NRW-Landtagswahl Kraft oder Röttgen, Jäger oder Laschet?

Wer wird Nordrhein-Westfalen in den nächsten fünf Jahren regieren? SPD und Grüne sind mit ihren Ministern in den Wahlkampf gezogen, der CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen hat ein Schattenkabinett zusammengestellt. Unser Korrespondent Wilfried Goebels vergleicht die Teams.

Da Röttgen den Zuschnitt der Ressorts in manchen Bereichen verändern will, ist ein Vergleich nicht immer 1:1 möglich. In den Klammern stehen jeweils die von der CDU geplanten Ressortveränderungen.

Hannelore Kraft (SPD, 50)

Die Regierungschefin genießt die Rolle der Landesmutter. In zwei Jahren hat Kraft als soziale "Kümmerin" Popularität erlangt. Ihre Achillesferse bleibt der Schuldenkurs, der ihr den Titel "Schuldenkönigin" einbrachte. Die Koalition mit den Grünen verlief harmonisch. Kraft schaffte Studiengebühren und Elternbeiträge im letzten Kita-Jahr ab, Projekte wie der Nichtraucherschutz und das Klimaschutzgesetz liegen auf Eis.

Norbert Röttgen (CDU, 46)

Der Bundesumweltminister gilt als kompetent, sachorientiert und intelligent. Der "Kopf-Mensch" setzt auf einen Schuldenabbau zugunsten der Kinder. Röttgen ist der Typ Macher, der wie bei der Energiewende verändern will. Der distanziert wirkende Politiker hat den Schulkonsens wesentlich mitgestaltet. Röttgen will die Infrastruktur zukunftsfest machen und der Industrie neue Perspektiven bieten.

Ralf Jäger (SPD, 51)

Nur wenige Tage nach Amtsantritt geriet der Innenminister wegen polizeilicher Pannen bei der Loveparade-Katastrophe in die Kritik. Der forsche Duisburger gilt aber als Leistungsträger und macht in den Medien eine gute Figur. Als Chef der Duisburger SPD musste sich Jäger gegen den Vorwurf einer Spendenaffäre wehren. Der hemdsärmelige Politiker wäre bei Kraft auch in einem neuen Kabinett gesetzt.

Armin Laschet (CDU, 51)

Der Aachener verfügt als früherer Familienminister über Kabinettserfahrung. Nach den gescheiterten Kandidaturen für den CDU-Landes- und Fraktionsvorsitz hat Laschet loyal als Geschäftsführer der Fraktion gearbeitet. Der politische Kopf setzt auf mehr innere Sicherheit. Als Innenminister will Laschet Nordrhein-Westfalen politisch demografiefest machen.

Guntram Schneider (SPD, 61)

Der ehemalige DGB-Landeschef ist Experte für Arbeitnehmerfragen. In der Sozial- und Integrationspolitik hat der Minister aber kaum Akzente gesetzt. Schneider hält engen Kontakt zu den Gewerkschaften, verfügt aber auch über kurze Drähte zu Arbeitgebern. Der SPD-Politiker ist emsig, aber noch ohne großen politischen Erfolg. Zukunft: unklar.

Karl-Josef Laumann (CDU, 54)

Der Bundesvorsitzende der CDU-Sozialausschüsse würde gern wieder Arbeitsminister. Laumann kennt Sozial- und Arbeitsgesetze aus dem Effeff. Der gelernte Schlosser vertritt die "kleinen Leute" in der Partei. Als CDU-Fraktionschef ist Laumann glaubwürdig und beliebt bei den eigenen Leuten. Der Münsterländer ist aber nicht immer bei allen Themen präsent.

Thomas Kutschaty (SPD, 43)

Der Jurist ist ein Mann der leisen Töne. Eine Serie von Ausbrüchen aus Haftanstalten hat Kutschaty aber zuletzt unter öffentlichen Druck gebracht. Der Bau neuer Haftanstalten liegt auf Eis. Kutschaty hat die Strafverfolgung für den leichten Drogenkonsum gelockert. In einem neuen Kabinett Kraft wäre der frühere Rechtsanwalt aus Essen als Justizminister gesetzt.

Peter Biesenbach (CDU, 64)

Der fleißige Fraktionär ist in Debatten angriffslustig und stets gut vorbereitet. Biesenbach will den Investitionsstau in Haftanstalten von zwei Milliarden Euro abbauen und den hohen Drogenkonsum in Gefängnissen senken. Der CDU-Rechtsexperte fordert harte Strafen für Täter. Eine Lockerung der Strafverfolgung bei leichten Drogen lehnt Biesenbach ab.

Sylvia Löhrmann (Grüne, 55)

Die gelernte Lehrerin leitet eines der Schlüsselressorts im Kabinett. Die stellvertretende Ministerpräsidentin hat mit SPD und CDU einen Schulkonsens erzielt. Löhrmann ist machtbewusst, ehrgeizig und zielorientiert. Bei Zentralabi und Gemeinschaftsschule sorgte sie für einige Pannen. Die Kämpferin für die Ganztagsschule gilt als Antreiberin im Kabinett Kraft.

Klaus Kaiser (CDU, 55)

Der Sauerländer hat den Schulkonsens ausgehandelt und sich für die letzte Schule im Ort eingesetzt. Die Streichung der Bestandsgarantie für die Hauptschule aus der Verfassung bleibt in der CDU umstritten. Kaiser hat mit der neuen Sekundarschule in ländlichen Regionen ein Angebot gesichert. Er lehnt die Einheitsschule ab und hält am gegliederten System fest.

Johannes Remmel (Grüne, 49)

Der Siegerländer zählt zu den strategischen Köpfen der NRW-Grünen. Remmel verfolgt konsequent ökologische Ziele, das geplante Klimaschutzgesetz hat die SPD aber entschärft. Das Ministerium wurde personell grün aufgestockt, für die Opposition ist Remmel ein rotes Tuch. Der Umweltminister plant 200 Meter hohe Windräder in Wäldern. Das Kraftwerk Datteln lehnt er ab.

Lutz Lienenkämper (CDU, 42)

Der frühere Bauminister will in einem neuen Ministerium Umwelt und Infrastruktur versöhnen. Lienenkämper plant den Bau von Ortsumgehungen und mehr Verkehr auf der Schiene. Der CDU-Politiker lehnt ein generelles Tempolimit ab. Lienenkämper ist kompetent und durchsetzungsstark. Straßen- und Wohnungsbau würden unter seiner Führung wieder verstärkt.

Svenja Schulze (SPD, 43)

Zwei Jahre nach Amtsantritt hat die Ministerin nicht Fuß gefasst. Schulze gilt bei Professoren als wenig kompetent und überfordert. Überfüllte Unis, Finanzlücken nach dem Aus für Studiengebühren, kaum Reformideen - die Bilanz ist dürftig. Dazu die Atomkugel-Affäre um Brennstäbe aus Jülich. Anders als Vorgänger Pinkwart ist Schulze nicht vernetzt in Unis.

Günther Schuh (parteilos, 53)

Der Prorektor der Elitehochschule RWTH Aachen ist einer der Stars im CDU-Schattenkabinett. International erfahren, renommiert in der Uni-Szene, will der Wirtschafts-Ingenieur Hochschule und Wirtschaft stärker vernetzen. In Aachen hat Schuh auf dem Campus 100 Firmen geworben. Der Professor kämpft mit neuen Ideen gegen den Reformstau.

Harry Voigtsberger (SPD, 62)

Der Ex-Direktor des Landschaftsverbands Rheinland ist mit dem Riesenressort überfordert. Voigtsberger verfügt nicht über politische Erfahrung und hat keine Lobby in der SPD. Bisher hat der Lehrer kaum Akzente gesetzt. In der Energie- und Verkehrspolitik bestimmen die Grünen den Kurs. Bei einem Wahlsieg würde Kraft das Ressort verkleinern - unklar, ob Voigtsberger dabei wäre.

Claudia Kempfert (parteilos)

Die 43-jährige Professorin leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die selbstbewusste Expertin will die Kompetenzen in der Energiepolitik in einem neuen Ministerium bündeln. Kempfert tritt häufig in Talkshows auf und fordert mehr erneuerbare Energien. Die eigenwillige Fachfrau scheut keine Konflikte.

Norbert Walter-Borjans (SPD)

Der 59-jährige "Herr der Zahlen" zieht mit dem Schuldenkurs die Kritik auf sich. Beim Haushalt und der WestLB machte Walter-Borjans keine gute Figur. Den Nachtragshaushalt 2010 stoppte das Verfassungsgericht. Der Kölner hat bisher kein Konzept, wie die Schuldenbremse 2020 zu erreichen ist. Endet der Steuerboom und steigen die Zinsen, muss "Nowabo" kräftig auf die Spar-Bremse treten.

Steffen Kampeter (CDU,49)

Schäubles Staatssekretär für Finanzen gilt als anerkannter Fachmann. Kampeter setzt auf Ausgaben-Diät und will jährlich 500 Millionen Euro sparen. Der Ostwestfale ist forsch, weltweit gut vernetzt, im Bund plant er den Verzicht auf neue Schulden schon 2014. Pragmatisch statt ideologisch - Kampeter fordert in NRW mehr Sparwillen. Er sieht kein Einnahmeproblem.

Ute Schäfer (SPD, 58)

Die frühere NRW-Schulministerin hat mit dem Kita-Ausbau eine Mammutaufgabe übernommen. Noch fehlen 44 000 Plätze, um 2013 den Rechtsanspruch für 32 Prozent der U3-Kinder zu erfüllen. Schäfers teures Ziel, bis 2005 alle Kita-Jahre beitragsfrei zu machen, haben die Grünen als unbezahlbar blockiert. Die SPD-Politikerin wirkt im Zahlen-Dschungel nicht immer sattelfest.

Ingrid Fischbach (CDU, 54)

Die Vorsitzende der Frauen-Union in NRW und Bundestagsabgeordnete will den Kita-Ausbau beschleunigen und Müttern die Rückkehr in den Beruf erleichtern. Fischbach ist Familienexpertin der CDU/CSU- Bundestagsfraktion und gehört dem CDU-Bundesvorstand an. Beim geplanten Betreuungsgeld plant sie im Sommer einen Verbesserungsvorschlag.

Barbara Steffens (Grüne, 50)

Die langjährige Landtagsabgeordnete hat im Gesundheitsministerium ihr Wunschressort gefunden. Steffens engagiert sich im Pflege- und Heimbereich. Die in der Partei bestens vernetzte Grüne hat die Verschärfung des Nichtraucherschutzgesetzes bisher nicht geschafft, weil die SPD Raucherproteste scheut. Steffens ist eine grüne Bank.

Die CDU will das Gesundheitsressort wieder ans Sozialministerium koppeln. Dafür soll ein Landwirtschafts- und Verbraucherministerium geschaffen werden.

Christina Schulze Föcking (CDU, 35)

Die gelernte Landwirtin will das Gegeneinander konventioneller und Bio-Höfe beenden. Beim "Kanal-TÜV" kämpft die agile Abgeordnete für eine Prüfung nur bei begründetem Verdacht.

Angelica Schwall-Düren (SPD)

Die 63-jährige erfahrene Bundespolitikerin arbeitet unauffällig, unspektakulär und wie beim gescheiterten Jugendmedien-Staatsvertrag manchmal erfolglos. Als Botschafterin des Landes in Brüssel und Berlin hat die frühere Lehrerin kaum eigene Gestaltungskraft. Im Zusammenhang mit der Bonn/Berlin-Diskussion sammelte sie in der Region Pluspunkte. Sie organisierte den Widerstand des Landes gegen die Pläne von Verteidigungsminister Thomas de Maizière, möglichst viele Beamte nach Berlin zu holen.

Ursula Heinen-Esser (CDU, 46)

Röttgens Staatssekretärin im Umweltministerium soll den engen Draht nach Berlin halten. Die Kölner Bundestagsabgeordnete hat als CDU-Landesvize in der Landespolitik keine Akzente gesetzt. Mit Röttgen arbeitet sie an der Energiewende. In Berlin und Brüssel ist Heinen-Esser gut vernetzt, in NRW kaum bekannt.

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