Thronwechsel in den Niederlanden König mit rebellischen Untertanen

AMSTERDAM · Jan hat mit dem neuen König schon abgeschlossen, noch bevor er überhaupt im Amt ist. "Ich mag ihn, aber ich brauche ihn nicht", sagt der 34-jährige Inhaber eines kleinen Cafés in der Nähe des Amsterdamer Hauptbahnhofes. "Eine Monarchie passt nicht zu einer Demokratie, auch wenn sie sich viel Mühe geben."

Und auch Monique (45), die von den niederländischen Antillen in die Grachtenstadt gekommen ist und nun als Journalistin für eine große Tageszeitung arbeitet, offenbart eher zwiespältige Gefühle: "Es ist Unsinn, darüber zu philosophieren, ob unsere Königin oder ihre Nachfolger geliebt wurden oder werden. Darum geht es nicht. Die Menschen wollen, dass jemand ein Land führt, weil er dazu fähig ist und nicht, weil er dazu geboren wurde." Der "Königinnentag" am 30. April sei "natürlich willkommen, weil man da feiern kann und arbeitsfrei hat". Mit Nähe zur Monarchie "hat das wenig zu tun".

Die Niederlande am Vorabend der Krönung, zerrissen zwischen Bewunderung für die scheidende Beatrix und den Zweifeln, ob man wirklich einen (neuen) König braucht. Als die amtierende Monarchin Ende Januar ihre Abdankung ankündigte, fand das Meinungsforschungsinstitut Ipsos Synovate heraus, dass 88 Prozent der Niederländer ihre Amtszeit seit 1980 mit der Note 8 ("gut") bewerteten.

Attribute, die mit Beatrix verbunden werden, sind "engagiert" (80 Prozent), "einfühlsam" (72 Prozent), "menschlich" (63 Prozent) sowie "förmlich" (62 Prozent). Kein schlechtes Abschlusszeugnis. Doch schon schickt sich das künftige Königspaar an, die "Königinmutter" zu überholen. Am Tag nach dem Fernseh-Interview in der vergangenen Woche landete sogar Willem-Alexander bei rund 90 Prozent Zustimmung. Seine Frau Maxima erzielt noch bessere Werte. Es gibt keinen Niederländer, der ihr nicht hoch anrechnet, sich vor einiger Zeit für wohltätige Zwecke in die schmutzigen Grachten gestürzt und zwei Kilometer in 50 Minuten geschwommen zu sein. "Maxima ist das Aushängeschild des Königshauses", sagt der 25-jährige Psychologiestudent Frederick, der die Universität in Leiden besucht. "Weil es sie gibt, verzeiht man dem Königshaus viel."

Tatsächlich reiben sich die Landeskinder an ihrer blaublütigen Regentschaft ständig. Dafür wird jede Kleinigkeit genutzt. Dass die Königin an jedem dritten Dienstag im September in einer goldenen Kutsche durch Den Haag rollt, um die Thronrede zu verlesen, die der Ministerpräsident aufgeschrieben hat, wird inzwischen weithin akzeptiert. Vor zwei Jahren brach aber ein heftiger Streit über eines der Bilder aus, das auf dem Gefährt zu sehen ist. Es sind farbige Menschen, die "kniend ganz wild darauf sind, den Holländern ihre Besitztümer zu überreichen", wie es Falk formuliert.

"In Wirklichkeit handelt es sich um Sklaven, die brutal erobert wurden". Das Thema schaffte es dank der Grünen bis ins Parlament. Ein anderes Mal kreidet man dem Thronfolger an, dass sich sein Hofhund, ein schwarzer Labrador, bei der Entenjagd übernommen hatte und in ärztliche Behandlung gebracht werden musste. "Während seine Frau für gute Ziele durch die Grachten schwimmt, knallt der künftige König Enten ab." Auch das sorgte für Ärger. Ebenso wie die aufwendige Renovierung der königlichen Wartezimmer in den Bahnhöfen Amsterdam Centraal, Den Haag und Baarn für über drei Millionen Euro. Allein für die Reinigung werden pro Jahr weitere 35.000 Euro fällig. Kosten, die unnötig seien. Schließlich habe Beatrix die Rückzugsmöglichkeiten in zehn Jahren nur einmal genutzt. "Dass der künftige König sparen will, habe ich mit großem Vergnügen gehört", sagt die Journalistin Monique. "Ich hätte eine ganze Liste von Vorschlägen."

Auch wenn sich in diesen Tagen unsere Nachbarn in Oranje hüllen und Amsterdam bis zu einer Million Besucher erwartet, die Abdankung und Inthronisierung verfolgen werden, mit Zustimmung zur Monarchie hat das offenbar nur begrenzt zu tun. "Das Eine sind die Menschen, die durchaus geachtet und beliebt sind", sagen Politikwissenschaftler. "Das andere ist die Institution Monarchie, gegen deren Abschaffung und politische Bedeutungslosigkeit nur wenige etwas haben." Dabei verhehlt niemand die großen Momente in der Beatrix-Ära.

Beispielsweise im Mai 2002, als der rechtspopulistische Politiker Pim Fortuyn auf offener Straße erschossen wurde. Da war sie der ruhende Pol. Und als sich die Gegensätze in der Gesellschaft weiter verschärften, Islamhasser gar zu einer politischen Kraft wurden, da plädierte die Oranierin für einen respektvollen Umgang miteinander. Der Umstand, dass Beatrix mehrfach von Geert Wilders, dem Rechtsaußen der niederländischen Politik, als Repräsentantin des multikulturellen Gedankenguts attackiert wurde, hat ihre gesellschaftliche Stellung nur noch betont. Es gibt kaum einen Gesprächspartner, der die Königin nicht als Bewahrerin eben jener Liberalität lobt, die das Land einst auszeichnete, aber in den letzten Jahren unter die Räder gekommen ist. Wenn das neue Königspaar es schaffen sollte, diese Aufgabe fortzuführen, dann könnten sie "tatsächlich nützlich" sein, hört man nicht nur von elitären politischen Vertretern des Staates.

Am 30. April werde es, so heißt es immer wieder, jedenfalls ein "Volksfest mit 17 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern" geben. Zum einen, weil das immer so ist. Zum anderen, weil man sich dann doch irgendwie auf das neue Traumpaar freut. Und weil die Niederländer diesen Tag schon seit Jahrzehnten mit den verrücktesten Spielen wie Kloschüssel-Weitwerfen begehen, gibt es auch im Vorfeld längst kuriose Vorschläge, damit die Nähe zu Oranje sogar im Glas deutlich wird: Man nehme Orange bitter, Prosecco, Mineralwasser, Eis und eine Orange und mixe das Ganze - heißt ein Rezept auf dem Blog einer niederländischen Tageszeitung. In diesem Jahr werden unsere Nachbarn das gehobene Glas allerdings mit einer vielsagenden Geste anreichern: die drei Mittelfinger der rechten Hand sollen in die Höhe gereckt werden, heißt es. So bilden sie ein "W". Zu Ehren von Willem-Alexander.

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