Prozess in Bonn Anklage fordert fast sechs Jahre Haft

BONN · Mit Steinen und Messer gegen Polizisten: Ein Islamist gibt vor Gericht alles zu, rechtfertigt seine Tat mit seiner Religion und zeigt keine Reue. Die Staatsanwaltschaft fordert fast sechs Jahre Haft.

Der wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte angeklagte Salafist Murat K. sitzt im Landgericht in Bonn.

Der wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte angeklagte Salafist Murat K. sitzt im Landgericht in Bonn.

Foto: ap

Für seine Gewalt mit Steinwürfen und Messerangriffen auf Polizisten droht einem islamischen Extremisten eine mehrjährige Haft. Die Staatsanwaltschaft forderte im Bonner Prozess gegen den 26-jährigen Deutsch-Türken eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten.

Die Verteidigung rückte am Dienstag vor dem Bonner Landgericht die religiöse Motivlage des Beschuldigten mit "sehr fundamentalistischer Einstellung" in den Vordergrund und stellte die Strafzumessung in das Ermessen des Gerichts. Der von Anfang an geständige Muslim - er will sich nicht als "Salafist" bezeichnen lassen, da dies "nichtssagend" sei - bekannte sich erneut offen zu den Messerattacken vor gut fünf Monaten.

Er rechtfertigte in seinem Schlusswort seine Gewalt mit seiner Religion, die ihn dazu verpflichtet habe, da der Prophet Mohammed beleidigt worden sei. "Man kann von einem Muslim nicht erwarten, dass er ruhigbleibt, wenn der Prophet beleidigt wird." Das Urteil soll an diesem Freitag (19.10.) gesprochen werden.

Bei Ausschreitungen radikaler und gewaltbereiter Islamisten am 5. Mai dieses Jahres in Bonn soll der Beschuldigte eine Polizistin und einen Polizisten mit einem Messer verletzt haben. Zuvor hatte die rechtsextreme Splitterpartei "Pro NRW" eine Mohammed-Karikatur gezeigt. Weder der in Sontra (Hessen) lebende Angeklagte noch sein Verteidiger äußerten Zweifel an den Straftatbeständen der Messerstiche oder Steinwürfe.

Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren sei die Beweislage eindeutig, erklärte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Dass der Angeklagte geständig sei und er seine Motivlage aus seiner Religion begründe, sei nur begrenzt als strafmildernd einzustufen. Seine Haltung sei "nicht von Einsicht oder Reue geprägt" und er würde ihn ähnlichem Fall wieder so handeln.

"Es kann nicht hingenommen werden, dass ein Bürger seine Überzeugung mittels Waffengewalt durchsetzt." Der Beschuldigte habe als einziger aus einer zum Teil vermummten und mit Wurfgeschossen bewaffneten aggressiven Gruppe von etwa 150 Personen die polizeilichen Absperrungen durchbrochen, erläuterten die Ankläger.

Dann habe er mit einem 22 Zentimeter langen Messer auf drei Polizisten eingestochen, wobei eine Polizistin und ein Polizist an den Oberschenkeln verletzt wurden und operiert werden mussten. Sämtliche Geschädigte seien bis heute traumatisiert.

Der Verteidiger, der Düsseldorfer Anwalt Johannes Pausch, versuchte in seinem Plädoyer die religiöse Motivlage seines Mandanten zu erklären. Er habe in jüngeren Jahren keine Antworten auf Sinnfragen erhalten und sie vor fünf Jahren erst im Islam gefunden. Er sei ein "Suchender" gewesen, für den die "Rettung" die Religion gewesen sei.

Dies habe dann zu einer "konsequent fundamentalistischen Hinwendung zum Islam geführt". Bei seinen Gewaltaktionen sei er wohl "außer sich gewesen" und habe "mehr oder weniger unkontrolliert zugestochen". Der Angeklagte sagte, das Gericht könne über ihn nicht urteilen, weil allein Allah das Recht habe, zu entscheiden, was gut und böse oder richtig und falsch sei.

"Ich akzeptiere dieses Gericht nicht als legitim." Schuld sei der Staat, der Beleidigungen des Propheten zulasse. "Wie kann es sein, dass der deutsche Staat das unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit erlauben kann?" Als der Muslim schließlich auch Deutschland noch mit Konsequenzen und einem "Kriegszustand" droht, entzieht ihm der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff das Wort.

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