Ein Volksfest in Oranje Máxima ist der eigentliche Star der neuen Monarchie

Amsterdam · Es ist nur eine kleine, fast unscheinbare Geste. Gerade hat Ex-Königin Beatrix I. die Abdankungsurkunde unterschrieben und ihren Sohn Willem-Alexander zum neuen Monarchen der Niederlande gemacht, da kann die stets so korrekte und distanziert wirkende 75-jährige Frau ihre Tränen nicht zurückhalten.

 Tausende feiern mit aufblasbaren orangefarbenen Kronen in Amsterdam.

Tausende feiern mit aufblasbaren orangefarbenen Kronen in Amsterdam.

Foto: dpa

Sie ist zutiefst gerührt, als ihr 25 000 Menschen zujubeln, ein einziges wogendes Meer aus Oranje-Schals und Hüten, das "Danke Bea" sagen will. In diesem Augenblick tiefer innerer Bewegung tritt Schwiegertochter Máxima einen kleinen Schritt näher an sie heran, nimmt die Hand ihrer Schiegermutter und drückt sie tröstend. "Ist sie nicht wunderbar", ruft jemand aus der Menge, dem Máximas Griff nicht entgangen ist, und erneut brandet Beifall auf.

Die Niederlande haben den Schritt "von B nach A" (von Beatrix zu Willem-Alexander) gemacht, wie es auf vielen Transparenten heißt. Aber der eigentliche Star der neuen Monarchie ist die, die eigentlich gar nichts zu sagen hat: Máxima. "Danke Beatrix" heißt es auf der einen Seite der in die Hunderttausende gehenden Fähnchen, die an diesem Tag in Amsterdam verteilt werden. "Hallo Willem-Alexander" auf der anderen. Doch die Transparente an den Booten auf den Grachten, an den Pommes-Buden und in den Bistros gehören ihr: "We love Máxima" (Wir lieben Máxima) - sie ist der Star dieses Königshauses.

Und nicht nur dort. Schon am Vorabend der Krönungsfeierlichkeiten zog die 41-jährige Argentinierin in einem schulterfreien, roten Kleid alle Blicke auf sich. Ihre Unterschrift unter die Ernennungsurkunde leistet sie in einer beigefarbenen Komposition des Belgiers Edouard Vermeulen aus dem Hause Natan. Als sie in einer tiefblauen Robe des Amsterdamer Modeschöpfers Jan Taminiau zur Huldigung die "Nieuwe Kerk" (neue Kirche) betritt, jubeln die Menschen auf den Straßen, die die Zeremonie auf Bildschirmen verfolgen.

Wir sind stolz, wir sind einfach nur stolz", sagt die Studentin Maria, die aus Den Haag angereist ist. Und es klingt, als habe sie soeben etwas wiedergefunden, was vielen Niederländern lange verloren gegangen war: Diese neue Monarchie ist nicht mehr nur ein Gegenstand zum Abschaffen, dieses Königshaus darf man mögen, vielleicht sogar lieben.

Es ist sieben Minuten nach zehn Uhr an diesem Dienstag, dem 30. April 2013, als das mehrstündige Ritual beginnt: Mit ihrer Unterschrift bestätigt Beatrix ihre Abdankung samt Rückversetzung in den Stand einer Prinzessin. Gleichzeitig wird ihr Sohn Willem-Alexander, der vor drei Tagen seinen 46. Geburtstag feierte, zum neuen König bestellt. "Ich nehme das Amt mit Dankbarkeit an", sagt er am Nachmittag, nachdem er den Eid auf die Verfassung geleistet hat und die gewählten Volksvertreter ihm gehuldigt haben. Ganz nebenbei macht er damit auch seine Frau und Prinzessin Máxima zur Königin, die zwar protokollarisch ohne Bedeutung bleibt, aber gerade deshalb umso wichtiger werden dürfte.

Derweil versinkt Amsterdam in einem Meer aus Oranje. Hütchen, Kronen, Regencapes, Getränke - an diesem Tag kennt das Land nur eine Farbe. Und man gefällt sich darin. "Oranje sind wir" heißt es auf einem handgemalten Schild an einer Hauswand. Ein endloser Flohmarkt zieht sich durch die Straßen. Auf den Grachten reißt die Bootsparade nicht ab. Und während in unmittelbarer Nähe des Schlosses die königliche Hofkapelle schweigend wieder einrückt, tönen aus den Nebenstraßen bereits die wummernden Bässe von einer vielen Bühnen. Wenn es die Krönung nicht gäbe, würde man sich wie auf einer niederländischen Variante der Love Parade mit einem Schuss Kölner Karneval fühlen.

"Der Eindruck täuscht", sagt Piet, der für eine niederländische Tageszeitung arbeitet. "Oranje - das sind wir. Und wir sind stolz, dazu zu gehören und das zeigen zu können." Für wenigstens einen Tag kann das Land seine aktuellen Probleme vergessen - die Immobilienblase, die Verstaatlichung von Banken, die grassierende Arbeitslosigkeit und die Probleme mit einem Gesundheitssystem, das immer unbezahlbarer wird. Der blaublütige Machtwechsel hilft.

Mehr noch: Die Krone hat mit der neuen Besetzung offenbar auch das Potenzial, ihre "Landeskinder" wieder zu einen und stolz zu machen. Das beginnt schon an diesem Tag. Immer wieder betonen die niederländischen Kommentatoren, dass Beatrix es anderen Königshäusern gezeigt habe, wie man einen Machtwechsel vollzieht. Und Willem-Alexander sowie seine Frau Máxima würden beweisen, wie kraftvoll und kreativ die neue Generation sein könne, wenn es darum gehe, der Monarchie einen neuen Platz in einer demokratischen Gesellschaft zu schaffen. Ein wenig davon glaubt man als Beobachter an diesem Tag feststellen zu können: In der "Neuen Kirche" sitzen Europas Königskinder, darunter etliche, die schon weitaus länger darauf warten, dass Vater König oder Mutter Königin abdanken. Aus London sind Prinz Charles und Camilla gekommen. Spanien wird durch Kronprinz Felipe samt Ehefrau Laeticia vertreten, Belgien durch Kronprinz Philipp mit Gattin Mathilde, Schweden durch Kronprinzessin Victoria mit Ehemann Daniel. Monacos Fürst Albert taucht allein auf, weil Gattin Charlene Wittstock im heimatlichen Südafrika weilt. Insgesamt sind 18 europäische Monarchenhäuser vertreten, dazu politische Prominenz aus aller Welt. Und weil natürlich jeder auch ein bisschen auffallen will, wird der Tag zum Schaulaufen ausgefallener Hüte - nicht nur in Oranje.

Erst am Abend gehört das neue Königspaar dann für einen Moment ganz seinen Untertanen. In prunkvollen Gefährten begibt man sich auf eine Rundfahrt über das Ij-Meer vor Amsterdam. Wer in diesem orange-farbenen Volksfest als Gegner der Monarchie auffallen will, muss sich anstrengen. Dem 51-jährigen Norbert van den Heuvel aus Uden gelingt dies, indem er einen lebendigen Hahn mit durch Amsterdam schleppt, weil der das Symbol überkommener Macht sei. "Die Deutschen haben es besser", lautet seine These. "Die haben Merkel, die ist zwar nicht schöner aber schlau." Was nicht daran ändert, dass für Anti-Royalisten in Holland schwere Zeiten anbrechen.

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