Meister-BAföG für das Handwerk In der Krise entstand das Meister-BAföG

Vor gut 22 Jahren wurde das Meister-BAföG in Deutschland eingeführt. Ohne Kampf und politisches Strippenziehen ging das nicht: Die Handwerksjunioren drohten seinerzeit sogar mit einer Verfassungsklage und ihr Vorsitzender Norbert Hüsson prägte als erster den Begriff „Meister-BAföG“.

 Norbert Hüsson, Malermeister und Erfinder des „Meister-BAföG“. FOTO: CHRISTOPH GÖTTERT

Norbert Hüsson, Malermeister und Erfinder des „Meister-BAföG“. FOTO: CHRISTOPH GÖTTERT

Foto: Nein

Der ganz große Durchbruch war das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz von 1996 zwar nicht, aber dennoch ein Erfolg in der Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung.

Mitte der 90er-Jahre mangelte es der damaligen christliberalen Bundesregierung vor allem an einem: Geld. Die Folgen der deutschen Einheit wurden erst jetzt spürbar, die Treuhand trieb die Privatisierung der ehemaligen DDR-Volksbetriebe voran, der Solidaritätszuschlag wurde eingeführt – und die Gelder für die Meisterausbildungsförderung wurden plötzlich drastisch gekürzt. Das war damals mit einem Federstreich machbar, denn einen rechtlichen Anspruch auf eine Förderung der Teilnahme an Meisterkursen gab es nicht.

Kein Wunder, dass der Bundesverband Junghandwerk (der Name wurde erst ein Jahr später in Bundesverband Junioren des Handwerks umgewandelt) auf die Barrikaden ging. Während der Internationalen Handwerksmesse 1994 in München meldete sich der langjährige Junioren-Vorsitzende Norbert Hüsson zu Wort. Auf einer Pressekonferenz sprach der Düsseldorfer Malermeister von einem „Zwei-Klassen-Bildungssystem“: „Die akademische Bildung fährt im ICE auf der Schnellbahntrasse ins 21. Jahrhundert, während die berufliche Bildung in der Lokalbahn auf einem Nebengleis zurück ins Mittelalter steuert.“

Zurück ins Mittelalter

Die Nachwuchsorganisation des Handwerks mit seinerzeit über 10 000 Mitgliedern rechnete nach dem Wegfall der alten Aufstiegsförderung damit, dass die Zahl der Meisterkursteilnehmer deutlich sinken könnte. Auch das zinsverbilligte Darlehensprogramm der Bundesregierung sei keine Hilfe, kritisierte Hüsson.

Der streitbare Juniorenvorsitzende nutzte die Pressekonferenz um klare Forderungen zu stellen. Konkret forderte Norbert Hüsson ein einheitliches Bundesgesetz zur Ausbildungsförderung – mit einer Zweiteilung nach akademischer und beruflicher Ausbildung. Erstmals erwähnte Hüsson hierbei den Begriff „Meister-BAföG“. „Meisterschüler könnten damit in Zukunft ebenfalls BAföG in Anspruch nehmen.“

Wie ernst es den Handwerksjunioren war, zeigte ihre Bereitschaft, dafür sogar den Rechtsweg zu beschreiten. „Wir erwägen gegen die Streichung der Fördermittel für die Aufstiegsfortbildung eine Verfassungsklage.“

Aller Anfang ist schwer

Zu der kam es ja dann schließlich nicht, denn nach langem politischen Hin und Her startete am 1. Januar 1996 das Meister-BAföG mit dem offiziellen Wortungetüm: Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG). Der Start war allerdings holprig. Der erste Entwurf scheiterte nämlich im Vermittlungsausschuss. Streitpunkt war die Frage, ob die Anträge von den Arbeitsämtern bearbeitet werden sollten. Schließlich kam das Gesetz doch, allerdings in einer recht mageren Ausstattung. Der damalige Wirtschaftsminister Günter Rexrodt hatte noch vollmundig versprochen, für das neue Meister-BAföG „richtig Geld in die Hand“ zu nehmen. Ausgerechnet einer der größten Befürworter der neuen Regelung, Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers, musste dann allerdings Farbe bekennen. Gerade mal 400 Millionen Mark waren in der Kasse – zu wenig, um große Schritte zu machen und den Bedarf im Handwerk nach gut ausgebildeten Meistern auch nur annähernd zu stillen.

Der Anfang war auch deshalb schwer, weil sich Bund und Länder darauf verständigten, das Meister-BAföG gemeinsam zu fördern. Im Föderalismus bedeutet das in der Regel: jedes Land macht sein eigenes Modell.

Das war auch 1996 so. Für das Meister-BAföG gab es zu Beginn einen regelrechten Behörden-Flickenteppich. In Baden-Württemberg etwa waren die kommunalen Ämter für Ausbildungsförderung zuständig, in Nordrhein-Westfalen das Landesamt für Ausbildungsförderung, in Schleswig-Holstein gar die landeseigene Investitionsbank. Auch die Handwerkskammern waren unterschiedlich betroffen. Die einen wollten in die Vergabe eingebunden werden, die anderen wollten lieber ihre Neutralität bewahren.

Die Fehler wurden von den nachfolgenden Bundesregierungen erkannt und verbessert. Zum 1. August 2016 wurde mit der 3. Novellierung des Meister-BAföG abermals nachgebessert. Und so ist aus dem Modell letztendlich in den zwei Jahrzehnten doch noch ein Erfolgsmodell geworden.

Rechtsanspruch auf Unterstützung

„Ohne das Meister-BAföG wären die Meisterzahlen stark rückläufig. Gerade jetzt, wo viele Handwerksbetriebe einen Nachfolger suchen, ist eine attraktive Aufstiegsfortbildung wichtiger denn je“, betont Norbert Hüsson, der heute unter anderem in der Vollversammlung der Handwerkskammer Düsseldorf und im Landesvorstand der CDU-Mittelstandsvereinigung aktiv ist.

Er bedauert, dass es in der Bevölkerung immer noch das Bewusstsein gebe, dass der akademische Bildungsweg der beste Weg sei: „Die Einkommenssituation vieler erfolgreicher Handwerksmeister zeigt, dass die Realität eine andere ist.“

Geschaffen hat das Meister-BAföG vor allem eines: Erstmals haben Handwerker (und mittlerweile auch andere Berufsgruppen) in Deutschland einen Rechtsanspruch auf eine finanzielle Unterstützung der Aufstiegsfortbildung. Die Mischung aus Zuschüssen und Darlehen hat sich dabei bewährt. Seit dem Start vor 22 Jahren wurden schließlich rund zwei Millionen Menschen gefördert, die meisten starteten danach eine Karriere als Führungskräfte und Unternehmer.

Millionen Menschen profitieren

Nach Zahlen aus dem Jahr 2014 profitieren jährlich rund 172 000 Menschen von den Segnungen des Meister-BAföG. 587 Millionen Euro lassen sich Bund und Länder das jährlich kosten – ein Teil der Gelder fließt zurück. Denn beim Meister-BAföG werden Kosten für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren, Lebensunterhalt und Kinder finanziell unterstützt, teilweise als Zuschuss, teilweise als Darlehen. Darlehen gibt es über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die allein im Jahr 2014 dafür 309 Millionen Euro auszahlte. Übrigens: 30 000 Meisterkursteilnehmern wurde 25 Prozent des Restdarlehens nach erfolgreichem Abschluss erlassen, immerhin rund 23 Millionen Euro.

Sicher, die Förderung könnte noch großzügiger ausfallen. Das haben auch die Politiker erkannt. Das novellierte Meister-BAföG, das seit zwei Jahren gilt, glänzt mit angepassten Bedarfssätzen sowie höheren Zuschussanteilen und Freibeträgen.

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