Globalisierung Bonn global

Bonn · Die Bundesstadt Bonn hat sich emanzipiert und ist zu einem internationalen Kontakt-Knoten für Zukunftsfragen geworden.

Wo es denn zum Geburtshaus von Beethoven geht, möchte das ältere Ehepaar aus den Niederlanden gerne wissen, das Anfang April mit einem Kreuzfahrtschiff am Alten Zoll in Bonn für ein paar Stunden Station gemacht hat. Die Joggerin auf der Uferpromenade ist sich unschlüssig. Sie deutet unbestimmt stadteinwärts. "Beethoven - Sie müssen in die Bonngasse", springt ein junger Asiate in fast lupenreinem Deutsch ein, der die Frage mitgehört hat.

Die Szene aus dem Bonner Alltag zeigt: Die Diplomaten haben ihre Godesberger Villen geräumt. Die Stadt am Rhein ist stattdessen in den letzten drei Jahrzehnten vom außerhalb oftmals als "Bundesdorf" belächelten deutschen Regierungssitz zu einem freien Treffpunkt der Welt herangewachsen. Hier leben, lernen und arbeiten heute Menschen aus 175 Ländern friedlich zusammen. Deutlich mehr als jeder vierte Einwohner (88 522 Ende 2015) hat keinen deutschen Pass. Gemeinsam erzielen sie eine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Dynamik, die zumindest in Nordrhein-Westfalen ihresgleichen sucht.

Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis profitieren wie kaum eine andere Region im Land von der Öffnung der Welt und dem Austausch von Handelsgütern und Dienstleistungen, Wissen und Meinungen. Und trotz alledem ist Bonn eine liebenswert eigene Welt geblieben, die ihre lokalen Traditionen hochhält und pflegt.

Vor allem die beiden großen Global Player prägen diese Entwicklung. Die Deutsche Telekom AG steuert aus der Gronau 218.000 Mitarbeiter in ihren Tochtergesellschaften auf fünf Kontinenten und trägt damit wesentlich zur digitalen Vernetzung der Welt bei. Aus dem Posttower in der Rheinaue lenkt die Deutsche Post DHL Group ihr weltumspannendes Logistik-Netzwerk mit sage und schreibe 508.036 Beschäftigten in mehr als 220 Ländern und Territorien. Der gelbe Konzern hat an der Globalisierung maßgeblichen Anteil: Damit eilige Sendungen ihren Bestimmungsort möglichst rasch erreichen, steuert das Unternehmen mit mehr als 250 Maschinen 500 Flughäfen an - von Köln-Bonn bis Kinshasa und Kuala Lumpur. Drei Millionen Fracht-Container waren 2016 für DHL auf den Weltmeeren unterwegs.

Globalisiert in Bonn

Doch damit nicht genug: Die Deutsche Post DHL Group ist in der globalisierten Welt auch in vielerlei Geschäftsfeldern unterwegs, die der deutsche Briefkunde kaum vermutet. So stattet man Lufthansa-Crews ebenso wie Londons Polizisten komplett mit Dienstkleidung aus - vom Einkauf bis zur Auslieferung. In Kenia helfen DHL-Experten, damit lebenswichtige Impfstoffe schneller zum Empfänger gelangen. Und in Singapur haben jüngst 130 Roboter-Shuttles in einem neuen DHL-Lagerhaus den Warentransport zwischen den 26 Etagen übernommen. Dass die wertvollen Instrumente des Leipziger Gewandhausorchesters mit DHL um die Welt zu ihren Konzertreisen touren, ist bei all dem nur eine Randnotiz.

Eine hohe Anziehungskraft hat als drittgrößter Arbeitgeber in der Stadt und bekannte Forschungs-Hochschule auch die Bonner Universität. An ihren Fakultäten waren im letzten Wintersemester 4780 ausländische Studierende eingeschrieben. Schließlich haben auch die Vereinten Nationen Bonns internationales Profil entscheidend mitgeprägt. Ihre bislang 18 in der Stadt ansässigen Institutionen, die noch in diesem Jahr durch ein technisches Büro der Organisation für industrielle Entwicklung (Unido) ergänzt werden, beschäftigen inzwischen ebenfalls rund 1000 Mitarbeiter.

Das alles hat weitere Akteure an den Rhein gelockt. Dazu gehören etliche multinationale Organisationen wie beispielsweise der Weltbiodiversitätsrat (IPBES), das Innovations- und Technologiezentrum der Internationalen Agentur für erneuerbare Energie (IRENA-IITC) oder der Globale Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt (Global Crops Diversity Trust). Dazu kommen internationale Nichtregierungsorganisationen wie der Weltverband der Windenergie (World Wind Energy Association) oder internationale Zertifizierungsorganisationen wie das Forest Stewardship Council (FSC), das weltweit nachhaltige Waldprodukte zertifiziert.

Wissen in 30 Sprachen

Wirtschaftlichen Fortschritt ressourcenschonend und sozial verträglich zu gestalten, ist ein in Bonn bekanntermaßen großes Thema. Neben den einschlägigen Bundesministerien für Umwelt, Landwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit ist auch die bundeseigene Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit rund 1000 Beschäftigten vor Ort. Im Kielwasser haben zahlreiche Organisationen und Vereine der Entwicklungshilfe ihren Sitz in der Bundesstadt. Und die Deutsche Welle verbreitet aus dem Schürmann-Bau Wissen über Deutschland in 30 Sprachen in alle Ecken der Erde.

Hoch oben im zwölften Stock des Bonner Stadthauses sieht Oberbürgermeister Ashok Sridharan die Entwicklung mit großer Zufriedenheit. Er sagt: "Die enge Vernetzung von UN, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft - speziell im Themenfeld der Nachhaltigkeit - bietet ideale Voraussetzungen für eine weitere Stärkung unseres Zukunftsprofils. Diese positive Entwicklung wird unterstützt durch eine weltoffene Bevölkerung und internationale Kontakte auf unterschiedlichsten Ebenen - von Schulpartnerschaften bis zu internationalen Wissenschaftsnetzwerken."

Integration in Bonn

Die Arbeit ist schließlich nur das halbe Leben. Deshalb kümmern sich die "BonnExpats", ein Netzwerk verschiedener Organisationen und der Stadt Bonn, um die Integration der Mitarbeiter internationaler Organisationen in Bonn. Zwei internationale Schulen und Angebote wie der English Shop am Friedensplatz helfen beim Heimischwerden. Ländergesellschaften und Partnerschaftsvereine - vom American-German-Business-Club bis zum Partnerschaftsverein Bonn-Cape Coast - kümmern sich zudem um bilaterale Kontakte.

Sogar der rheinische Karneval ist in Bonn längst ziemlich bunt. Von afrikanischen Trommlern bis zum Festwagen der Kultur- und Karnevalsgesellschaft Bönnsche Chinese e.V. und zu den UN-Funken ist beim Rosenmontagszug regelmäßig viel internationales Volk auf den Beinen. Ludwig van Beethoven, der Kosmopolit, hätte seine wahre Freude.

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