Flugschreiber von MH17 "Intakt, wenn auch etwas beschädigt"

MOSKAU/KIEW · Der Zustand der Flugschreiber sei gut, sagte Oberst Mohamed Sakri vom malaysischen Sicherheitsrat. "Sie sind intakt, wenn auch etwas beschädigt". Am Dienstag hat Rebellenführer Alexander Borodai einer Delegation aus Malaysia in Donezk die zwei Flugschreiber der am Donnerstag über dem Kampfgebiet in der Ostukraine abgeschossenen Maschine der Malaysian Airlines übergeben.

 Ein malaysischer Experte prüft eine Black Box des über der Ostukraine abgeschossenen Flugzeugs der Air Malaysia.

Ein malaysischer Experte prüft eine Black Box des über der Ostukraine abgeschossenen Flugzeugs der Air Malaysia.

Foto: dpa

Zuvor gab es tagelanges Tauziehen um die beiden orangefarbenen Stahlbehälter. Die Separatisten verweigerten OSZE-Beobachtern zeitweise den Zugang zur Absturzzone, ließen die Öffentlichkeit im Unklaren, ob sie die Flugschreiber geborgen hätten. Die ukrainische Seite warf ihnen deshalb vor, die Kontrollgeräte nach Russland schaffen und die Beweise vor Ort verwischen zu wollen.

Die sterblichen Reste der 298 Opfer wurden am Dienstag in einem Zug aus dem Rebellengebiet nach Charkow transportiert. Der russische Präsident Wladimir Putin versicherte in Moskau, Russland werde seinen Einfluss bei den Separatisten geltend machen, um eine vollwertige Untersuchung der Absturzstelle zu ermöglichen.

Viele Beobachter glauben, die Rebellen seien auf Weisung Moskaus kooperativer geworden. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten Russland mit neuen Sanktionen gedroht, falls bis Dienstagabend kein freier Zugang zum Absturzfeld geschaffen werde. Die Rebellen behaupteten derweil, die Ukrainer hätten am Dienstag eine Straßensperre nur 30 Kilometer vom Absturzort entfernt mit Raketen beschossen, obwohl Präsident Petro Poroschenko für die Absturzzone eine Waffenruhe ausgerufen hatte.

Der britische Militärexperte Reed Foster bestätigte nach Auswertung mehrerer Fotos der Washington Post von Wrackteilen einen Raketenabschuss. Laut Foster explodierte 100 bis 300 Meter von dem Flugzeug entfernt wahrscheinlich eine S-11-Rakete, deren Splitter den Rumpf der Maschine durchbohrten.

Solche S-11-Raketen werden in der Regel gegen Kampfflugzeuge eingesetzt und aus Buk-Raketensystemen abgeschossen. Aber wer die S-11 abgefeuert hat, bleibt offen. Russische Zeitungen verbreiteten am Dienstag eine neue Version des Verteidigungsministeriums, nach der ein ukrainisches SU-Kampfflugzeug kurz vor dem Abschuss in drei bis fünf Kilometer Entfernung von der malaysischen Maschine vom russischen Radar erfasst worden sei. Später hätte der ukrainische Düsenjäger über der Absturzstelle gekreuzt.

Außerdem zeigte das Verteidigungsministerium Luftaufnahmen ukrainischer Buk-Raketenstellungen bei Donezk und Lugansk, in deren Reichweite die Passagiermaschine geflogen sei. US-Präsident Barack Obama hatte zuvor erklärt, den USA lägen Beweise vor, das Flugzeug sei vom Rebellengebiet aus mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden. Allerdings veröffentlichten die Amerikaner bisher keine Satellitenfotos.

Die Experten wollen jetzt Trümmer und Leichen untersuchen sowie die Flugschreiber auswerten. Aber es ist fraglich, ob diese mehr Aufschluss über die Raketenschützen geben können. 2001 fixierte der Flugschreiber einer russischen Tu-154-Passagiermaschine, die ukrainische Truppen aus Versehen über dem Schwarzen Meer abgeschossen hatten, nur noch ratlose Worte des Piloten: "Wo hat es uns getroffen?"

Während das Rätselraten um die Verantwortlichen für den Abschuss von MH17 weitergeht, bläst Kiew zur Verstärkung für den Bürgerkrieg. Zu Zehntausenden sollen junge Männer und Reservisten in den blutigen Kampf ziehen gegen die prorussischen Separatisten. Eine bisher beispiellose Teilmobilmachung läuft. Es gehe um den Schutz der Unabhängigkeit der Ukraine, erklärt Präsident Petro Poroschenko zu seinem landesweiten Einberufungserlass. Mehr als zehn Millionen Männer gibt es in den betroffenen Altersstufen bis 60 Jahre.

Poroschenko, vereidigt Anfang Juni, war angetreten mit dem Versprechen, dem Land Frieden zu bringen. Nun setzt er weiter auf Waffen. Die blutigen Kämpfe in den Regionen Donezk und Lugansk gehen weiter - ungeachtet der Arbeit von Spezialisten, die im Konfliktgebiet den Absturz der Boeing 777-200 vom vergangenen Donnerstag aufklären wollen.

Auch im März und im Mai hatte es Einberufungen gegeben. Doch frühere Versuche, die männliche Bevölkerung zum Kampf zu zwingen, scheiterten auch daran, dass viele Männer sich freikauften. Zwischen 350 und mehr als 1000 Euro sollen Offiziere in Wehrkreisersatzämtern für eine Zurückstellung kassieren.

Zwar kämpfen in der Nationalgarde und Privatbataillonen von Oligarchen Freiwillige. Der Zustand der Armee gilt aber als erbärmlich. Viele Soldaten klagen sogar über Mangel an Wasser, Nahrung und vor allem über schlechte Kampfausrüstung. Vielfach fehlen Schutzwesten. Aktivisten berichten, dass vieles von Privatinitiativen gesammelt und unter Lebensgefahr an die Front gebracht werde. ga/dpa

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