Nach der NRW-Wahl Michael Groschek: "Sie sehen uns gut gelaunt"

DÜSSELDORF · Michael Groschek und Norbert Römer waren schon Genossen, als manch einer der neuen SPD-Abgeordneten noch gar nicht auf der Welt war. Daniela Jansen zum Beispiel. Die 34-Jährige gewann bei der Landtagswahl im Wahlkreis Aachen II überraschend gegen das CDU-Schwergewicht Armin Laschet - und ist nun eine von 99 SPD-Direktkandidaten, die ihre Wahlkreise gewannen.

 Wahlnachlese in Düsseldorf am Tag danach: die Piraten Michele Marsching, Bernd Schlömer und Joachim Paul.

Wahlnachlese in Düsseldorf am Tag danach: die Piraten Michele Marsching, Bernd Schlömer und Joachim Paul.

Foto: dpa

Nur 29 CDU-Bewerber gingen als Sieger durchs Ziel. Andere Funktionsträger großer Parteien hätten am Tag nach einem solchen Triumph sicherlich jubiliert und mit markigen Worten deutlich gemacht, wie sehr sie sich freuen. Doch Groschek, Generalsekretär der Landes-SPD (Eintrittsjahr 1974), und Landtagsfraktionschef Römer (SPD-Mitglied seit 1968) lieferten nichts von alledem.

"Sie sehen uns gut gelaunt, denn die SPD ist wieder die klare Nummer Eins in Nordrhein-Westfalen", meinte Groschek und lachte dazu. Das war dann aber auch schon der emotionalste Ausbruch des erfahrenen Genossen-Duos bei der Pressekonferenz am Montagmorgen. Dann schickte Groschek ein Lob an die Fraktion, der es zu verdanken sei, dass die Regierungsarbeit in den vergangenen zwei Jahren so gut funktioniert hätte. Römer fügte hinzu, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als "sympathische, kompetente, zupackende und verlässliche Frau" von den Bürgern sehr geschätzt werde. Jetzt gehe es an die Arbeit.

Ob der bisherige Fraktionschef allerdings seine Position behält, ist noch unklar. Denn in seinem Wahlkreis Soest I erzielte er zwar die meisten Zweitstimmen, blieb bei den für das Direktmandat entscheidenden Erststimmen aber an Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg (CDU) hängen. Da half Römer auch Platz zwei auf der Landesliste nichts. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass die SPD "personelle Spielräume nutzen" könne, denn seinen Platz sehe er in der Fraktion. Was das heißt, dazu wollte Römer noch nichts sagen. Aber ein SPD-Abgeordneter muss wohl mit einer anderen attraktiven Aufgabe versorgt werden.

Für Groschek hingegen steht fest, dass er sein Amt, das er eigentlich schon in diesem Frühjahr abgeben wollte, beim nächsten ordentlichen Parteitag vermutlich im Herbst niederlegen wird. Zuvor wird er sicherlich noch Mitglied der SPD-Verhandlungskommission sein, die den Koalitionsvertrag mit den Grünen ausarbeitet. "Gründlich, aber zügig", sollen die Gespräche vonstatten gehen, meinte Groschek. Das Ziel der SPD sei, dass der Haushalt 2012 noch vor der Sommerpause in den Landtag eingebracht werden könne.

Beginnen werden die Koalitionsgespräche allerdings erst in der kommenden Woche, kündigte Landesparteichefin Kraft am Abend an. Über Inhalte wollte die SPD am Montag aber noch nichts sagen.

Da gaben sich die Grünen doch sehr viel offener. "Wir wollen an unseren drei Ministerien festhalten", sagte Parteichefin Monika Düker. Über Staatssekretärs-Posten wolle sie an diesem Morgen aber nicht reden, fügte sie hinzu. Eine Einsicht in die geänderten Kräfteverhältnisse in der Koalition? Schließlich verzeichnete die SPD ein Plus von 4,6 Prozentpunkten, während die Grünen 0,8 Punkte verloren.

Ergo: Es scheint unklar, ob der Lohmarer Horst Becker wieder Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium wird. Viel lieber redeten die Grünen über Inhalte. Die Gestaltung der Energiewende werde das Topthema, dazu wolle man schon bald das Klimaschutzgesetz in den Landtag bringen. Über die geplanten Kohlekraftwerke hinaus sähen die Grünen keinen Bedarf. Und finanzielle Spielräume für weitere beitragsfreie Kita-Jahre gebe es auch nicht - das letzte ist ja inzwischen beitragsfrei.

Und Dükers Ko-Vorsitzender Sven Lehmann setzte noch einen drauf: "Wir haben die Chance für Verfassungsänderungen ohne die CDU" - und solche Möglichkeiten müsse man nutzen. Nicht in der Schulpolitik, da wolle man nicht an den Schulkonsens ran. Er denke aber etwa an die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. "Wenn sich die FDP einen Schub gibt", dann sei das auch möglich.

Die Piraten würden laut Spitzenkandidat Joachim Paul dabei mitmachen. Er trat am Montagmittag gemeinsam mit seinem Landesvorsitzenden Michele Marsching und dem Bundesparteichef Bernd Schlömer im Landtag vor die Presse - während alle anderen Spitzenkandidaten traditionell nach Berlin gefahren waren. Schlömer wollte das als Zeichen der Anerkennung für seine Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen verstanden wissen. "Die Leute haben hier die harte Arbeit gemacht. Dafür wollten wir uns auch hier persönlich bedanken", sagte er.

Und wie bereiten sich die 20 Piraten auf den Alltag vor? Paul, der ankündigte, Fraktionschef werden zu wollen, bedankte sich erst einmal bei der Landtagsverwaltung für die schnelle Bereitstellung von Räumen und IT-Möglichkeiten. Dann kündigte er an, dass die Fraktion Mitarbeiterstellen ausschreiben werde, für die sich auch Nicht-Piraten bewerben könnten. Fraktionssitzungen würden nach Möglichkeit öffentlich sein. Bei Richtungsentscheidungen werde die Basis einbezogen, aber nicht bei jedem Antrag. "Wir müssen eine gelebte Interaktion zwischen Parteibasis und Fraktion hinbekommen", so Paul.

Nicht immer wird das aber so einfach sein wie bei der Überlegung, ob man das Amt eines Landtagsvizepräsidenten anstrebt. Folgender Dialog entspann sich nach der entsprechenden Frage des GA an Landeschef Marsching. Rückfrage an Paul: "Wollen wir einen Landtagsvize?" Paul überlegt, sagt dann: "Natürlich, den haben doch alle Fraktionen." Marsching zum GA: "Dann Ja." Piraten-Fotograf Tobias M. Eckrich schaltet sich ein: "Und die Basis ist auch dafür." Der GA staunt über diese schnelle Entscheidung. Eckrich: "Ich bin jetzt gerade der Vertreter der Basis."

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