Topmodel-Trainer Jorge González auf dem Laufsteg seines Lebens

München · "Hola Chicas!" Wenn die Mädels bei "Germany's Next Topmodel" das hörten, war das Gekreische groß: Catwalk-Trainer Jorge González erschien auf seinen High Heels. Gerade läuft Heidi Klums TV-Show wieder, aber ohne González. Der hat derweil ein Buch geschrieben.

 Der Catwalk-Trainer Jorge Gonzalez.

Der Catwalk-Trainer Jorge Gonzalez.

Foto: dpa

Um seinen perfekten Gang auf schwindelerregend hohen High Heels hat ihn schon manche Topmodel-Kandidatin beneidet: Was bei Jorge González federleicht aussieht, ließ die Bewerberinnen in Heidi Klums Fernsehsendung "Germany's Next Topmodel" mitunter verzweifeln. Von 2009 bis 2012 trat der seit langem in Hamburg lebende Kubaner in der Show auf.

Gerade läuft die achte Staffel auf ProSieben, allerdings ohne den Mann mit den langen Haaren und dem gekonnten Hüftschwung auf 18 Zentimeter hohen Absätzen. Dafür ist ein Buch des 45-Jährigen erschienen, in dem er vieles aus seinem Leben erzählt - und nur ganz wenig über "GNTM".

"Hola Chicas! Auf dem Laufsteg meines Lebens" gibt Einblicke in die Lebensgeschichte eines Mannes, der schon als Kind in Kuba von der großen Freiheit in Europa träumte und diese später vor allem in seiner Wahl-Heimat Hamburg fand. Der als Schüler im Fidel-Castro-Staat alles daran setzte, einen Auslandsstudienplatz zu ergattern, um einem schwulenfeindlichen Klima zu entfliehen.

Der sich für das Studium der Nuklear-Ökologie entschied, weil er nach Bratislava, vor allem aber nach Prag wollte. Der "Nuklear-Ökologe auf Stöckelschuhen", wie ihn die "WAZ" nannte, der "fleischgewordene Stöckelschuh" ("FAZ").

Schon in der Vorschule spürte Jorge, dass er anders war. "Du merkst, dass dir Jungs gefallen, aber die Bedeutung des Wortes Homosexualität ist dir nicht klar", schreibt González. Zu jener Zeit träumte er von einem Platz in der Ballettkompanie von Alicia Alonso in Havanna und posierte auf den Stöckelschuhen seiner Großmutter vorm Spiegel.

"Männer tun so was nicht", wies ihn der Vater zurecht, als er seinen Sohn dabei ertappte. Von da an habe er sein zweites Ich versteckt. "Damals begann mein Doppelleben", erinnert sich González. Trotz der Liebe seiner Familie habe er sich tief im Inneren wie ein Außenseiter gefühlt.

"In Kuba herrschte damals der Machismo, der totale Männlichkeitswahn. Jeder Mann war ein Macho, auch mein Vater", schreibt González. Im Kuba seiner Kindheit und Jugend sei ein homosexueller Sohn das Schlimmste gewesen, was einem Vater passieren konnte. "Homosexualität wurde nicht geduldet, jeder Schwule generell diskriminiert.

Die Gesellschaft sah Schwulsein als eine Krankheit an, die man bekämpfen musste." Einerseits sei er ein geliebtes und glückliches Kind gewesen, andererseits habe ihm das Gefühl, anders zu sein, die Luft zum Atmen abgeschnürt. Sein Vater verwehrte ihm den Ballettunterricht - Jorge fing an, sich "Plan B" zu überlegen.

So sah der Plan aus: einer der besten Schüler werden, um im sozialistischen Kuba vor dem Fall des "Eisernen Vorhangs" in Europa ein Stipendium für Osteuropa zu erhalten. "Ich wollte nach Europa - für mich ein Synonym für Paradies und Freiheit", erinnert er sich.

Und so setzte er den Plan um: González wurde einer der besten Schüler, bewarb sich für ein Nuklear-Ökologie-Studium in Bratislava - wobei ihm der Ort wichtiger war als das Studienfach - und setzte sich unter mehr als 800 Bewerbern um die vier Plätze durch. 1985 brach er in die damalige Tschechoslowakei auf.

González, der heute ein eigenes Modelabel hat, beschreibt in dem Buch seine Studienzeit, erzählt vom ersten festen Freund, den Anfängen als Model, Catwalktrainer und Choreograph für Fashionshows und Fotoshootings von Designern.

Nach einem Werbespot für Coca Cola, für den er heimlich vor der Kamera stand, sollte der Student zurück in die Karibik: "Ich war jetzt ein Abtrünniger der Revolution, denn ich hatte gearbeitet, was den kubanischen Studenten verboten war, und dann auch noch für den kapitalistischen Feind, für die "rote Dose"", berichtet er. Doch González tauchte ab und beendete, nachdem er sich wieder frei bewegen konnte, 1991 sein Studium.

1994 verliebte er sich in seine künftige Heimat Hamburg. González beschreibt, wie er ohne Kontakt zur Familie leben musste, wie er 1997 erstmals ein Visum für Kuba bekam (seit 1989 hatte er seine Eltern nicht mehr gesehen) und wie er dort nun als Tourist galt. Über "GNTM" erfährt der Leser - bis auf den Auftritt, bei dem ausgerechnet der Model-Trainer fiel - nichts.

Natürlich erklärt González den "Chicas-Walk", vor allem aber ist es ein persönliches Buch darüber, wie er sich durchbeißen musste. "Es ging mir darum, akzeptiert und respektiert zu werden, egal wie ich lebe", schreibt er. In Deutschland fand er sein selbstbestimmtes Leben: "Ich kann auf die Straße gehen, ohne mein Ich verstecken zu müssen."

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