Kommentar zu Brasiliens WM-Sieg gegen Mexiko So wird man Weltmeister

Meinung | Bonn · Brasilien bot im Achtelfinale der Fußball-WM beim 2:0-Sieg gegen Mexiko eine reife Leistung. Brasilien ist reif für den sechsten Titelgewinn, findet GA-Sportredakteur Berthold Mertes. Keineswegs nur wegen Superstar Neymar.

Über sieben Zeilen hinweg zog FOX Sport Brazil sein „Hahaha…“-Gelächter zum deutschen Ausscheiden nach dem 0:2 gegen Südkorea. Die Zeilenzahl: vermutlich kein Zufall. Denn die Menschen im Lande des Rekordweltmeisters haben einen ausgeprägten Hang nicht nur zu großen Gefühlen, sondern auch zur Selbstironie. Wie der Kneipenwirt in Rio, der seinen Gästen für jeden Umfaller von Superstar Neymar einen Schnaps spendiert – nach der WM ist er mutmaßlich pleite.

Nicht Schadenfreude war das vorherrschende Gefühl, das die Spieler des fünfmaligen Titelgewinners nach dem deutschen WM-Aus ergriff – am liebsten hätten die Brasilianer schließlich das 1:7 aus dem 2014er Halbfinale gegen Deutschland in Russland im direkten Vergleich wettgemacht. Vielmehr war es die letzte Lektion, die ihnen auf dem Weg zum Top-Titelkandidaten dieser WM neben Frankreich noch gefehlt hat. Aufs Neue lernten sie die notwendige Demut und den erforderlichen Respekt vor den weiteren Aufgaben auf dem Weg zum sechsten Stern auf ihrer Brust.

Brasiliens Sieg gegen Mexiko war bodenständig herausgespielt. Geprägt von der Erkenntnis, dass kein Spiel zu gewinnen ist, nur weil man ein bestimmtes Trikot trägt. Deutschland sei dafür ein sehr gutes Beispiel, hatte vorher einer gesagt, der ein großer Stabilisator im Teamgefüge ist: Casemiro.

Die Brasilianer spielen unter Nationaltrainer Tite so gänzlich anders, als Superstar Neymar sich schon bei der geringsten Berührung durch einen Gegenspiele gebärdet. Nämlich ohne Theatralik. Überlegt, nüchtern. Sie stehen kompakt. Beweisen eine größere taktische Variationsbreite als zu Zeiten, als das langsamere Spiel eleganten Spielgestaltern wie Zico oder Socrates mehr an Tiefe des Raumes bot. Der Kombinationsfußball der Südamerikaner wirkt zielorientierter als reines Tiki-taka. Und Neymar hat die Klasse für jene Einzelaktionen, die so oft Spiele entscheiden.

Rennen können alle, verteidigen sowieso – und das Ganze mindestens über 90 Minuten, manchmal auch über 120. Die Spezies der fußballerischen Zwerge, die den Ball weiter stoppten, als sie ihn schießen konnten, sie ist ausgestorben. Brasilien hat sein Spiel erfolgreich daran angepasst. So wird man Weltmeister.

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