NRW-Wahl im Rhein-Sieg-Kreis Schockstarre bei den Christdemokraten

RHEIN-SIEG-KREIS · Die Stimmenauszählung für den Wahlkreis 25 war an Dramatik nicht zu überbieten. Vom ersten Stimmbezirk an lieferten sich CDU-Kandidat Tim Salgert aus Lohmar und sein SPD-Kontrahent, der Hennefer Dirk Schlömer, ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zwei Stimmbezirke waren noch auszuzählen.

 Geschafft: Wem Andrea Milz (CDU) von ihrem erneuten Einzug in den Landtag berichtet, bleibt offen.

Geschafft: Wem Andrea Milz (CDU) von ihrem erneuten Einzug in den Landtag berichtet, bleibt offen.

Foto: Holger Arndt

Erst da war klar, dass Schlömer die Nase vorne hat. Die Sozialdemokraten ließen im großen Sitzungssaal des Kreishauses, wo die Ergebnisse zusammenliefen, schon mal die Sektkorken knallen und skandierten: "So sehen Sieger aus." Zumal schon vorher entschieden war, dass Achim Tüttenberg uneinholbar vorne lag und das Direktmandat für den Wahlkreis 28 gegen CDU-Mann Michael Solf geholt hatte.

Am Ende fehlten Salgert 242 Stimmen. Sauer auf Norbert Röttgen ist der Lohmarer indes nicht. "Die Wähler haben entschieden. Ob es der Röttgen-Effekt war, weiß ich nicht". Der Christdemokrat zeigte sich als fairer Verlierer. "Ich gratuliere Dirk Schlömer und hoffe, er vertritt den Wahlkreis gut." Gleichwohl war aus Salgerts Wahlkampfteam zu hören, dass der Erdrutsch der CDU abzusehen war. "Schuld ist der Spitzenkandidat Norbert Röttgen", sagte ein Team-Miglied.

Schlömer will sich nun ein mobiles Wahlkreisbüro einrichten. "Und nah am Menschen und auf den Marktplätzen will ich sein. Jetzt fängt der Wahlkampf 2017 an." Dass er, wenn auch denkbar knapp, gewonnen habe, sei nicht allein sein Verdienst und das seines Teams. "Es ist sicher auch der Gesamtsituation geschuldet", so spielte Schlömer auf den desaströsen Wahlkampf Röttgens und der Landes-CDU an. "Gestolpert, aufgestanden, weitergelaufen und wieder gestolpert", drückte es Kreis-SPD-Chef Sebastian Hartmann aus.

Achim Tüttenberg freute sich wie ein Schneekönig, es erstmals gegen Michael Solf geschafft zuhaben. "Das hat sicher auch daran gelegen, dass ich, nachdem ich 2010 nicht in den Landtag gewählt wurde, die zwei Jahre im Wahlkreis hart weiter gearbeitet habe", sagte der Troisdorfer. Dass die CDU ein derartiges Desaster erlebt habe, habe sicher auch am Spitzenkandidaten Norbert Röttgen selbst gelegen.

"Der hat Fehler gemacht, die man noch gar nicht kannte und war völlig desolat. Hannelore Kraft dagegen hat viel mehr Kompetenz ausgestrahlt." Erstaunt habe ihn aber doch, dass die CDU im Rhein-Sieg-Kreis unter 30 Prozent gerutscht sei. "Aber das zeigt, dass nichts in Stein gemeißelt ist in der Politik", so Tüttenberg. Schon früh, vor der Prognose, waren die Sozialdemokraten im Fraktionsbüro im Kreishaus bei Frikadellen und Kölsch zusammengekommen, gut gelaunt, ob der guten Umfragewerte, geradezu euphorisch.

Ein paar Räume weiter blieb das Büro der CDU-Fraktion abgeschlossen und verwaist. Gegen 18.30 betrat CDU-Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Elisabeth Winkelmeier-Becker das Kreishaus. Kurz zuvor hatte sich Salgert mit seinem Team eingefunden. Michael Solf ließ sich im Kreishaus nicht blicken. Er saß mit Familie im Rathausbüro von Siegburgs Bürgermeister Franz Huhn und verfolgte dort die Hochrechnungen und Auszählungen seines Wahlkreises.

Für eine Stellungnahme war er Sonntagabend nicht zu erreichen. Winkelmeier-Becker sieht in den Strömungen gegen Röttgen den Grund für die Niederlage. "Er hat in Sachen Energiewende in der Partei selbst und bei den Bürgern viel Gegenwind bekommen. Ob einen das so ermuntert, kreative Dinge anzugehen, stelle ich infrage."

Jubel herrschte bei den Piraten, die den Einzug ins Landesparlament und das gute Ergebnis im Kreis in der Gaststätte "Zur Küz" in Troisdorf feierten. "Ich freue mich sehr über das Ergebnis. Dass wir so gut abgeschnitten haben, liegt sicher an unserer Glaubwürdigkeit und der mangelnden Glaubwürdigkeit anderer Parteien", sagte Torsten Ennenbach, Kandidat im Wahlkreis 28.

Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit sowie das Festhalten an den Überzeugungen macht die FDP für ihren Erfolg und den ihres Spitzenkandidaten Christian Lindner verantwortlich. "Wir haben uns wiedergefunden", so FDP-Kreisvorsitzender Jürgen Peter. Röttgen habe sich selbst im Weg gestanden, meinte Kreisfaktionsgeschäftsführer Hans-Joachim Pagels.

Zufrieden zeigten sich die Grünen, die schon früh im Kreishaus waren, um den Wahlabend zu verfolgen. "Wir haben unser Ergebnis, das wir vor zwei Jahren verdoppelt haben, gehalten", sagte Katja Ruiters, Sprecherin des Grünen-Kreisverbandes. Das Ziel sei ein stabile rot-grüne Landesregierung gewesen. "Und das haben wir erreicht." Von den Linken war niemand im Kreishaus zu sehen.

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