Stimmergebnisse SPD hat in jedem Stadtbezirk die Nase vorn

BONN · Die CDU legt nur in fünf von 197 Stimmbezirken zu. Die FDP hat in Bonn ihr landesweit bestes Ergebnis erzielt. Zahlen lügen nicht. Auch am Tag Eins nach der Landtagswahl bleibt das Ergebnis in der Bundesstadt sensationell. Zum ersten Mal in der Geschichte der jungen Bundesrepublik hat die SPD in allen Stadtbezirken die Nase vorn.

 Die Stimmzettel sind abgegeben und ausgezählt, jetzt werden die Ergebnisse analysiert.

Die Stimmzettel sind abgegeben und ausgezählt, jetzt werden die Ergebnisse analysiert.

Foto: Barbara Frommann

Was Klaus Kosack, früherer Chefstatistiker der Stadt Bonn, besonders bemerkenswert findet: Auch bei den rund 36.000 Briefwählern ist die SPD stärkste Partei. "Das ist deshalb so interessant, weil diejenigen, die per Briefwahl ihre Stimme abgeben, sich teils schon Wochen vor dem Wahlsonntag für eine Partei entscheiden. Das zeigt, dass das Ergebnis keines ist, das von der Tagesform der Wähler abhing", so der Analytiker.

  • Stimmergebnis: Beide Bonner Wahlkreise gingen an die SPD, doch mit welchem absoluten Stimmenvorsprung? Renate Hendricks (SPD) liegt nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis rund 3000 Stimmen vor Benedikt Hauser (CDU). Doch der Sieg war ihr vor allem sicher, weil sie sehr viele Stimmen dazugewonnen hat.
  • Denn im Vergleich zur Landtagswahl 2010 verlor Hauser "nur" 2200 Stimmen, Hendricks indes konnte 5800 Stimmen mehr für sich gewinnen. Hendricks erhielt 27 144 Erststimmen (37,30 Prozent), Benedikt Hauser (CDU) 24.124 Erststimmen (33,15 Prozent).
  • Zwischen Norbert Röttgen (CDU) und Bernhard "Felix" von Grünberg (SPD) lagen rund 12.600 Stimmen. Auf von Grünberg entfielen insgesamt 32.992 Erststimmen (45,76 Prozent), auf Röttgen 20.366 Erststimmen (28,25 Prozent).
  • Bonner Abgeordnete: Vier Abgeordnete vertreten die Bundesstadt Bonn im neu gewählten Landtag von Nordrhein-Westfalen: Neben den beiden Direktkandidaten von Grünberg (SPD) im Wahlkreis 29, Bonn I, und Hendricks (SPD) im Wahlkreis 30, Bonn II, ziehen für die FDP Joachim Stamp über Platz 9 der Landesliste der Liberalen und Rolf Beu von den Grünen, der den Listenplatz 26 hat, in das Parlament in Düsseldorf ein.
  • Norbert Röttgen, der in Königswinter wohnt und als CDU-Spitzenkandidat auf Platz 1 der Landesliste seiner Partei stand, hat ebenfalls ein Landtagsmandat.
  • Stadtbezirke: Betrachtet man die Ergebnisse nach Stadtbezirken, fuhr der SPD-Direktkandidat "Felix" von Grünberg in Beuel mit 44,0 Prozent sein stadtweit bestes Ergebnis rein.
  • In Bonn erhielt die SPD 42,9 Prozent der Erststimmen, auf dem Hardtberg 38,8 Prozent und in Bad Godesberg 36,7 Prozent. Auch bei den Zweitstimmen liegt Beuel auf Platz eins der SPD-Bestenliste: 32,4 Prozent.
  • Für die CDU liegt das Zweitstimmenergebnis auf dem Hardtberg mit 25,2 Prozent nur leicht über dem von Bad Godesberg (25,0 Prozent). In Beuel erzielte sie 23, in Bonn 20,8 Prozent.
  • Die Hochburg der Grünen liegt gesamtstädtisch betrachtet mit 20,8 Prozent in Bonn, die der FDP mit 16,3 Prozent in Bad Godesberg. Die Ergebnisse der Piraten: 7,9 Prozent in Bonn, 6,7 Prozent in Bad Godesberg, 7,4 Prozent in Beuel und 7,8 Prozent auf dem Hardtberg.
  • Tops und Flops bei den Erststimmen: Die wenigsten Stimmen erhielt Röttgen von den Wählern an der Wolfstraße in der Bonner Altstadt: 12,6 Prozent, die meisten Anhänger hat er offensichtlich in Beuel-Gielgen: 41,2 Prozent. Von Grünberg darf Röttgen-Süd als schlechtestes Wahlergebnis notieren: 23,3 Prozent. Die meisten Stimmen erhielt er mit 58,6 Prozent in Paulusplatz/Alt-Tannenbusch.
  • Das schlechteste Ergebnis für Angelica Maria Kappel (Grüne): 3 Prozent in der Landsbergstraße/Tannenbusch, am besten schnitt sie an der Nordstraße/Äußere Nordstadt mit 26,3 Prozent ab, Rolf Beus (Grüne) bestes Stimmenergebnis liegt mit 18,4 Prozent an der Argelanderstraße in Poppelsdorf.
  • Joachim Stamp (FDP) ist in Röttgen-Süd mit 39,3 Prozent nicht zu schlagen, stößt in Neu-Tannenbusch-Mitte dagegen bei 1,6 Prozent auf weitgehendes Desinteresse. Bei den Piraten lässt sich kein räumliches Ergebnis feststellen, allerdings erhielten sie in zehn Stimmbezirken mehr als 10 Prozent, zum Beispiel in Pennenfeld-Mitte: 12,3 Prozent.
  • Tops und Flops bei den Zweitstimmen: Schlechtestes CDU-Ergebnis bei den Zweitstimmen: Alter Friedhof: 8,68 Prozent, bestes: in Lannesdorf-Ost mit 31,11 Prozent.
  • SPD: 21,3 Prozent in Plittersdorfer Straße, 44 Prozent in der Vogelsiedlung, Alt-Tannenbusch.
  • Grüne: 5,1 Prozent in Posener Weg/Tannenbusch, 33,4 Prozent in Adolfstraße/Äußere Nordstadt.
  • FDP: 2,7 Prozent in Neu-Tannenbusch-Mitte, übrigens der einzige Stimmbezirk, wo die FDP unter fünf Prozent an Zweitstimmen erhielt. Bestes Ergebnis: 29,4 Prozent in Röttgen-Süd.
  • Piraten: 3,0 Prozent in Ippendorf-Südost, 15,8 Prozent an der Immenburgstraße.
  • Linke: keine einzige Stimme in Röttgen-Süd, 11,4 Prozent am Posener Weg/Tannenbusch.
  • Gewinne-Verluste: Die höchsten Verluste musste CDU-Kandidat Benedikt Hauser mit minus 13,0 Prozent in Godesberg an der Marienforster Straße hinnehmen, bei den Zweitstimmen sogar minus 19,3 Prozent, das beste Plus machte er mit 1,6 Prozent an der Plittersdorfer Straße. Insgesamt konnte er in nur fünf Stimmbezirken leichte Zuwächse verzeichnen.
  • Von Grünberg musste in Neu-Vilich-Ost 5,2 Prozentpunkte im Vergleich zu den Landtagswahlen 2010 abgeben, gewann aber in Neu-Tannenbusch-Mitte 23 Prozent hinzu, bei den Zweitstimmen 12,2 Prozent. Die größten Verluste bei den Erststimmen sind für die Grünen mit minus 6,9 Prozent An der Elisabethkirche, die größten Zuwächse an der Nordstraße mit 11,3 Prozent auszumachen.
  • Bei den Zweitstimmen verloren die Grünen mit 8,1 Prozent am meisten in Godesberg-Mitte, in Duisdorf-Ost dagegen verbesserten sie ihr Ergebnis von 2010 um 4,7 Prozent. Die FDP verschlechtert ihr Erststimmen-Ergebnis Am Hafen in Graurheindorf um 4,1 Prozentpunkte, hat die stärkste Zunahme an der Ubierstraße (plus 6,4 Prozent).
  • Skurril: Die Familien-Partei erhielt am Posener Weg 13,6 Prozent.
  • Im Landesvergleich: Die FDP fährt mit 15,8 Prozent im Wahlkreis Bonn II ihr landesweit bestes Ergebnis ein. Mit 19,9 Prozent ist das Ergebnis der Grünen in Bonn I landesweit das siebtbeste. So sehr sich die SPD auch freuen mag, das Wahlergebnis im Wahlkreis Bonn I ist mit 29,1 das zweitschlechteste in ganz NRW. Nur Paderborn I ist mit 27,6 Prozent noch schlechter.
  • Die Wahlbeteiligung war, wenn auch nur geringfügig, höher als bei der Landtagswahl 2010. Von den rund 225.000 Wahlberechtigten im gesamten Bonner Stadtgebiet gingen 65,32 Prozent zur Wahlurne oder wählten per Briefwahl. Das waren also etwa 6500 Wähler mehr als 2010. Vor zwei Jahren hatte die Wahlbeteiligung 64,62 Prozent betragen. Immerhin blieben also rund 78.000 wahlberechtigte Bonner den Urnen fern.
  • Stimmensplitting: Im Prinzip lässt sich die Formel aufstellen: Je jünger der Wähler, desto eher splittet er seine Erst- und Zweitstimme. Also Ältere vergeben meistens beide Stimmen an ein und dieselbe Partei beziehungsweise deren Direktkandidaten. So stellt der Statistiker Kosack etwa fest, dass in Plittersdorf, wo eine eher ältere Bevölkerungsstruktur herrscht, nur etwa ein Drittel der Wähler ihre Stimmen gesplittet hatte.
  • Bevölkerungsstruktur: Lässt sich das Wahlergebnis mit einer veränderten Bevölkerungsstruktur erklären? Klaus Kosack, der frühere Chefstatistiker der Stadt Bonn, meint Nein: Wenn man beispielsweise die Bonner Hochburgen der FDP aus den 50er Jahren mit aktuellen Zahlen vergleiche, könne man feststellen, dass diese nach wie vor geblieben seien. Vielmehr, meint Kosack, könne man aus den Stimmergebnissen einiges über die Wohnstruktur herauslesen.
  • Zum Beispiel Vilich-Müldorf-Süd: Die Grünen erhielten dort 24 Prozent, SPD 33,4 Prozent, CDU 17,8 und FDP 10,7 Prozent. Kosack: "Dort leben überwiegend junge, betuchte Familien mit Kindern und einem hohen Bildungsstand." Ebenso könne man anhand der Häufigkeit der gesplitteten Wählerstimmen darauf schließen, wie "jung" oder "alt" ein Stimmbezirk sei.
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