Holz im Fahrzeugbau - Forscher schnitzen am Auto der Zukunft

Hannover · Holz steckt im Auto als edle Dekorleiste oder günstiges Material für das Innenleben der Hutablage. Doch bald könnte der Werkstoff im Wagen Karriere machen. Womöglich ist Holz eine Alternative zum Stahl.

 Ein Auto aus Holz - das ist ein Thema auf der Holzmesse Ligna in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte

Ein Auto aus Holz - das ist ein Thema auf der Holzmesse Ligna in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte

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Als Gottlieb Daimler 1885 an seinem "Reitwagen" werkelte und die Ära des Automobils begann, war Holz für den Bau des Vehikels das Material der Wahl. Heute dominiert der Stahl. Doch die hölzernen Motorkutschen könnten eine Renaissance erleben - zumindest was ihren Werkstoff anbelangt. Die Branche tüftelt ernsthaft daran, den Stahl um Holz zu ergänzen. Die am Freitag in Hannover beendete Ligna (11. bis 15. Mai), die Weltleitmesse der Holzindustrie, lieferte erste Einblicke.

"Wir demonstrieren zurzeit, was man machen könnte", berichtet Volker Thole, Fachbereichsleiter am WKI, ein auf Holzforschung spezialisiertes Fraunhofer-Institut (WKI) in Braunschweig. Für Holz im Autobau sieht der Experte sogar Chancen im tragenden Bereich, dort also, wo der Konkurrent meist Stahl ist. Der Trumpf des Werkstoffes sei seine Nachhaltigkeit, aber auch das Know-How der Holzindustrie. "Da greift man auf langjährige Produktionserfahrung zurück", sagt er.

Das Thema künftige Werkstoffe ist aktueller denn je. Deutschlands meistverkauftes Auto, der VW Golf, wog in seiner ersten Version etwa 800 Kilogramm. Der heutige Golf VII ist 50 Prozent schwerer. Technik, Sicherheit, Luxus und nicht zuletzt mehr Platz fordern Tribut - und das in Zeiten, wo die Abgaswerte der Flotten gesetzlichem Spardruck unterliegen. Die Zauberformel daher: Weniger Gewicht spart Sprit.

Eine der jüngsten Neuerungen für dieses Ziel steht bei Volkswagen im Werk Wolfsburg, ist groß wie ein Häuschen und presst Stahl für den neuen Golf. Die "Warmumformung" macht Karosserieteile leichter, lässt sie aber crashsicher. Den Rohstoff dazu bieten etwa ArcelorMittal oder ThyssenKrupp. Ausgerechnet Buchenholz könnte die Lieferungen der Stahlriesen schon bald ergänzen. Ein vom Bundesforschungsministerium bis 2015 gefördertes Projekt lotet derzeit die Chancen dafür aus.

Mehrere Firmen, darunter VW, das WKI und die Uni Kassel arbeiten an dem Projekt. Zunächst sollen Autoteile ausgemacht werden, für die Holz infrage kommt - und dann auch gebaut werden. Neben bestehenden Einsatzchancen etwa bei der Verkleidung im Fahrzeuginneren nennt WKI-Fachmann Thole die Schweller oder den Seitenaufprallschutz der Türen als denkbare neue Anwendungsfelder. Die Herausforderung sei es, mit Holzstückchen und Kleber eine Faserstruktur zu schaffen, die den gewohnten steifen Schutz bietet und viel Aufprallenergie schluckt.

Wer die Angst der Autobauer vor Rost kennt, kann sich die Gefahr beim Holz ausmalen: Verrottung. Hochwirksame Imprägnierverfahren gebe es zwar, sagt Thole. Doch die hätten ihre Kosten und das Holz müsse am Ende ja seine Wirtschaftlichkeit beweisen. Fern vom Risiko der Feuchtigkeit könne Holz aber seinen Trumpf Nachhaltigkeit ausspielen. "Es ist schließlich ein nachwachsender Rohstoff", betont Thole.

Wälder mit Buchen, einem besonders geeigneten Holz, gebe es hierzulande zuhauf. Der entscheidende Vorteil: Holz lässt sich zum Ende eines Autolebens gut nutzen. Denkbar wäre neben Recycling auch ein Verheizen - für die Energiebilanz des Autos ein gewichtiges Plus.

Neben der Abgasdiskussion treibt auch die Energiewende das Thema Leichtbau an. Denn auf dem Weg weg vom Öl ist die Schwachstelle der Elektromobilität neben der Kostenfrage derzeit die kurze Reichweite der Batterien. Das leichte Aluminium gilt daher als Hoffnungsträger, aber auch Karbon. VW und BMW etwa sind aus strategischen Gründen bei SGL eingestiegen, einem der weltweit führenden Karbonexperten.

Während Aluminium und Stahl wieder eingeschmolzen werden, sei die Nachnutzung von Karbonfasern heikler, sagt Thole. Statt um Recycling gehe es bei diesem Material eher um Downcycling - Abwertung also.

Die Stahlkonzerne müssten nun aber keine Konkurrenz aus deutschen Buchenwäldern fürchten. "Womöglich kommen wir in dem Projekt auch zu dem Schluss, dass mit Holz vieles nicht geht", meint Thole. Auch der Projektpartner VW warnt vor zu viel Euphorie. Aus der Pressestelle heißt es, die Bewertung der Werkstoffs stehe noch am Anfang, sei aber immerhin so vielversprechend, dass man ernsthaft prüfe. Wegen der hohen Anforderungen etwa bei Steifigkeit und Feuchtigkeitsresistenz erscheine ein umfangreicher Holzeinsatz derzeit noch unrealistisch.

"Allerdings kann Holz als Rohstoff für Vormaterial in verschiedene Anwendungen Eingang finden", teilt VW mit und verweist noch auf eine andere Chance, die im Holz steckt: Sein Bestandteil Lignin lässt sich ausgerechnet bei der Fertigung der Karbonfaser nutzen - und zwar als energiesparende Alternative für den bisherigen Ausgangsrohstoff Öl.

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