Alibi statt Doping-Kampfansage im Profi-Fußball

Berlin · Glaubwürdigkeit im Anti-Doping-Kampf sieht anders aus. Die groß angekündigte Einführung von Bluttests im deutschen Fußball ist zum Alibi geschrumpft.

 Auch im Fußball könnte es in absehbarer Zeit Blutkontrollen geben. Foto: Hannibal

Auch im Fußball könnte es in absehbarer Zeit Blutkontrollen geben. Foto: Hannibal

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Bei der Kontrollpremiere in der Bundesliga werden bei nur 15 Prozent der 500 vertraglich vereinbarten Tests Blutproben genommen. Das bestätigte die Nationale Antidoping Agentur (NADA) der Nachrichtenagentur dpa.

"Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Zahl ausreichend ist. Den Betrag, der für die Tests zur Verfügung steht, bestimmt der DFB, wie dieser eingesetzt wird, ist Sache der NADA. Wir stehen als Partner jederzeit zur Verfügung", sagte NADA-Vorstand Lars Mortsiefer zum Vertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund.

Mortsiefer betonte zwar: "Es ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Es trägt zur Glaubwürdigkeit im Anti-Doping-Kampf des Fußballs bei." Die Zahlen sprechen jedoch eine klare Sprache. Nur 75 Blutproben werden vorgenommen. Diese verteilen sich auf alle Teams aus Bundesliga, 2. Liga sowie die A-Nationalmannschaft und alle Juniorenteams des DFB. Im Schnitt muss jeder der 36 Profivereine also mit weniger als zwei Besuchen der NADA-Tester rechnen, bei denen auch Bluttests vorgenommen werden. Alle anderen Kontrollen sind Urinproben.

Blutkontrollen wird es zudem nur im Trainingsbetrieb geben. Nach den Spielen behält der DFB seine Praxis mit Urinproben bei. 1700 wurden davon in der Vorsaison in allen Ligen bis hinunter in den Amateurbereich vorgenommen. Die gleiche Anzahl ist für dieses Jahr avisiert. In der Leichtathletik wurden die deutschen Sportler im Jahr 2012 von der NADA im Training 1461 Mal getestet und damit fast dreimal mehr als künftig die Fußballer.

Bei der 50-Jahr-Feier der Bundesliga feierte sich die Deutsche Fußball Liga gemeinsam mit dem DFB in dieser Woche auch als ökonomische Erfolgsgeschichte. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert sprach erst kürzlich öffentlich von Gesamterlösen von 2,5 Milliarden Euro.

Klar ist: Doping wäre ein erheblicher Makel für das auch international bewunderte Geschäftsmodell. Welche Summe sich der DFB und somit auch die Profivereine die neuen NADA-Tests kosten lassen, wurde vom gut situierten Fußball-Verband bislang nicht publik gemacht. Für die verhältnismäßig geringe Anzahl an Bluttests fühlt man sich auch nicht verantwortlich, da die NADA die Anzahl bestimmt. Diese kann aber nur über das vom DFB bestimmte Budget verfügen. Eine Blutkontrolle kostet etwa 300 Euro.

Blutkontrollen wurden von der NADA in Disziplinen wie Leichtathletik und Radsport bereits vor mehr als zwei Jahren eingeführt. "Und jetzt führen wir Blutkontrollen in den Mannschaftssportarten ein", sagte Mortsiefer. Der DFB verweist auf eine kontinuierliche Steigerung der Urintests seit der Einführung 1988. Damals wurden 128 Proben genommen, im Jahr 2000 waren es 636.

Die Dopingdebatte hält die Bundesliga zum Beginn der 51. Spielzeit kräftig in Atem. Aufgerüttelt durch die Doping-Studie der Humboldt Universität und der Universität Münster, die den deutschen Fußball und speziell das WM-Team von 1966 unter Verdacht stellt, wird das lange tabuisierte Thema intensiv diskutiert.

Nach Franz Beckenbauer und Uwe Seeler trat auch Wolfgang Overath als Mitglied des 66er-Kaders den Vorwürfen entschieden entgegen. "Ich hatte überhaupt keine Vorstellung, es hat sich überhaupt keiner mit Doping beschäftigt und deshalb finde ich es besonders schlimm, dass heute einfach pauschal und anonym gesagt wird: Da wurde 1966 gedopt", betonte der Kölner im Deutschlandradio Kultur. Ein Fußballer habe sich nicht mit Doping beschäftigt, sagte Overath. Und: "Ich glaube und hoffe, dass es heute genau so ist."

Unterstützung bekamen die deutschen Fußballer von der FIFA. Keine der 1966 vorgenommen Proben sei positiv gewesen, teilte der Weltverband mit. Dies gehe aus den offiziellen Protokollen des WM-Turniers aus dem Frühjahr 1967 hervor.

In der Öffentlichkeit wird der Fußball kritisch wahrgenommen. 54 Prozent halten Doping in der Bundesliga für wahrscheinlich; weitere 24 Prozent sind sich sogar ganz sicher, dass in der höchsten deutschen Spielklasse mit illegalen leistungsfördernden Mitteln gearbeitet wird. Das ergab eine repräsentative N24-Emnid-Umfrage unter etwa 1000 Befragten. Nur für 17 Prozent ist Doping in der Bundesliga unwahrscheinlich, ganze drei Prozent halten es für ausgeschlossen.

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