NRW-Wahl Piraten mischen die NRW-Parteienlandschaft auf

ESSEN · Wer an den Wahlkampf der Piraten die Maßstäbe der etablierten Parteien anlegt, wird schnell Schiffbruch erleiden. CDU, SPD, Grüne, FDP und auch die Linken mieten Hallen und Plätze an, um ihre Bühnen aufzubauen. Sie präsentieren dort den Bürgern ihre Spitzenkandidaten und örtlichen Bewerber, auch um damit in der Lokalpresse und im regionalen Hörfunk aufzutauchen.

 Ein Bild für den Wahlkampf: Piraten-Spitzenkandidat Joachim Paul bei einer Aktion zur Einführung der Vermögensteuer.

Ein Bild für den Wahlkampf: Piraten-Spitzenkandidat Joachim Paul bei einer Aktion zur Einführung der Vermögensteuer.

Foto: ap

Während die Altparteien also den Fokus auf möglichst große öffentliche Aufmerksamkeit lenken, spielt sich der Kampf um Stimmen bei den Piraten im kleineren Rahmen ab. Stammtische und Infostände sind meist das höchste der Gefühle.

Ortstermin am Grendplatz im Essener Stadtteil Steele: Hier stehen rund um die Mariensäule aus dem Jahre 1889 Häuser aus so ziemlich jeder Bauepoche der vorigen Jahrzehnte. In einem der hässlichsten, einem langgestreckten 70er-Jahre-Bau, haben die Piraten ihr Hauptquartier eingerichtet. Ganz oben unter dem Dach.

Acht Bildschirm-Arbeitsplätze stehen dort, alle sind besetzt. Lukas Lamla hat von seinem das ganze Büro im Blick. Der 28-Jährige ist als Wahlkampfkoordinator quasi der Kopf der Kampagne. Zudem steht er auf Platz zwei der Liste, hat also sein Mandat schon sicher, wenn die Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringt. Bei ihm laufen die Fäden zusammen. Das war auch am 14. März schon so, dem Tag, als sich der Landtag überraschend auflöste.

"Als fest stand, dass es eine Neuwahl geben würde, haben wir uns im Mumble, einer virtuellen Sprachkonferenz, getroffen", berichtet Lamla. Zuerst seien es 20 Piraten gewesen, wenige Minuten später 50, dann 100 und bald 150. "Dann wurde der Wahlkampf geplant, ein Pad erstellt, also ein Dokument, an dem jeder mitschreiben konnte, was ihm wichtig ist." Schon am Nachmittag sei dadurch eine To-Do-Liste aufgestellt und festgelegt worden, wer welche Aufgabe hatte, sagt Lamla. "Das hat dem Wahlkampf von Anfang an einen großen Schwung gegeben."

Auf dieser Woge schwimmen die Piraten immer noch, sagt Pressesprecher Achim Müller. An den Infoständen, den Stammtischen und über die sozialen Netzwerke wie Twitter und Facebook gebe es einen unglaublichen Zulauf. Sieht man einmal vom Sonntag ab, wo die Partei vor dem Tierpark in Bochum einen großen Auftritt geplant hatte, wegen des kalten Wetters aber kaum Menschen gekommen waren.

Müller spricht von "einem extrem anstrengenden Wahlkampf". Denn die Piraten hätten alles selbst gemacht, Flyer und Plakate entwickelt, hergestellt und dann aufgehängt. "Lieber ein alberner Name als eine lächerliche Politik" steht etwa auf einer der Werbetafeln. "Für dieses System ist ein Update verfügbar", auf einer anderen. Örtliche Kandidaten sind nicht abgebildet, auch nicht Spitzenkandidat Joachim Paul.

Vom Äußeren kommt der 54-jährige Medienpädagoge mit Vollbart und grauem Haar daher wie eine Vater- oder sogar Großvaterfigur. Das nutzt er des Öfteren, um die Piraten auf Kurs zu bringen. Aber auch inhaltlich genießt er als Mitglied im Arbeitskreis Bildung einen guten Ruf. Beim Landesparteitag im April sprach er dann, wenn wichtige Anträge zu scheitern drohten. Er erklärte, warum genau dieser Antrag angenommen werden müsse. Die versammelten Piraten applaudierten ihrem Spitzenkandidaten und folgten seinem Kurs. Ob sie das im Landtag auch tun werden oder sie sich erst bei den Parteifreunden über das Netz rückversichern, das wird eine der spannenden Fragen sein.

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