Bauexperte: Hälfte aller deutschen Brücken ist marode

Nürnberg · Jetzt rächen sich Fehler und Irrtümer der Vergangenheit: Fast 50 Prozent aller Betonbrücken in Deutschland hält ein TÜV-Fachmann für marode. Falsch geplant, schlecht gebaut, wenig repariert. Irgendwann führt dann am Neubau kein Weg vorbei.

 Rost oder bröckelnder Beton: Viele Brücken aus den vergangenen Jahrzehnten seien nicht für den heutigen starken Verkehr ausgelegt, sagt der Bauexperte Günther Jost. Foto: Georg Wendt

Rost oder bröckelnder Beton: Viele Brücken aus den vergangenen Jahrzehnten seien nicht für den heutigen starken Verkehr ausgelegt, sagt der Bauexperte Günther Jost. Foto: Georg Wendt

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Bröckelnder Beton und rostender Stahl: Fast die Hälfte aller deutschen Brücken ist nach Expertenansicht heute marode - ein Teil müsse neu gebaut werden. Die Bauwerke aus den 60er und 70er Jahren seien einfach nicht für den heutigen starken Verkehr gebaut worden, sagt Günther Jost in Nürnberg. Der Bauingenieur des TÜV Rheinland schätzt, dass in 2000 Jahren nur noch wenige der heutigen Bauten stehen werden - wie auch von den Römerbrücken.

In Deutschland sind immer mehr Brücken marode. Konnten die Menschen in den vergangenen Jahrzehnten nicht richtig Brücken bauen - oder woran liegt das?

Jost: Das liegt an zwei Faktoren. Einmal wurde damals eine Bautechnik verwendet, wo man noch gar nicht gewusst hat, dass sie eigentlich schlecht ist. Man hat mit sehr geringen Betonbedeckungen gearbeitet - was ästhetisch schön war. Man konnte damals aber nicht abschätzen, dass der Beton dadurch so durchlässig wird, dass der Stahl im Betonquerschnitt zu rosten beginnt. Später hat man da nachgebessert.

Und der zweite Grund?

Jost: Wir haben in den letzten Jahren einen wesentlich höheren Verkehr. Hochrechnungen von damals lagen bei weitem daneben. Vor allem durch die Öffnung in Europa, des Ostblocks, ist der Verkehr exponentiell gestiegen. Dadurch werden die Brücken höher belastet als man gedacht hat. Und man bekommt dementsprechend größere Schäden, die man in den vergangenen Jahren immer nur notdürftig repariert hat. Damit schiebt man einen großen Berg an Brückenschäden vor sich her, der immer größer wird. Nach einer gewissen Zeit ist es dann nicht mehr mit Sanierung getan, sondern man muss sie ersetzen.

Was schätzen Sie, wie viele Brücke in Deutschland marode sind?

Jost: Ich würde sagen, knapp an die 50 Prozent werden es sicher sein. Neu gebaut werden muss aber nur ein Teil davon.

Es gibt in Deutschland ja heute noch einige Römerbrücken, wie in Trier. Wieso haben es die Römer geschafft, Bauwerke zu bauen, die 2000 Jahre lange überleben?

Jost: Die Römer haben sicher auch viel mehr Brücken gebaut als heute noch stehen. Das heißt, alle, die zusammengefallen sind, die sieht man nicht mehr. Es sind nur die Spitzenbauwerke, die hier noch stehen. Und die wurden ja auch in den letzten Jahren immer schön erhalten und saniert.

Von unseren Brücken heute - wie viele werden Ihrer Einschätzung nach in 2000 Jahren noch stehen?

Jost: Vielleicht noch ein, zwei, drei, vier - die schön sind und erhalten werden. Mehr als bei den Römern werden es auch nicht sein, was dann wieder für die Römer spricht, denn sie hatten sicher nicht so viele Brücken wie wir.

Zur PersonGünther Jost (54) ist Bauingenieur bei der TÜV Rheinland LGA Bautechnik GmbH. Er ist Brückenexperte und war viele Jahre "Fachgebietsleiter Ingenieurbauwerke" beim TÜV Rheinland. Jetzt ist er in Nürnberg in der Zertifizierungsstelle für Bauprodukte tätig.

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