Trauer, Kämpfe und viele Fragen nach dem Absturz von MH17

Donezk/Den Haag · Die Aufklärung des mutmaßlichen Abschusses der malaysischen Passagiermaschine im Bürgerkriegsgebiet in der Ostukraine ist Detektivarbeit unter Extrembedingungen. Das Blutvergießen dort geht unvermindert weiter.

 Ein bewaffneter Separatist bewacht die Leichensäcke am Unglücksort im Osten der Ukraine. Foto: Igor Kovalenko

Ein bewaffneter Separatist bewacht die Leichensäcke am Unglücksort im Osten der Ukraine. Foto: Igor Kovalenko

Foto: DPA

Eine Woche nach dem mutmaßlichen Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine mit fast 300 Menschen an Bord laufen die Ermittlungen zu den Hintergründen der Tragödie international an. Allerdings gelten vor allem die schwer bewaffneten prorussischen Milizen weiter als Behinderung für die Arbeiten am Absturzort. Die Hinterbliebenen können nun endlich darauf hoffen, die Leichen der Opfer in Empfang zu nehmen. Aber es bleiben viele offene Fragen - zur Lage im Konfliktgebiet Ostukraine, zur gefährlichen Arbeit der Ermittler und zum Bürgerkrieg selbst:

Wie ist die Situation in der ostukrainischen Stadt Charkow?

Nach einer kurzen Trauerzeremonie sind die ersten Opfer des Absturzes von Charkow aus zur Identifizierung nach Eindhoven geflogen worden. Aber anders als von der ukrainischen Regierung mitgeteilt, waren wohl doch nicht alle sterblichen Überreste zuvor mit einem Zug in die von Regierungseinheiten kontrollierte Millionenstadt gebracht worden. Falls gerichtsmedizinische Arbeiten in Charkow nötig sind, ist die Stadt vorbereitet: Internationale Experten haben dort ein eigenes Zentrum eingerichtet. Die größten Hotels der Stadt stellen kostenfrei insgesamt 300 Zimmer für Angehörige und Hinterbliebene zur Verfügung.

Welche Lage bietet sich am Absturzort in der Nähe von Donezk?

Ungeachtet der Ermittlungen von ausländischen Experten gehen in der Region die Kämpfe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und den prorussischen Separatisten weiter. Die Aufständischen schossen dabei am Mittwoch erneut zwei Kampfjets der ukrainischen Luftwaffe ab. Bei Grabowo, der Absturzstelle der Boeing 777-200, liegen noch immer Trümmer weit verstreut in der Landschaft. Die Aufständischen teilten mit, dass auch noch 16 der insgesamt 298 Leichen dort nicht geborgen seien. Nun würden Experten erwartet, um sich um die letzten Opfer der Tragödie zu kümmern. Am Montag hatte es noch geheißen, die Bergung der Toten und der Leichenteile sei abgeschlossen.

Wie geht es nun mit den Ermittlungen weiter?

Der nationale Sicherheitsrat der Niederlande hat inzwischen auf Bitte der Ukraine die Untersuchung der Absturzursache von Flug MH17 übernommen. Zu dem internationalen Team gehören derzeit 24 Experten aus acht Ländern, darunter auch Deutschland und Russland sowie der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO). Zugang zur Absturzstelle haben die Fachleute nach eigenen Angaben noch nicht - derzeit gebe es schlichtweg keine Garantie für ihre Sicherheit. Die Absturzstelle wird von gewaltbereiten und schwer bewaffneten prorussischen Separatisten kontrolliert. Die ukrainische Führung wirft ihnen vor, gezielt Beweise zu zerstören. Die federführenden Niederländer gehen dennoch davon aus, ausreichend Informationen sammeln zu können. Die Flugschreiber der Boeing der Malaysia Airlines werden zur Zeit in Großbritannien ausgewertet. Erste Ergebnisse erwartet der niederländische Rat in einigen Wochen.

Kooperieren die ukrainischen Behörden mit den Ermittlern?

Die Ukraine wirft den Separatisten weiter vor, das Flugzeug abgeschossen zu haben und die Ermittlungen massiv zu behindern. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat erklärt, dass es umfängliche Beweise für die Schuld der Milizen gebe. Veröffentlicht oder von unabhängiger Seite bewertet sind sie aber nicht. Die unter anderem vom Kiewer Geheimdienst SBU präsentierten Dokumente gelten als widersprüchlich. In einem kurz nach dem Abschuss veröffentlichten Gesprächsmitschnitt des ukrainischen Geheimdienstes SBU wird Tschernuchino als Absturzort nördlich der eigentlichen Stelle bei Grabowo genannt. US-Satellitenaufnahmen und Vertreter des Innenministeriums in Kiew gaben das vermeintlich von den Separatisten genutzte Luftabwehrsystem "Buk" bei Sneschnoje an, südlich von Grabowo. Zugleich veröffentlichte der SBU ein Foto eines ukrainischen "Buk"-Systems vom März und behauptete, es handele sich um eine von Russland dorthin gelieferte Anlage. Der Geheimdienst verzögert Medien in Kiew zufolge auch die Herausgabe von Aufzeichnungen des Funkverkehrs zwischen ukrainischen Fluglotsen und den Piloten der Boeing.

Mit welchem Geld finanziert die klamme Ukraine den Bürgerkrieg?

Die vor dem Staatsbankrott stehende Ex-Sowjetrepublik hält sich dank internationaler Hilfskredite über Wasser. Kremlchef Wladimir Putin wirft Kiew vor, für Reformen gedachte Gelder des Internationalen Währungsfonds (IWF) für den Bürgerkrieg auszugeben. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bestätigte das indirekt, indem er sagte, dass er auch deshalb kein Kriegsrecht für die Ostukraine verhänge, weil dann kein Hilfsgeld mehr fließe. Finanzminister Alexander Schlapak bezifferte die Kosten der "Anti-Terror-Operation" auf rund 1,5 Milliarden Griwna (etwa 94 Millionen Euro) pro Monat. Auch die Bevölkerung hat seit März mehr als acht Millionen Euro für den Kampf gegen die Separatisten gespendet.

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