US-Botschafter Philip Murphy Immer auf Sendung

BERLIN · Der US-Botschafter in Deutschland war die ganze Nacht über wach und permanent auf Sendung. In etlichen Interviews im deutschen Fernsehen gab er seine Einschätzung der Lage und verhehlte dabei nicht: "Mein Herz ist für Obama, keine Frage."

Das Ergebnis hatte nur den Wert eines Experiments, doch Philip D. Murphy konnte, wenn er wollte, es als gutes Omen nehmen. Einen Tag vor der US-Wahl stand der US-Botschafter in Deutschland Pate, als Schüler aus zehn Bundesländern oder insgesamt 116 Englisch-Kursen in Berlin schon einmal ihr Stimmungsbild des kommenden Wahltages in den Vereinigten Staaten abgaben.

Das Ergebnis der Schüler, die jeweils einen US-Bundesstaat zugelost bekommen hatten, lag nahe an der Wirklichkeit: 303 Wahlmänner für Amtsinhaber Barack Obama, 235 für Herausforderer Mitt Romney.

Murphy, der sich den begehrten Botschafter-Posten in Berlin unter anderem in seiner Zeit als Schatzmeister der Demokraten und somit als oberster Spendeneintreiber für Obamas Wahlkampagne 2008 verdiente, war mit dem Schülervotum zufrieden. Gut 24 Stunden später machte der ehemalige Investmentbanker dienstlich die Nacht zum Tag.

Der US-Botschafter in Deutschland war die ganze Nacht über wach und permanent auf Sendung. In etlichen Interviews im deutschen Fernsehen gab er seine Einschätzung der Lage und verhehlte dabei nicht: "Mein Herz ist für Obama, keine Frage."

Doch musste Murphy dabei auch berücksichtigen, dass er als US-Botschafter nicht nur die Auslands-Demokraten ("Democrats Abroad"), sondern auch die andere Hälfte des US-Wahlvolks, die Anhänger der Republikaner, vertreten muss.

So lobte er frühmorgens im Deutschlandfunk nach der kurzen Auszeit einer Dusche die Gratulationsrede von Herausforderer Romney. "Ausgezeichnet, ganz klasse" sei es gewesen, wie Romney Wahlsieger Obama und dessen Familie beglückwünscht habe. Beide Männer hätten einen "sehr starken Wahlkampf" absolviert, "sehr transparent".

Aber dann war Murphy auch wieder ganz Demokrat. "Ich bin sehr stolz. Absolut", bekannte der hoch gewachsene Mann aus New Jersey. Und dies alles - für einige seiner Vorgänger als US-Botschafter keinesfalls selbstverständlich - auf Deutsch.

Ebenfalls für einen US-Amerikaner nicht selbstverständlich ist Murphys Interesse für Fußball, nicht American Football, sondern die europäische Version, die die Amerikaner "Soccer" nennen. Der frühere Goldman Sachs-Manager Murphy, seit September 2009 auf Posten in Berlin, profitiert dabei auch vom Interesse seiner vier Kinder für Fußball "Made in Germany".

Die Tabelle der Bundesliga jedenfalls kennt der einstige Investmentbanker so gut wie Börsenkurse. Ins Berliner Olympiastadion, wo zurzeit ja nur Zweitliga-Fußball geboten wird, geht er häufig.

Murphy hat in seiner Amtszeit ein neues Verständnis der Arbeit eines US-Botschafters gezeigt. Der Harvard-Absolvent schätzt große Diskussionsrunden, sucht gerade den Kontakt zu Jugendlichen und Studenten und betonte nach zwei Amtszeiten von George W. Bush bewusst Gespräche auf Augenhöhe mit seinen deutschen Gastgebern.

Er hätte Interesse daran, dass Obama noch einmal nach Berlin kommt. "Ich weiß, er will zurückkehren", sagt sein erster Mann in Berlin. Und der sollte es wissen.

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