Gewinner des ESC-Vorentscheid "Das Publikum hat sich verknallt" - Elaiza und das Wahlvolk

Köln · Es kommt immer anders als man denkt: Eine unbekannte Berliner Band hat beim deutschen ESC-Vorentscheid den Favoriten Unheilig gestürzt und fährt nun nach Kopenhagen.

Noch bei der nächtlichen Pressekonferenz kullerten Elaiza-Frontfrau Ela (21) die Tränen über die Wangen. Geradezu fassungslos rief sie immer wieder "Danke, danke, danke!" ins Mikro. "Ich kann gar nicht aufhören, mich zu bedanken!" Nur zu verständlich, denn dass sich das völlig unbekannte Frauen-Trio im deutschen ESC-Vorentscheid gegen den großen Favoriten Unheilig durchgesetzt hatte, war nun wirklich überraschend. Am 10. Mai wird die Berliner Band in Kopenhagen für Deutschland singen.

Das Ergebnis im Schlussdurchgang des Vorentscheids war recht knapp: 55 Prozent der insgesamt fast zwei Millionen Anrufer und SMS-Sender votierten für "Is It Right" von Elaiza, 45 Prozent für Unheilig mit "Geboren um zu leben". Wären Elaiza nicht als letzter von insgesamt acht Bewerbern mit in den Vorentscheid gerutscht, hätte Unheilig mit seinem Frontmann Der Graf ohne Zweifel haushoch gewonnen. Wie aber haben die drei Frauen den Favoritensturz geschafft?

"Unheilig hat schlicht und einfach darunter gelitten, dass da plötzlich so'n Frauen-Trio kam, in das sich das Publikum aufs Anhieblichste verknallte", lautet die Analyse des altgedienten ESC-Experten Jan Feddersen. Inga Fransson vom Rock & Pop-Museum in Gronau meint: "Man sieht jetzt: Es zählt tatsächlich nicht die Prominenz. Die Leute haben den Song und den Gesamtauftritt bewertet und meiner Meinung nach genau den richtigen Song ausgewählt." Unergründliche Schwarmintelligenz des Fernseh-Wahlvolkes!

"Is It Right" geht sofort ins Ohr, und darauf kommt es an. Gleichzeitig hat es etwas von handgemachter Musik in kleiner, gemütlicher Runde. Auffällig ist der stampfende Polka-Rhythmus. Elas Bandkollegin Yvonne (29) spielt Akkordeon, Natalie (28) ist am Kontrabass. Da mag unterschwellig so was wie Heimatgefühl aufkommen. Stichwort: Neo-Folklore. Die Experten kennen den Sound: "Diese neue Volksmusik-Bewegung, die gibt es schon seit einigen Jahren", sagt Feddersen. "Die Musik, die Elaiza spielen, die hört man in den Metropolenzentren von Berlin und Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Das ist überhaupt nicht so überraschend!"

Natürlich schadet es auch nicht, dass die drei Musikerinnen sympathisch unverstellt wirken. Aufgedreht, aber nicht überdreht. Kein bisschen durchformatiert. In der Kölner Lanxess-Arena legten sie eine gute Show hin, ohne ihren Auftritt zu überladen.

Bleibt die Frage, ob die drei auch bei einem internationalen Publikum ankommen. Letztlich geht es ja doch um "Germany twelve points, l'Allemagne douze points". Inga Fransson meint: "Ich glaube nicht, dass sie unter die letzten Plätze fallen, da müsste ich mich schon sehr täuschen." Ähnlich Feddersen: "Ich glaube nicht, dass sie schlecht abschneiden werden." Wobei er wie der ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber davor warnt, sie nun gleich in eine Favoritenrolle zu drängen. "Das wäre wieder typisch deutscher Größenwahn!"

Dass Ela in der Ukraine geboren ist und ihre Kindheit in Polen verbracht hat, dürfte nach Meinung der beiden Kenner dagegen kaum eine Rolle spielen. Es gilt als ehernes ESC-Gesetz, dass jeder Teilnehmer für die Zuschauer aller anderen Länder ein unbeschriebenes Blatt ist. Fransson meint zudem: "Diese Blickrichtung Ukraine/Russland - ich glaube der Eurovision Song Contest ist losgelöst von dem Politischen." Musik allein bringt die Welt nicht weiter.

Besser als der 21. Platz vom letzten Jahr dürfte es allemal werden. Und selbst wenn: Derzeit hat es den Anschein, dass sich die Elaiza-Frauen über alles freuen können. "Wir haben Fanpost bekommen", jubelt Ela im dpa-Interview. "Das gab es noch nie."

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