Staus in den Ferien Per Stop-and-go in den Sommerurlaub

BONN · Anfang Juli rollt die Ferienreisewelle auf den deutschen Autobahnen an. NRW ist Stauland Nummer eins - auch wegen der vielen Baustellen.

Sommerzeit ist Ferienzeit: Für den Verkehr auf Deutschlands Autobahnen bedeutet dies eine besonders hohe Belastung, gerade an den Wochenenden. Kilometerlange Staus sind die Folge. Allein im vergangenen Jahr staute es sich auf den deutschen Autobahnen insgesamt auf rund 830.000 Kilometer, im Jahr davor waren es gerade einmal 595.000 Kilometern. Vor allem in den Sommerferien kommen zahlreiche Kilometer in dieser Statistik hinzu.

Warum staut es sich im Sommer besonders?

In den Monaten Juli bis September, in denen die einzelnen Bundesländer Sommerferien haben, treffen zwei Stauverursacher aufeinander: der Reiseverkehr und die Baustellen, die auch während der Reisezeit für Behinderungen sorgen. "Viele Baustellen werden zwar während der Ferienzeit zurückgefahren, Dauerbaustellen lassen sich aber nicht so einfach abbauen", sagt Michael Schreckenberg, Stauforscher und Physikprofessor an der Universität Duisburg-Essen.

Warum tauchen gerade im Sommer viele neue Baustellen auf?

"Der Sommer ist aufgrund der Witterung die ideale Bauzeit", sagt Verkehrsingenieur Jürgen Berlitz vom ADAC. Im Winter seien viele Arbeiten schlichtweg nicht möglich. "Da überlagern sich die Baustellen leider auch mit der Ferienzeit", sagt Berlitz. Einzelne Baustellen werden auch ganz bewusst in diese Zeit gelegt - beispielsweise bei Pendlerstrecken, auf denen im Sommer weniger Verkehr erwartet wird als außerhalb der Urlaubszeit. "Tagesbaustellen sollten an Zeiten durchgeführt werden, an denen kein Hauptreiseverkehr läuft", betont Berlitz.

Ist Nordrhein-Westfalen besonders betroffen von Staus, Baustellen und Reiseverkehr?

"NRW ist Stauland Nummer eins", sagt Roman Suthold, Leiter Verkehr und Umwelt des ADAC Nordrhein. Im Schnitt werden in Deutschland ein Drittel der Staus durch Baustellen verursacht, ein weiteres Drittel durch Unfälle, das letzte Drittel durch hohes Reiseaufkommen. "In NRW werden aber etwa 50 Prozent der Staus durch Baustellen verursacht", zitiert Suthold eine Untersuchung der TU Bochum. Das liegt vor allem am hohen Sanierungsbedarf. "Ist eine Straße stark belastet, wird sie stark geschädigt. Sanierungen werden nötig und somit auch Baustellen", sagt Berlitz.

Wird sich die Stauproblematik in NRW in den nächsten Jahren etwas bessern?

Nein, sind sich alle Experten einig. Grund dafür sind vor allem die Brückensanierungen. "Wir werden in den nächsten Jahren noch wesentlich mehr Baustellen haben, da die Brücken jetzt nach 40 oder 50 Jahren in Betrieb dringend saniert werden müssen", sagt Schreckenberg. Gerade Bonn wird unter den Brückensanierungen leiden. "Brücken sind ohnehin schon ein Nadelöhr. Wird dann aber noch zusätzlich gebaut, staut es sich sofort", so Suthold. Dass viele Baustellen auch sehr kurzfristig zu Behinderungen führen können, zeigte zuletzt die Sperrung der Leverkusener Rheinbrücke auf der Autobahn 1 für alle Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen. "Hier musste kurzfristig reagiert werden. Das passiert häufig an vielen Stellen gleichzeitig", betont ADAC-Verkehrsingenieur Jürgen Berlitz.

Warum dauern einige Baustellen mehrere Jahre?

Gerade bei längeren Abschnitten dauern die Arbeiten oft mehrere Jahre, da auch hier im Winter nicht durchgehend gearbeitet werden kann. "Es gibt aber auch Baustellen, wo die Öffentlichkeit genauer hinschaut", sagt Schreckenberg. So sei der Ausbau des Autobahnkreuzes Duisburg-Süd direkt vor seiner Haustür seit zwei Jahren überfällig. "Oft ist es möglich, auch kürzere Zeiten einzuhalten, wenn der öffentliche Druck groß genug ist", so der Stauforscher.

Wäre eine Privatisierung von Baustellen eine Möglichkeit, Arbeiten zu beschleunigen?

Der Ausbau der Autobahn 1 zwischen Bremen und Hamburg wurde einem privaten Konsortium übertragen. 30 Jahre lang läuft der Vertrag. In dieser Zeit hat sich das Konsortium um Sanierungen zu kümmern. "Niedersachsen ist damit aber ziemlich auf die Nase gefallen, für das Land hat sich dies nicht gerechnet", sagt Schreckenberg. Außerdem, so ergänzt Berlitz, sei die Verkehrsbeeinträchtigung auch hier natürlich vorhanden gewesen. "Die können halt auch nicht zaubern", so Berlitz.

Gibt es für Autofahrer Strategien, Staus zu vermeiden?

Gerade in der Ferienzeit sollten Autofahrer zu verkehrsarmen Zeiten reisen, also nach Möglichkeit nicht freitags oder samstags. "Wenn der Fahrer fit und nachtsichtfähig ist, sollte er in der Nacht reisen", empfiehlt Schreckenberg. Auch bei der Hotelbuchung sollte geprüft werden, ob eine Anreise nicht sonntags oder unter der Woche möglich sei. Eine Übernachtung sollte auf längeren Strecken ebenfalls eingeplant werden. "Vielleicht lernt man so auch Gegenden kennen, die man nicht auf der Agenda hatte. Zwölf Stunden am Steuer braucht wirklich keiner", sagt der Physikprofessor.

Sollte man seinem Navigationsgerät bei Ausweichrouten trauen?

Droht ein Stau auf der Urlaubsstrecke, rät das Navi häufig zum Ausweichen auf eine Nebenstrecke. Doch dabei ist Vorsicht geboten. "Wir empfehlen grundsätzlich, auf der Autobahn zu bleiben", sagt Otto Saalmann vom ADAC. Viele Autofahrer nutzen die gleiche Technik und bekommen so die gleichen Ausweichrouten angeboten. "Die Nebenstrecken sind meist nicht ausreichend ausgebaut", ergänzt Schreckenberg. Nur bei einer Vollsperrung sollte die Autobahn verlassen werden.

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