Ermekeilstraße Wohnen, wo marschiert wurde

Was haben die alten Backsteinmauern an der Ermekeilstraße nicht schon alles gesehen: Preußische, Wehrmachts- und Bundeswehrsoldaten, Beamte, Minister und zivile Bewohner.

 Diese Postkarte zeigt die Ermekeilkaserne am Ende des 19. Jahrhunderts.

Diese Postkarte zeigt die Ermekeilkaserne am Ende des 19. Jahrhunderts.

Foto: Bundesarchiv

Ab 2013 bewachten die Pförtner ein weitgehend verlassenes Gelände, brachiale Gebäude aus verschiedenen Stilepochen auf rund 24.000 Quadratmetern, an denen der Zahn der Zeit nagt. Aktuell werden einige Gebäude von Flüchtlingen bewohnt, in Zukunft soll dort ein Wohnquartier entstehen.

Private Stadtentwicklung

Den Stadtoberen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefiel, dass Privatleute Geld für die Stadterweiterung in die Hand nahmen. So mancher Wohlhabende kaufte freie Flächen außerhalb der damaligen Stadtgrenze, baute Straßen, verlegte Kanäle, Gas- und Wasserleitungen und verkaufte die Grundstücke.

Zum Dank wurden die entsprechenden Straßen nach ihnen benannt. So hatten es die Wessels und die Colmants gemacht, und so machte es in den 1870er Jahren auch die vermutlich wohlhabende Gastwirtsfamilie Ermekeil.

Das Preußische Kriegsministerium erwarb ein großes Grundstück und baute ab 1880 eine Kaserne. Am 31. März 1883 zogen die ersten Infanteristen ein.

Es folgten im Lauf der Jahre weitere Gebäude auf dem Gelände. 1914 zogen die Soldaten von der Ermekeilkaserne aus in den Ersten Weltkrieg, 2838 von ihnen kehrten nicht zurück. Nach dem Krieg durften im Rheinland keine Truppen stationiert werden, also wurden die Gebäude zu Wohnungen oder Büros umgebaut.

Die dunkle Zeit

In der NS-Zeit führte das Wehrbezirkskommando Musterungen in den Gebäuden durch, an die sich einige Alteingesessene heute noch mit Grausen erinnern. Außerdem war dort ein Wehrmachtmeldeamt untergebracht. In den Nachkriegsjahren blieb das Gelände ungenutzt, erst 1949 zogen einige Bundesdienststellen dort ein.

Dann kam das „Amt Blank“

Dann nahm Theodor Blank seine Arbeit als „Beauftragter des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ auf. Schnell hieß der Standort nur noch „Amt Blank“. Daraus entstand 1955 das Bundesverteidigungsministerium mit Blank an der Spitze. In diesem Jahr, am 12. November, wurden dort die ersten Soldaten der Bundesrepublik Deutschland vereidigt – die Geburtsstunde der Bundeswehr.

1960 zog der Minister auf die neu gebaute Hardthöhe, bis 1998 folgten ihm alle Soldaten und Abteilungen des Ministeriums. 2000 zog das Bundesamt für Wehrverwaltung in die Kaserne ein und blieb 13 Jahre. Seit dem 30. Juni 2013, so betont die Ermekeil-initiative auf ihrer Homepage, ist das Gelände zivil.

Dieser „Verein zur zivilen Nutzung der Bonner Ermekeilkaserne“ wurde 2005 von engagierten Bürgern gegründet. Fest stand damals nur, dass einige Gebäude unter Denkmalschutz stehen und deshalb nicht abgerissen werden dürfen. Die Stadt führte 2015 eine Bürgerwerkstatt zur Bebauung als Quartier zum Wohnen, Leben und Arbeiten unter dem Namen „Ermekeilkarree“ durch.

Unterkunft für Flüchtlinge

Zu dem Zeitpunkt war aber die Kaserne auch schon vorübergehende Unterkunft für Flüchtlinge. Diese bleiben in der Regel nur kurz und reisen nach einer Woche zu anderen Unterkünften weiter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist auf dem Gelände eingezogen.

Unerfreuliche Begleiterscheinung der Flüchtlingsunterbringung: Alle bisherigen Pläne sind laut des Bonner Presseamts für die nächsten fünf Jahre eingefroren. Dabei gab es schon einige konkrete Vorstellungen: Blockartige Bebauung mit Innenhöfen und Grünflächen, Mischung aus Wohnungen, Gewerbe und Kultur, Car- und Bike-Sharing, Urban Gardening als fester Bestandteil des öffentlichen Raumes und ein integriertes Wohnkonzept.

Das Presseamt bestätigt, dass die Planungen aus der Bürgerwerkstatt später wieder aufgenommen werden - der stellvertretende Vereinsvorsitzende Kristian Golla ist skeptisch, gibt aber die Hoffnung auf ein lebendiges Wohnquartier nicht auf. „Gute Ideen setzen sich immer durch, das habe ich hier gesehen.“

Golla sieht die Aufgabe der Initiative jetzt auch darin, die Stadt nicht aus der Verantwortung zu entlassen. „Wir sitzen vielen Leuten bei der Stadtverwaltung und den Behörden im Nacken: Sie sollen die Gebäude nicht vergessen.“ (kpo)

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