Olympia Umgang mit Stepanowa empört die Sportwelt

Frankfurt/Main · Russische Sportler dürfen bei den Olympischen Spielen in Rio starten, die Whistleblowerin Julia Stepanowa dagegen nicht. Diese Entscheidung des IOC hat in der Sportwelt Empörung und auch Besorgnis ausgelöst.

 Das IOC kippte die Startberechtigung für Julia Stepanowa .

Das IOC kippte die Startberechtigung für Julia Stepanowa .

Foto: Michael Kappeler

Ohne Julia Stepanowa wäre der "größte Doping-Skandal aller Zeiten" (WADA) womöglich nie aufgeflogen. Ohne sie würde die Sportmacht Russland vielleicht noch immer ungestört ihre Massenmanipulation organisieren.

Dass nun ausgerechnet die Kronzeugin bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro nicht starten darf, ein russisches Team unter gewissen Auflagen aber sehr wohl, hat in der Sportwelt nicht bloß für Empörung gesorgt. Diese Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees wird selbst von Sportfunktionären als verheerendes Signal mit möglicherweise fatalen Folgen für den Anti-Doping-Kampf gewertet.

"Die WADA ist sehr besorgt über die Botschaft, die damit für die Zukunft an Whistleblower wie sie gesendet wird", sagte Olivier Niggli, der Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur.

Diese Botschaft des IOC kann nur so aufgefasst werden: Wer über Doping-Praktiken auspackt, wird bestraft und nicht geschützt. "Hier hat das IOC die Chance verpasst, ein Zeichen zu setzen", sagte auch Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, gegenüber dem TV-Sender "Sky Sport News HD".

Die russische 800-Meter-Läuferin Julia Stepanowa hatte das staatlich gelenkte Doping-System in Russland mit ihren Aussagen in der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht" überhaupt erst enthüllt. Die 30-Jährige lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn längst in den USA, aus Russland musste sie fliehen.

Der Leichtathletik-Weltverband IAAF erteilte Stepanowa sogar eine Starterlaubnis für die Spiele in Rio. Das IOC lehnte ihren Antrag, unter neutraler Flagge laufen zu dürfen, dagegen am Sonntag ab. Sie erfülle nicht "die ethischen Anforderungen an einen olympischen Athleten", heißt es zur Begründung. Der Hintergrund: Die Russin war 2013 wegen Dopings selbst für zwei Jahre gesperrt worden.

Das Fatale an diesem IOC-Entscheid ist: Er wendet sich eindeutig gegen Whistleblower, obwohl die Sportwelt in ihrem Anti-Doping-Kampf nichts dringlicher braucht als Insider, die über verbotene Praktiken auspacken. Die meisten großen Doping-Skandale der jüngeren Vergangenheit wurden von Kronzeugen wie Stepanowa ausgelöst. Im Fall des Team Telekoms im Radsport sagte ein Masseur von Jan Ullrich und Co. aus. Der Balco-Skandal in den USA kam ins Rollen, weil ein Leichtathletik-Trainer der amerikanischen Anti-Doping-Agentur ein bis dahin noch nicht nachweisbares Designer-Steroid zukommen ließ.

"Der Entscheid des IOC ist ein großer Rückschritt für saubere Athletinnen und Athleten wie auch für Whistleblower. Sie werden sich betrogen vorkommen müssen", sagte deshalb auch der oberste Doping- Fahnder der Schweiz, Matthias Kamber. "Es wird nun für eine nationale Anti-Doping-Agentur noch schwieriger werden, eine konsequente und glaubhafte Dopingbekämpfung aufrechtzuerhalten und zu begründen."

Bei der deutschen Anti-Doping-Agentur NADA sieht man das genauso. "Die Entscheidung, Julia Stepanowa das Startrecht für Rio zu verwehren, schwächt das Whistleblower-System", heißt es in einer Stellungnahme. Nur der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes hatte sich gleich am Sonntag hinter das IOC gestellt. "Sie hat selbst klar gegen die Regeln verstoßen. Insofern verstehe ich, dass das IOC sagt, eine russische Athletin mit Doping-Vergangenheit kann nicht starten", meinte Alfons Hörmann.

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