Europawahl Diese Auswirkungen hat die EU auf das Leben in der Region

BONN · Brüssel ist weit weg, heißt es oft. Wirklich? Die europäische Politik ist oft sehr viel näher, als es zuweilen den Anschein hat - und hat ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben in unserer Region. Einige davon stellt der GA auf dieser Seite vor.

Projektförderung: Auf vielen Wegen zwischen Bonn, Alfter, Bornheim, Niederkassel, Troisdorf und Sankt Augustin sind in den vergangenen Monaten Betonplatten eingelassen worden - und sind damit das sichtbarste Element des "Grünen C", mit dem Freiräume der sechs Kommunen verbunden werden sollten, an dessen Sinnhaftigkeit aber auch heftige Kritik geübt wurde.

Dass Pfeile manchmal in falsche Richtungen, zumindest in ungewöhnliche zeigen, veranlasste einen GA-Leser jüngst zu dem Vorschlag: "Vielleicht bringt man auch Schilder mit 'Brüssel' an, um zu zeigen, wer diesen Irrsinn finanziell unterstützt." Da wären wir schon wieder bei der EU. Das Grüne C ist zwar Teil des NRW-Strukturprogramms "Regionale 2010", doch die EU fördert das Projekt, das laut Bezirksregierung 22,2 Millionen Euro kostet, zur Hälfte. Den Rest teilen sich Land (4), Bund (2,6) und die Kommunen (4,5 Millionen).

Direktförderung: Die Kommunen ziehen aber auch direkt finanzielle Vorteile aus der Europäischen Union. Allein in den Jahren 2007 bis 2013 flossen einschließlich der Landesmittel, die an die Gelder der EU gebunden waren, rund 51 Millionen Euro in die Bonner Stadtkasse. Profitiert haben davon die Wirtschaft, der Arbeitsmarkt und die Wissenschaft.

Förderung des Konferenzstandortes: Der Internationale Standort Bonn wurde gefestigt vor allem durch international tätige Organisationen, die sich in Bonn angesiedelt haben, und die Etablierung renommierter Konferenzreihen. Die "Bonner Perspektiven", das "Bonner Symposium" der Stiftung Entwicklung und Frieden sowie die Förderung von 61 internationalen Konferenzen mit rund 23 000 Teilnehmern wurden durch Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erst möglich. Das treibt den Handel an, da die Konferenzteilnehmer in Bonn einkaufen gehen. Gleiches gilt für die Übernachtungszahlen in Bonn und der Region. Die Umwegrentabilität, also die mit den Konferenzen indirekt verbundenen Einnahmen in Bonn, betragen geschätzt mehr als 13 Millionen Euro.

Arbeitsplätze in Bonn: Die Verbindungen Bonns zur EU stehen gleichzeitig auch für Arbeitsplätze. Durch die international tätigen Organisationen wurden in den vergangenen sechs Jahren rund 100 Arbeitsplätze hier geschaffen. Im Zusammenhang mit der EU insgesamt sind es in Bonn zusätzlich noch rund 300 Arbeitsplätze. Hier steht das EU-Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit 100 Arbeitsplätzen an der Spitze der verschiedenen EU-Büros sowie der Kontakt- und Anlaufstellen.

Hochschulförderung: Doch Europa steht auch für den internationalen Austausch. Beispielsweise über das Erasmus-Programm kooperiert die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn mit rund 280 europäischen Partnerhochschulen. Bis zu 450 Bonner Studierende absolvieren jährlich ein Studium oder Praktikum im Ausland. 280 ausländische Studenten kommen im Gegenzug nach Bonn. Aber auch finanziell profitiert die Bonner Universität durch EU-Fördermittel. Im vergangenen Jahr flossen 8,7 Millionen Euro aus EU-Quellen in die Forschungstöpfe der Universität. "Ohne Europa wäre eine solche Universität nicht denkbar", sagt Rektor Jürgen Fohrmann.

Ausschreibungs- und Vergabepraxis: Was aus Sicht der Bonner Uni positiv wirkt, sehen Johanniter, Malteser und Rotkreuzler im Rhein-Sieg-Kreis ganz anders. Sie befürchten, dass die europaweite Ausschreibung der Rettungsdienst-Leistungen zu Arbeitsplatzabbau, Dumpinglöhnen und dem Absinken der Arbeitsqualität führen könnte.

Europa als Totengräber eines qualitativ hochwertigen Rettungsdienstes? Dagegen haben 250 Mitarbeiter der Hilfsorganisationen Ende März in Siegburg demonstriert. Der Kreis sieht dieses Szenario allerdings nicht. "Wir glauben, dass es auch weiterhin einen hochwertigen Rettungsdienst gibt", sagt Kreisdirektorin Annerose Heinze. Zu der europaweiten Ausschreibung sei der Kreis verpflichtet gewesen, nachdem ein Rettungsdienstbedarfsplan beschlossen worden sei. "Wir haben Europa, und wir haben den Binnenmarkt. Die Rechtslage ist eben so, dass der Rettungsdienst ausgeschrieben werden muss", erläutert Heinze.

Möglicherweise ändert sich an dem Verfahren in einigen Jahren wieder etwas, denn das EU-Parlament hat eine Bereichsausnahme auf den Weg gebracht. Die hat zur Folge, dass die Notfallrettung nicht unter das europäische Vergaberecht fällt. Doch erst dann, wenn die Bundesrepublik dem zugestimmt und die Länder ihre Rettungsgesetze angepasst haben. "Das kann noch zwei bis drei Jahre dauern", sagt Heinze. Und solange hätte der Rhein-Sieg-Kreis nicht warten können. Wegen Verzögerungen im Verfahren habe man ohnehin schon eine "Vergaberüge" erhalten, fügt Heinze hinzu. All das zeigt: Europa ist manchmal ganz schön kompliziert. Manches erscheint allerdings recht einfach. Beispielhaft dafür steht ein bestimmtes Gemüse.

Regionale Spezialitäten: Einen Namen in Brüssel hat sich die Stadt Bornheim gemacht, genauer gesagt der Bornheimer Spargel. Seit März dieses Jahres ist das weiße Gold aus dem Vorgebirge im EU-Register für regionale Spezialitäten eingetragen und gilt als geschützte geografische Angabe. Nur Spargel, der entsprechend der bei der EU eingetragenen Beschreibung in der Bornheimer Region linksrheinisch zwischen Wesseling und Bonn angebaut wurde, darf künftig als Bornheimer Spargel verkauft werden. Damit steht der hiesige Asparagus officinalis, so der lateinische Name des Gemüses, auf einer Schutzstufe mit Produkten wie dem Parmesankäse, dem Parmaschinken oder dem Champagner.

Über acht Jahre hat das Bemühen der Schutzgemeinschaft Bornheimer Spargel, zu der zwölf lokale Spargelanbauer gehören, gedauert, diesen EU-Schutz zu erhalten. In ganz Nordrhein-Westfalen stehen nun elf regionale Spezialitäten unter dem Schutzmantel der Europäischen Union, dazu gehören die Aachener Printen ebenso wie das Kölsch.

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