GA-Interview mit Verteidiger des 1. FC Köln Das sagt Jonas Hector vor der WM in Russland

EPPAN · Mit der Nationalmannschaft bereitet sich Jonas Hector aktuell auf die Weltmeisterschaft in Russland vor. Im GA-Interview spricht der Kölner Nationalspieler über seinen Verein, die WM und filigrane Tore.

 Mit Vollgas Richtung Russland: Jonas Hector hat sich mit dem DFB-Team die Titelverteidigung fest vorgenommen.

Mit Vollgas Richtung Russland: Jonas Hector hat sich mit dem DFB-Team die Titelverteidigung fest vorgenommen.

Foto: imago/Schüler

Am Sonntag haben die Kollegen der Nationalmannschaft Jonas Hector ein Ständchen gesungen. Der Kölner hatte Geburtstag. 28 Jahre alt ist er geworden. Und Hector stand im Mittelpunkt. Eine Situation, die er nicht sonderlich schätzt. Doch auch mit seiner Vertragsverlängerung beim 1. FC Köln bis 2023 hat er für Aufsehen gesorgt. Mit dem WM-Fahrer hat sich Guido Hain unterhalten.

Herr Hector, eine Schätzfrage: Welcher deutsche Spieler hat die meisten Länderspiele seit dem Titelgewinn in Brasilien?

Jonas Hector: Gut, wenn ich hier sitze, dann bin ich wohl in der Verlosung. Könnte bei mir sogar hinkommen, so viele habe ich ja nicht verpasst.

Exakt. Sie haben 36, Thomas Müller 34 absolviert. Spüren Sie, dass sie jetzt zum festen Stamm der Nationalmannschaft gehören?

Hector: Ein Stück weit schon. Ich bin natürlich froh, dass ich immer wieder eingeladen werde und meine Spiele bekomme. Es ist immer noch ein Erlebnis, wenn man nominiert wird. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit.

Die WM ist Ihr zweites großes Turnier. Trauen Sie sich schon eine Führungsrolle zu?

Hector: Vom Mannschaftsgefüge her gibt's ja schon einige, die wirklich die Führungsrolle innehaben. Natürlich kann ich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Gerade den Jüngeren auch Tipps geben.

Mit welchen Erwartungen reisen Sie nach Russland?

Hector: Wenn man als deutsche Mannschaft zu einem großen Turnier fährt, ist es doch normal, dass man erwartet, mit dem Titel nach Hause zu kommen. Das ist schon unser zugegeben hochgestecktes Ziel. Definitiv. Und genauso gehen wir das ganze auch an.

Der Bundestrainer fordert von den Außenverteidigern, häufig vorn mit reinzustoßen. Beim 1. FC Köln spielen Sie dagegen defensiver. Fällt Ihnen die Umstellung schwer?

Hector: In Köln ist es ja so, dass wir in der Bundesliga oftmals weniger Ballbesitz hatten. Beim FC ist es nicht üblich, dass ich gefühlt 80 Prozent meines Spiels an der Strafraumkante des Gegners stehe. In der Nationalmannschaft spiele ich anders, aber das macht Spaß, ich beteilige mich gerne an Abschlussaktionen.

Sie haben am Ende der nicht so erfreulichen Saison für den FC ein persönliches Highlight gelandet mit einem sensationellen Tor. War der Heber gegen Wolfsburg Intuition. Oder trainieren Sie so etwas?

Hector: Der Treffer ist eher aus dem Gefühl heraus entstanden. Er war auch ein bisschen der Situation geschuldet, dass wir in dem Moment nicht mehr den großen Druck hatten. Da macht man dann solche Dinger wahrscheinlicher, als wenn ein Spiel oder eine Saison auf des Messers Schneide steht. Unter dem Druck des Siegenmüssens denkt man vielleicht pragmatischer und würde die Aktion nicht so filigran abschließen.

Es war sicherlich eines der schönsten Tore Ihrer Karriere.

Hector: Das kann man so sagen.

Haben Ihr Kurzurlaub und die ersten Tage hier in Südtirol gereicht, um den Fokus auf das Turnier zu lenken? Oder ist nach dem Abstieg immer noch Frust dabei?

Hector: Nein, nicht mehr. Es war ja nicht der letzte Spieltag, der ausschlaggebend war für den Abstieg. Der stand ja schon zwei Wochen vorher fest, und abgezeichnet hatte er sich schon früher. Deswegen konnten wir uns darauf einstellen. Mir war klar, das ich nach meinem Urlaub mental einen Haken setzen und den Blick ganz auf das Turnier richten muss.

Was haben Sie unternommen, um den Kopf freizubekommen?

Hector: Ich bin weggefahren in die Sonne, raus aus Deutschland, habe ein bisschen entspannt und versucht, nicht an Fußball zu denken. Ich hatte meine Freundin um mich. Das hat mir alles sehr gutgetan.

Und das Ambiente hier in Südtirol hilft auch ein wenig?

Hector: (schmunzelt) Ja, uns geht's so schlecht nicht hier.

War es für Sie ein längerer Prozess der Entscheidungsfindung, in Köln zu bleiben?

Hector: Nein, das ging schnell bei mir. Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, was passiert wenn. Aber die Entscheidung ist relativ früh gefallen.

War Bundestrainer Joachim Löw involviert. Haben Sie sich mal ausgetauscht?

Hector: Nein, das ist nicht passiert.

Hatten Sie keine Bedenken, dass der Gang in die 2. Liga Ihren Platz in der Nationalmannschaft gefährden könnte?

Hector: Natürlich habe ich das einfließen lassen in die Entscheidungsfindung. Und es kann durchaus passieren, dass mir gesagt wird: ,Du spielst jetzt nicht auf dem Niveau, auf dem wir dich sehen möchten'. Das wäre ja auch nachvollziehbar, dass ein Trainer so denkt. Bei der Entscheidung ging es mir aber darum, was ich will und was meine Freundin und meine Familie wollen.

Was hat Sie bewogen, in Köln zu bleiben?

Hector: Dass ich mich einfach wohl fühle im Verein und in der Stadt. Dass ich glücklich bin.

Haben Sie die positive Resonanz wahrgenommen, die Ihre Entscheidung nach sich zog?

Hector: Ja, in der Stadt habe ich das mitbekommen. Auch hier in der Nationalmannschaft sind einige aus dem Betreuerstab gekommen und haben gesagt, dass sie die Entscheidung gut finden. Ich habe viele Nachrichten bekommen, die durchweg positiv waren.

Im kommenden Jahr findet kein großes Turnier statt. Haben Sie gedacht, das Jahr in der 2. Liga kompensieren zu können, ohne in der Nationalmannschaft zu sehr ins Hintertreffen zu geraten?

Hector: Nein, diese Tatsache habe ich nicht einbezogen. Natürlich war das eine katastrophale Saison für uns, aber es spricht ja nichts dagegen, dass wir jetzt wieder eine gute Saison spielen und den Weg in die 1. Liga zurückgehen.

Haben Sie als Führungsspieler beim FC Wünsche, die Sie äußern?

Hector: Ich glaube, die Verantwortlichen wissen, was zu tun ist. Es ist nicht meine Aufgabe, Wünsche zu äußern oder Ansprüche zu stellen.

Vielleicht gibt es ja doch irgendwelche unentdeckten Talente in Ihrem Heimatort Auersmacher, die Sie empfehlen können.

Hector: (schmunzelt) Ja, vielleicht. Dann muss ich da mal nachhorchen.

Der FC gilt als Aufstiegskandidat Nummer 1. Sehen Sie das auch so?

Hector: Der Aufstieg ist kein Selbstläufer. Deshalb müssen wir das jetzt sehr seriös angehen. Wir haben mit Markus Anfang einen Trainer, der die Liga kennt. Und dann werden wir mal sehen, dass wir alles gut über die Bühne bekommen.

Hatten Sie schon Kontakt zum neuen Trainer Markus Anfang?

Hector: Nein, noch nicht. Aber das wird sich in der Vorbereitung schon ergeben. Es geht ja auch darum zu klären, wie mein Urlaub aussieht nach der WM. Wann der sein wird, wie lange der gehen soll.

Joachim Löw muss noch vier Spieler für die WM streichen. Spüren Sie den Konkurrenzkampf?

Hector: Man merkt, dass jeder Vollgas gibt, dass jeder 100 Prozent in jede Einheit reingeht. Daran merkt man, dass es einen Konkurrenzkampf gibt. Aber es gibt keine Reibereien und im Training wird nicht getreten. Jeder versucht, durch Leistung aufzufallen.

Drei von vier Titelverteidigern sind bei den vergangenen Turnieren schon in der Vorrunde ausgeschieden. Bereitet Ihnen das Sorge?

Hector: Wir müssen von Beginn an konzentriert sein und jedes Spiel schon in der Vorrunde so angehen, als wäre es ein Finale. In den K.o.-Spielen ist ja sowieso klar: gewinnen oder heimfahren.

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