BEETHOVEN-HAUS Einsteins Eintrag wurde ausradiert

Patrick Bormann dokumentiert die Geschichte des Beethoven-Hauses von 1933-1945. Dabei tut sich manch ungeahnte Seite auf.

 Das Beethovenhaus in Bonn.

Das Beethovenhaus in Bonn.

Foto: dpa

Unentdeckte Winkel in den Weiten der Beethoven-Forschung? O ja, die gibt es noch. Und manchmal offenbaren sie sich gar als dunkle Flecken. Etwa dann, wenn es um die Frage geht, wie sich der Verein Beethoven-Haus eigentlich während des Nationalsozialismus gerierte. Um es vorwegzunehmen: Wer von den musisch-kultivierten Zeitgenossen, die sich seit inzwischen mehr als 125 Jahren die humanistische Pflege des Beethoven-Erbes auf die Fahnen schreiben, im Vergleich zu anderen Institutionen eine Ausnahme erwartet hat, dürfte die jüngsten Forschungsergebnisse mit einiger Enttäuschung lesen.

Zur Seite legen hingegen wird er sie wohl nicht. Denn dafür schildert der Bonner Historiker Patrick Bormann die Geschichte auf 365 Seiten einfach zu anschaulich, zu abwechslungsreich und – zu fundiert. Gestern wurde das Buch „Das Bonner Beethoven-Haus 1933 bis 1945“ vorgestellt.

Warum denn erst jetzt? Diese Frage ließe sich mit einer drastisch anmutenden Anekdote beantworten: So soll einst eine Bonner Autorin mit dem nunmehr bearbeiteten Themenvorschlag, den sie zu einer Magisterarbeit werden lassen wollte, beim Verein Beethoven-Haus nicht durchgedrungen sein. Begründung: Daran bestehe kein Interesse. Wohlgemerkt: Diese Geschichte stammt nicht aus den Fünfziger Jahren – sondern ist etwa zwölf Jahre her. Ein Ereignis, für das sich der Verein jedoch nicht über Gebühr schämen muss, wie Professor Joachim Scholtyseck, Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn, zu verstehen gibt: Gerade wenn Personen der betreffenden Zeit oder auch ihre Nachfahren noch lebten, werde naturgemäß Rücksicht genommen.

Scholtyseck hatte seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Buchautor Patrick Bormann, mit Rat zur Seite gestanden. Außergewöhnlicher erscheine es da schon, so Scholtyseck, dass das Projekt aus eigenem Antrieb des Beethoven-Hauses zustande gekommen sei – und nicht, wie im Falle großer Wirtschaftsunternehmen verbreitet, auf öffentlichen Druck. Dank und Freude über das Ergebnis unterstrich auch Malte Boecker, der Direktor des Beethoven-Hauses. „Es fiel auf, dass dieser Abschnitt der Geschichte unseres Hauses noch nicht aufgearbeitet worden war“, sagte er zu der Motivation. Zugleich dämpfte er Erwartungen all jener, die sich von dem Buch eine musikwissenschaftliche Arbeit erhoffen. Wie, wo, welches Repertoire und von wem wurde Beethoven im Dritten Reich interpretiert? Beethoven als „Durchhaltemusik“– all dies seien Fragen, für die in weiteren Diskursen Gelegenheit bestehe. Im vorliegenden Werk gehe es um die Institutionengeschichte.

Verein schwenkte auf NS-Linie ein

In die Bestände von 14 Archiven ist Patrick Reimann eingetaucht. Müsste man sein Ergebnis in einem einzigen Begriff subsumieren, dann eignete sich wohl jener der „Selbstgleichschaltung“: Ohne nennenswerten Druck der Machthaber und personalpolitisch weiterhin autonom sei der Verein auf NS-Linie eingeschwenkt. Eng verbunden ist mit dieser Entwicklung der Name des damaligen Vereinsvorsitzenden Ludwig Schiedermair, dessen antisemitische Grundhaltung nicht nur in den von ihm hinterlassenen Randnotizen der damaligen Korrespondenz herauszulesen ist.

Die zunehmende Aufnahme von Nationalsozialisten, die Abweisung von Beitrittswünschen jüdischer Interessenten und die „Nationalisierung“ von Beethoven und Mozart in Aufsätzen gehören ebenso zu den Erkenntnissen Patrick Bormanns wie die Entfernung eines Eintrags des Juden Albert Einstein aus dem Gästebuch des Beethoven-Hauses. Doch wie so oft schließen ideologische Verblendung und profunde Wissenschaft einander nicht zwingend aus. Und es war auch Ludwig Schiedermair, der sich schützend vor einen Mitarbeiter stellte, als dieser wegen seiner jüdischen Frau von der Universität vertrieben wurde. Als renommierter Beethoven-Exeget wurde Schiedermair nach dem Kriege rehabilitiert.

Patrick Bormann: Das Bonner Beethoven-Haus 1933-1945. Eine Kulturinstitution im „Dritten Reich“. Schriften zur Beethoven-Forschung Band 27. Das Buch kostet 68 Euro.

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