Freiburg vor "schlimmer Woche" - Streich plant Neuaufbau

Freiburg · Freiburgs Trainer Christian Streich wollte seine bemerkenswerte Contenance gerade erklären, da übermannten ihn doch noch die Tränen.

 Christian Streich bemühte sich lange, die Fassung zu bewahren. Foto: Peter Steffen

Christian Streich bemühte sich lange, die Fassung zu bewahren. Foto: Peter Steffen

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"Die Fassungslosigkeit und die Trauer kommen nie in diesem Moment. Das wird eine schlimme, schlimme Woche. Weil du alles durchgehst...", referierte der 49-Jährige, ehe ein heftiges Schluchzen seine Ausführungen zum bitteren vierten Bundesliga-Abstieg des Sportclubs unterbrach.

Bis zu diesem Moment bewahrte der langjährige SC-Trainer am Samstagabend die Haltung. Gefasst und zuversichtlich wirkte Streich, als er seine völlig aufgelösten Spieler nach dem Abpfiff in den Arm nahm. Während aus der Kabine von Hannover 96 nach dem 2:1 (1:0) über den Abstiegskonkurrenten Jubelschreie drangen und die heimischen Fans das Team nach dem geglückten Klassenverbleib lautstark in der Arena feierten, herrschte in der Gästekabine großes Schweigen, die totale Leere.

Am späten Abend empfingen rund 30 Fans den Absteiger bei seiner Ankunft am Schwarzwald-Stadion mit Applaus. Doch auch am nächsten Morgen blieben die Köpfe der Profis gesenkt. Mit blauen Müllsäcken für ihre Sportsachen verabschiedeten sie sich nach einer letzten Besprechung in den Urlaub oder zu ihren Nationalmannschaften. "Ich habe nur wenig geschlafen", sagte Mittelfeldspieler Mike Frantz.

Torwart Roman Bürki, der seine rot unterlaufenen Augen am Vorabend noch hinter einem Trikot verborgen hatte, erklärte: "Wenn es eine Stadt nicht verdient hat, dann ist es Freiburg." Der Schweizer hat einen Vertrag für Liga zwei, steht nach einer starken Saison aber auf dem Wunschzettel anderer Vereine. "Im Moment gehe ich davon aus, dass ich mit dem SC Freiburg ins Training starte", sagte er.

Zumindest Sportvorstand Jochen Saier versuchte etwas Zuversicht auszustrahlen. "Wir werden jetzt alles dransetzen, wieder eine gute Mannschaft zusammenzustellen und natürlich den Wiederaufstieg anzupeilen", kündigte er an. Ein großer Umbruch sei allerdings unvermeidbar, prognostizierte Streich. "Das ist nicht so wie in anderen Vereinen, wo dann irgendwelche Leute kommen und die Millionen hineinschütten", sagte er.

Nach einer "total grotesken Saison" überwog bei ihm und seinem Team das Gefühl, einen völlig unnötigen Abstieg hingelegt zu haben. "In den ganzen Jahren, wo wir gegen den Abstieg gekämpft haben, war es eigentlich fast in dieser Saison am wenigsten extrem schwierig, das zu schaffen", resümierte Streich und fügte gleich das größte Manko hinzu: "Die einen sagen: Zu viel liegen gelassen!"

Zwölf Punkte in sechs Spielen hat der SC 2014/15 kurz vor Schluss hergeschenkt. Mit diesen Zählern auf dem Konto hätte der Sportclub die Saison in Reichweite zu den Europa-Rängen beschlossen, nun müssen die Breisgauer angesichts von Platz 17 in Liga zwei. Wie schon 1997, 2002 und 2005. Obwohl der kleine Schwarzwald-Club noch vor dem brisanten letzten Spieltag in der Fußball-Bundesliga vergleichsweise gute Aussichten hatte.

"Da ist einiges zusammengekommen in dieser Saison, aber wir kommen wieder zurück", versprach Präsident Fritz Keller nach der sechsten und vorerst letzten Erstliga-Saison nacheinander. Bei Streich blitzte in diesem bitteren Moment nochmal der Fußball-Philosoph durch. "Der Verein ist ein kleiner Verein, aber ein großer in seinem Wesen. Wir werden wieder zurückkommen und so versuchen Fußball zu spielen, dass die Leute eine Freude haben in Freiburg", versicherte er. Die große Liebe zu seinem Verein - in all den Jahren stets sein Markenzeichen.

An der Mission Wiederaufstieg wird Streich aller Voraussicht nach wieder mitwirken. Entrüstet reagierte er auf Fragen, ob er den Club womöglich vorzeitig verlasse. "Ich habe dem Verein so viel zu verdanken. Wie sollte ich jetzt hingehen und sagen: Ich höre auf. Das ist unglaublich", kommentierte der Coach, der beim SC einen langfristigen Vertrag hat.

Beim anvisierten sofortigen Wiederaufstieg dürfte er die größte Stütze sein. Als "Zauberer" bezeichnete ihn Fußball-Idol Franz Beckenbauer. Mit den "mäßigsten Begebenheiten" bilde er Spieler aus. "Wenn ich einem den Wiederaufstieg wünsche, und ihn auch für realistisch halte, dann ist das der SC Freiburg."

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