuchern an Spitzentagen haben sich die Erwartungen an das neu geschaffene Einkaufszentrum im Herzen der 55 000-Einwohner-Stadt mehr als erfüllt.

Fulminanter Start

Die Huma-Shoppingwelt funktioniert – und das in Zeiten, in denen der Einzelhandel starkes Wachstum nur noch in der digitalen Welt verzeichnet. Der Wandel des Einzelhandels sei spürbar und unaufhaltbar, resümiert Dr. Hermann Tengler. Als Wirtschaftsförderer des Rhein-Sieg-Kreises hat er die Entwicklungen der Huma-Shoppingwelt mitverfolgt und betont die Bedeutung eines florierenden Stadtzentrums: „Einzelhandel entscheidet über Attraktivität und Vitalität der Innenstädte.“ Händler, Gewerbevereine, Wirtschaftsförderungen und auch die Industrie- und Handelskammern haben in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten zur Steigerung der Innenstadtattraktivität spürbar intensiviert, sagt Tengler. „Das alles ist sicher der mit Abstand größten Konkurrenz geschuldet, dem Online-Handel.

Das Flächenwachstum im Einzelhandel steht kurz vor dem Ende, sagen Prognosen, die auch Frequenzrückgänge in den Städten zugunsten des Online-Handels erwarten.“ Dass die neue Huma-Shoppingwelt dennoch so gut angenommen werde, wundert den Wirtschaftsexperten nicht: „Die gute Erreichbarkeit spielt heute bei der Wahl des Einkaufsortes eine wichtige Rolle. Es ist aber auch der Faktor Zeit: Die Zeitfenster der Kunden für Innenstadtbesuche mit langer Anfahrt, Parkplatzsuche und Laufwegen werden kleiner. Wir haben längere Arbeitszeiten, weniger Freizeit und der Freitagnachmittag und Samstag allein reichen dem Kunden und auch dem Einzelhändler nicht aus.“

Wird das Einkaufszentrum zur Arche Noah des stationären Einzelhandels? Und welche Rolle spielen City- und Factory Outlets, wie sie in der Region auch zu finden sind? Die Antwort darauf sei schwierig, so Dr. Hermann Tengler: „Auch Einkaufszentren funktionieren heute nicht mehr überall. Für Innenstädte sind sie erfolgreiche Frequenzbringer, wenngleich es auch hier Prognosen gibt, dass das Wachstum allmählich abnimmt. Es gibt auch Beispiele, dass man ohne Einkaufszentrum erfolgreich sein kann. In Bad Honnef gibt es eine hohe Kaufkraft, einen attraktiven Einzelhandel, eine hohe Qualität und viele Anlässe, die auch Externe zum Innenstadtbesuch motivieren.“

Ähnlich sieht es auch Adalbert von der Osten, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen. In seinem Zuständigkeitsgebiet sind eine Vielzahl an konventionellen und neuen Einzelhandelsformaten zu finden – von der Fußgängerzone über Shoppingcenter bis zum Outlet. Auch der Einzelhandelsexperte hält eine pauschale Antwort auf die Frage des Erfolgsmodells der Zukunft für schwierig: „Sie ist immer nur individuell aus Sicht des Kunden zu beantworten. Und dem geht es um Komfort, zum Beispiel gute Erreichbarkeit der Einkaufsstätte, Angebotsbreite, Qualität und Preis.“

Unabhängig davon, ob es sich um einen Erlebnis- oder einen Versorgungseinkauf handele, stehe fest: „Grundsätzlich aber stehen alle Formen des stationären Handels unter Druck, da der wachsende Online-Handel zu Frequenzrückgängen führt.“ Besonders die Segmente Bücher, Bekleidung, Schuhe, Elektronik-Artikel und Telekommunikation leiden darunter. Und: „Nicht wenige Einzelhändler bedienen aber auch beide Vertriebswege, sind also stationär wie online präsent. Das Stichwort lautet hier ‚Multichannelling‘.“

Dass trotz schwieriger Prognosen für den stationären Einzelhandel und erwartetem Flächenwachstum dennoch neue Flächen entstehen und auch der alte Huma-Einkaufspark einer hochmodernen neuen Huma-Shoppingwelt gewichen ist, steht für Adalbert von der Osten nicht im Widerspruch: „Ich sehe darin vor allem das Bestreben, zeitgemäße Antworten auf das sich wandelnde Einkaufsverhalten zu geben. Der steigende Druck durch den Online-Handel fordert wiederum vom stationären Handel, innovativ zu sein und sich immer wieder zu erneuern.“ Attraktivität und Qualität in der Beratung reichten nicht, sagt der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes. „Sicherlich ist aber auch die Politik in den Kommunen gefragt, die Innenstädte attraktiv zu halten durch eine gute Erreichbarkeit mit allen Verkehrsträgern inklusive einer guten Parkplatzsituation für Auto und Fahrrad. Denn in diesem Punkt haben die Einkaufszentren den Innenstädten etwas voraus.“

Durchdachtes Verkehrskonzept

In Sachen Erreichbarkeit haben Planer, Stadt und Politik beim Bau der neuen Huma-Shoppingwelt ihre Hausaufgaben gemacht: Eine neue Stadtbahnhaltestelle, eine neue Fuß- und Radfahrerbrücke, aber auch 2300 extrabreite Parkplätze, die über ein Parkleitsystem von allen Zufahrtsstraßen ins Zentrum zu finden und zwei Stunden kostenlos nutzbar sind, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Allein darauf dürfe sich der stationäre Einzelhandel aber nicht ausruhen, sagt Kreiswirtschaftsförderer Dr. Hermann Tengler. „Der Handel muss sich zusammentun, gemeinsam Anlässe schaffen und auch seine Vorteile in der Beratung und der Qualität stärker ausspielen.“

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