Nürburgring-Prozess und kein Ende Showdown im neuen Jahr

Koblenz · Der Nürburgring in der Eifel ist ein Mythos - aber einer mit vielen Kratzern. Die größtenteils landeseigenen Betreiber bauten einen übergroßen Freizeitpark, ein Investor fand sich nicht. Das wird vor Gericht aufgearbeitet - mit einem Ex-Minister auf der Anklagebank.

Der Saal 102 des Koblenzer Landgerichts ist schlicht, der Blick geht auf einen kargen Innenhof, der Boden ist in die Jahre gekommen. Es deutet wenig darauf hin, dass dies die Bühne für einen spektakulären Prozess ist. Seit Mitte Oktober läuft hier der Untreue-Prozess zur 2009 gescheiterten Privatfinanzierung des Nürburgrings - dem Projekt, das die Bilanz des scheidenden rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) trübt.

Anfang kommenden Jahres und damit kurz vor Ende seiner Amtszeit muss Beck auf der Zeugenbank Platz nehmen, wie die anderen rheinland-pfälzischen Kabinettsmitglieder von 2009 auch. Das sucht seinesgleichen und beschert dem Prozess einen weiteren Höhepunkt.

Rückblick: An der Rennstrecke in der strukturschwachen Eifel wurde ein rund 330 Millionen Euro teures Freizeitzentrum gebaut. Das erwies sich als zu groß. Im Sommer 2009 zerstoben die Hoffnungen auf einen Privatinvestor, nachdem der Scheck eines angeblichen US-Investors geplatzt war. Mittlerweile ist der Ringbesitzer, die größtenteils landeseigene Nürburgring GmbH, insolvent.

Die gescheiterte Suche nach privaten Geldgebern ist Gegenstand des Untreue-Prozesses. Es geht darum, ob Steuergeld gefährdet wurde, es geht um dubiose Geschäftspartner, komplizierte Finanzierungsmodelle und nicht genehmigte Kredite - Stoff für einen Wirtschaftskrimi.

Der Ringausbau fiel in die Zuständigkeit des damaligen Finanzministers Ingolf Deubel (SPD). Er sitzt mit Ex-Ringchef Walter Kafitz, Ex-Finanzchef Hans-Jürgen Lippelt und drei weiteren Managern auf der Anklagebank. Die Hauptrollen spielen Deubel und ein ebenfalls angeklagter, damaliger Ring-Controller - zwei völlig unterschiedliche Männer.

Der 62-jährige Ex-Judotrainer Deubel ist der Kämpferische. Die Anklageschrift nennt er ein "Sammelsurium falscher und teilweise auch verleumderischer Behauptungen". Die Kritik des Landesrechnungshofes an einem zur Finanzierung geplanten Handel mit US-Lebensversicherungen schimpft er abenteuerlich und dilettantisch.

Für ihn steht fest: Ehemalige Befürworter des Projekts leiden unter "kollektiver Amnesie". Deubel fühlt sich als Bauernopfer. Mit Blick auf Beck sagte er: "Er hätte die Möglichkeit gehabt, das zu stoppen." Deubels Stellungnahme ist mehr als 240 Seiten lang. "Wenn ich das durchrechne, komme ich auf 12, 13 Stunden Vortrag", sagte er, bevor er Mitte Oktober zu lesen anfing - so lange dauerte es auch.

Ganz anders Protagonist Nummer zwei: der Controller, der noch heute für die GmbH arbeitet. Er spricht leise, sitzt gebückt. Auf seine Aussagen stützen sich große Teile der Anklageschrift - er belastet Deubel schwer, betont, dass dieser eine treibende Kraft bei der gescheiterten Suche nach einem Privatinvestor war.

Von ihm stammt auch ein Schreiben über angebliche Luxusreisen und Bordellbesuche damaliger Finanzvermittler in Zürich im Frühjahr 2009 - kurz vor dem Scheitern des Ganzen. Die Kosten soll die Nürburgring GmbH getragen haben. Der Schrieb wird unter Prozessbeteiligten nur noch der "Bratwurst- und Bordellvermerk" genannt.

Doch was kam bislang heraus? Vor allem bizarre Anekdoten. Die Lebensläufe beteiligter Finanzvermittler wurden früh von Mitarbeitern des Landeskriminalamtes als untypisch bezeichnet. Einer arbeitete etwa als Direktionsassistent beim Zirkus Sarrasani. Eine Vereinbarung zur Zahlung einer millionenschweren Provision an die Vermittler für einen Scheck eines Investors, der sich später als ungedeckt entpuppte, entstand spät in der Nacht in einem Züricher Hotelzimmer.

Als Zeugen geladen waren schon einer der mittlerweile gekündigten Ring-Pächter sowie die Finanzvermittler, sie sagten nicht aus. Zwei frühere Kabinettsmitglieder - Ex-Innenminister Karl Peter Bruch und Ex-Justizminister Heinz Georg Bamberger - nahmen Deubel in Schutz. Beide betonten, das Nürburgring-Projekt sei für die damalige SPD-Alleinregierung von zentraler Bedeutung gewesen.

Nun werden sich bald Beck, seine designierte Nachfolgerin Malu Dreyer, Bildungsministerin Doris Ahnen, Europaministerin Margit Conrad sowie Fraktionschef Hendrik Hering (alle SPD) - damals Wirtschaftsminister - äußern. Beck sagte bereits, es sei keine Überraschung zu erwarten. Ein Prozessende ist nicht absehbar.

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