WCCB in Bonn Wer trägt die Verantwortung für das Desaster?

BONN · Keine Anklage, kein Disziplinarverfahren: Dass die ehemalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) wegen des Desasters um das World Conference Center Bonn (WCCB) nicht zur Rechenschaft gezogen wird, irritiert Bürger und Politiker.

CDU und Grüne wollen nun als nächsthöhere Instanz Innenminister Ralf Jäger (SPD) auffordern, den gesamten Vorgang zu überprüfen. Ihr Eindruck sei, dass die Bezirksregierung Köln als Kommunalaufsicht ihren Verpflichtungen nicht "nachvollziehbar nachkommt".

Die Bezirksregierung unter ihrer Präsidentin Gisela Walsken (SPD) hatte die vom Stadtrat geforderte Einleitung eines Disziplinarverfahrens abgelehnt, unter anderem weil keine "ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" gemäß Disziplinargesetz NRW vorlägen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigten. Das kann die Ratsmehrheit nicht glauben.

Auch im Fall des ehemaligen Stadtdirektors Arno Hübner (CDU) schüttelt man im Rathaus den Kopf. Der damalige WCCB-Projektleiter hatte in seiner in der Dienstagausgabe des GA abgedruckten Gegendarstellung erklärt, die Verwaltung sei zur Absicherung "eines Teils des WCCB-Investitionsvolumens über die Nebenabrede" (siehe Text unten) "ausdrücklich" vom Stadtrat ermächtigt gewesen. Das wiesen CDU, Grüne, FDP und Bürger Bund Bonn (BBB) gestern als "falsche Behauptung" zurück.

SPD-Fraktionsvorsitzende Bärbel Richter erklärte dazu: "Ich kann nicht beurteilen, welche Darstellung richtig ist." CDU und Grüne hingegen stellten fest: "Herr Hübner versucht den Eindruck zu erwecken, als habe die Verwaltung den Rat in Bezug auf die Nebenabreden umfänglich informiert, ja er behauptet, der Rat habe ihn zu der Unterschrift unter die geänderte Nebenabrede legitimiert."

Tatsächlich aber habe die Verwaltung, wie im Bericht des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) auch dargestellt, den Rat über die Veränderung der ursprünglichen Nebenabrede im Dunkeln gelassen, so CDU-Fraktionschef Klaus-Peter Gilles und Tom Schmidt (Grüne). "Wir gehen davon aus, dass die Verantwortlichen in der Verwaltung vermeiden wollten, den Rat über die nicht nachgewiesene Bonität des angepriesenen Investors informieren zu müssen."

Hübner hat in seiner Gegendarstellung behauptet, die Sparkasse habe zwar "eine Absicherung ihres Kredites verlangt, aber nicht, weil sie die Kreditfähigkeit des Investors in Frage stellte". Auch FDP-Fraktionschef Werner Hümmrich wehrt sich gegen Hübners Behauptung. "Das kann so nicht im Raume stehen bleiben", sagte er. "Es wird suggeriert, als hätte die Politik Kenntnis genommen und Zustimmung gegeben für die Nebenabrede. Dies war nicht der Fall."

Für Erstaunen sorgt zudem ein Schreiben Hübners an OB Jürgen Nimptsch (SPD) vom Montag. Darin bittet er den OB, die Fraktionen vorab über die Gegendarstellung zu informieren. Er befürchte, so Hübner, dass der GA "durch Abfragen bei den Fraktionen Meinungen einholt, um seine eigene falsche Darstellung z.B. bezüglich der Nebenabrede zu untermauern, ohne selber dann in der Berichterstattung als Verfasser zu erscheinen - was eine weitere Gegendarstellung möglicherweise erschwert."

Marcel Schmitt (BBB) fragt sich, ob das "eine Drohung an die Politik sei, sich nicht zur Sache einzulassen, weil sonst eine 'Gegendarstellung' erfolgen wird". Er teile "uneingeschränkt die Auffassung des RPA, dass die Nebenabrede wegen fehlender Ermächtigung durch den Rat nicht hätte unterzeichnet werden dürfen."

Anspruch auf Gegendarstellung:
Ein Anspruch auf Gegendarstellung ist nicht zu verwechseln mit einem Anspruch auf Richtigstellung. Während letzterer nur bei nachweislich falscher Berichterstattung entsteht, basiert ein Anspruch auf Gegendarstellung auf dem Persönlichkeitsrecht und soll dem von einer Veröffentlichung Betroffenen ein Mittel an die Hand geben, sich ebenfalls öffentlich zu äußern und seine Sicht darzustellen. Die Frage nach der Wahrheit spielt beim Anspruch auf eine Gegendarstellung keine Rolle, auch nicht bei einer gerichtlichen Prüfung des Anspruchs.

Das Bundesverfassungsgericht schränkt das Recht auf Gegendarstellung ein und befindet: "Einschüchterungseffekte" für die Presse seien möglichst zu vermeiden, und auch ein möglicher "Imageschaden" für das betroffene Medienunternehmen sei zu berücksichtigen, da eine Gegendarstellung das Misstrauen der Leser auch gegenüber einer wahrheitsgemäßen und gesetzmäßigen Berichterstattung wecken könne. (Aktenzeichen: 1 BvR 967/05).

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