Vor 50 Jahren trat der Porsche-Traktor ab

Fulda/Stuttgart · Fulda/Stuttgart (dpa/tmn) - Lange bevor der 911er zur Sportwagenlegende wurde, waren Porsche auf dem Acker unterwegs - mit einem Schlepper. 50 Jahre nach dem Produktionsende des Traktors stehen die Diesel-Rösser bei Sammlern hoch im Kurs.

 Abschied vom Feld: 1963, im Jahr des 911er-Debüts, stellte Porsche seinen Schlepper ein. Foto: Thomas Geiger

Abschied vom Feld: 1963, im Jahr des 911er-Debüts, stellte Porsche seinen Schlepper ein. Foto: Thomas Geiger

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Zwei Zylinder, 15 kW/20 PS und bei Vollgas nicht einmal 25 km/h - gewöhnlichen Porsche-Fans sind solche Fahrleistungen nicht einmal ein Lachen wert. Doch Winfried Urner strahlt übers ganze Gesicht, wenn sich der 1,4 Liter große Diesel mit gemütlichem Tuckern Gehör verschafft. Auch der Zweizylinder des Sammlers aus Osthessen ist ein echter Porsche. Es ist ein feuerroter Schlepper, den die Schwaben in der Nachkriegszeit auf den Acker brachten - lange bevor sie mit dem 911 zum legendären Sportwagenhersteller wurden. Vor 50 Jahren lief bei der Porsche Diesel GmbH in Friedrichshafen der letzte dieser Traktoren vom Band.

Das Produktionsende markierte bei Porsche eine Zäsur. Denn kurz nach dem Ende das Traktors stellte der Hersteller im September 1963 die Erstauflage seiner Sportwagenikone auf der Internationalen Automobilausstellung vor. "Porsche wollte sich auf die Sportwagen konzentrieren und hat die Traktoren dafür drangegeben", urteilt Sammler Urner.

Die Geschichte des Porsche Traktors begann vor dem Zweiten Weltkrieg. Firmengründer Ferdinand Porsche bekam von der NS-Regierung nicht nur den Auftrag, einen Volkswagen zu entwickeln. Auch einen Volksschlepper für weniger als 1000 Mark sollte er bauen. Während der Volkswagen als Käfer allerdings noch vor Kriegsbeginn fertig wurde, gab es vom Schlepper nur ein paar Prototypen. Seine Produktion begann erst 1950 beim württembergischen Porsche-Nachbarn Allgaier.

Dieser "Allgaier-Schlepper System Porsche" schlug auf dem Acker sofort ein. Er leistete 18 PS und bestach vor allem durch seine neuartige Haube, während die Konkurrenz den Motor noch offen kutschierte. Außerdem war er deutlich billiger als ein Konkurrenzmodell etwa von Lanz und kostete mit 4450 Mark nur 50 Mark mehr als ein einfacher Käfer.

Wegen solcher Qaulitäten baute Porsche die Palette zügig aus. Gemeinsam mit Mannesmann gründeten die Schwaben in Friedrichshafen die Porsche Diesel Motorenbau GmbH und fertigten dort vier Typen mit einem bis vier Zylindern: den kleinen Junior, die Modelle Standard und Super sowie den großen Master. Und sie exportierten in alle Welt. Selbst in Amerika war Porsche erst einmal auf dem Bauernhof bekannt, bevor die Autos der Marke auch die Boxengasse eroberten.

Doch der Reiz des Rasens war offenbar größer als die Rendite auf dem Rapsfeld: Vor genau 50 Jahren, im Juli 1963, stellte Porsche die Produktion ein. Rund 120 000 Traktoren rollten zwischen 1950 und dem Fertigungsende vom Band - mehr als doppelt so viele wie Sportwagen aus Zuffenhausen in diesem Zeitraum. Laut Schätzungen des Porsche-Diesel Club Europa (PDCE) haben davon etwa die Hälfte überlebt: "Allein wir haben 900 Mitglieder mit etwa 5000 Fahrzeugen", sagt Club-Präsident Harald Stegen in Bremen.

Heute steht der Porsche-Traktor bei den Sammlern wie Winfried Urner hoch im Kurs. "Die Marke ist ein Mythos, das strahlt vom Sportwagen auf die Schlepper ab", sagt der Osthesse. Eine geringere Rolle spielt dabei, dass wegweisende technische Details wie Luftkühlung für den Diesel, eine Regelhydraulik von Bosch, der Kraftheber oder eine verstellbare Spurweite an Bord waren.

"Vor ein paar Jahren konnte man einen halbwegs fahrfähigen Scheunenfund noch für 2500 Euro kaufen, jetzt muss man dafür mindestens 3500 Euro anlegen, wenn sich der Traktor noch von selbst bewegen soll", sagt Urner. Für ein restauriertes Exemplar würden teils 18 000 Euro verlangt. Die Ersatzteilversorgung sei unkompliziert, weil einige Händler große Restbestände aufgekauft hätten und neuralgische Bauteile mittlerweile nachgefertigt würden.

Und die Reparaturen seien bei der ebenso schlichten wie stabilen Technik kein Hexenwerk. Wer trotzdem Respekt vor den Agrar-Rentnern hat, dem hilft der Porsche-Club mit einem speziellen Programm, erläutert PDCE-Chef Stegen: Auf Wunsch vermittelt die Organisation ihren Mitgliedern eine von über 100 Klassen in Berufs-, Real- oder Behindertenschulen, die im Rahmen des Unterrichts die Restaurierung übernehmen.

Mit der Überholung seines Standard 217 von 1961 hat es Urner allerdings ein bisschen weit getrieben. Den roten Riesen restaurierte er so liebevoll, dass er ihm für den Wald nun zu schade ist. Das Brennholz kutschiert er stattdessen mit einem japanischen Geländewagen - was Genussfahrten im Traktor nicht ausschließt. In jeder freien Minute klettert Urner auf den weichen Ledersessel und erweckt den Diesel mit Startzug und Handgas zum Leben. Dann lässt er den Handbremshebel zurückschnappen, sortiert am dürren Schaltknauf zwischen den Knien die vier Gänge und tuckert über Landstraßen und einsame Feldwege, auf denen der Porsche-Schlepper so eine gute Figur macht wie ein 911 auf der Nordschleife.

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