Kommentar zu Oliver Bierhoff und Mesut Özil Passendes Bauernopfer

Meinung | Bonn · Die Führungsebene des DFB hat die Causa Özil/Gündogan unterschätzt und dann tot geschwiegen. Nun tritt Manager Oliver Bierhoff in die Öffentlichkeit und kritisiert Mesut Özil - ein passendes Bauernopfer, findet GA-Redakteur Guido Hain.

Nach allem, was man über den Fußball weiß, sind es in erster Linie die Spieler, die für Sieg oder Niederlage verantwortlich sind. Es geht vor allem um den Mannschaftsgeist, der für das eine oder das andere verantwortlich ist. Nach allem, was man seit einigen Wochen über den deutschen Fußball weiß, sollte bei der Bewertung des historischen Scheiterns der Nationalmannschaft in Russland jedoch einer einzelnen übergeordneten Person deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Oliver Bierhoff, als DFB-Direktor ein Medien- und Darstellungsprofi, hat jetzt verstoßen gegen die Grundsätze des Miteinanders im Mannschaftssport. Natürlich gehe es nicht darum „einzelne Spieler oder Mitarbeiter an den Pranger zu stellen“, hat der 50-Jährige zwar gerade in einem Interview gesagt. Um genau diesen Satz ad absurdum zu führen. Er präsentierte Mesut Özil nach seinem wochenlangen Stillschweigen in der Erdogan-Affäre als Sündenbock. Neuerdings findet Herr Bierhoff, dass es wohl besser gewesen wäre, „sportlich auf ihn zu verzichten“. Ja, was denn nun?

Bierhoff gilt als kluger Mann, was nur einen Schluss zulässt. Er wusste genau, was er da so von sich gab. In den ganzen Aufräumarbeiten nach dem Russland-Desaster will er ablenken von eigenen Unzulänglichkeiten (im Fall Özil/Gündogan, bei der Quartierwahl Watutinki). Vor allem aber will er die Flucht nach vorn antreten und seinen Stand als starker Mann der Nationalmannschaft bewahren.

Dabei waren es er und seine Mitstreiter aus der Führungsebene des DFB, die die Causa Özil/Gündogan zunächst unterschätzten, dann totzuschweigen versuchten, letztlich aber keinen Lösungsansatz boten. Sinn ergeben hätte nur, vor dem Turnier eine klare Haltung zu zeigen. Wenn die Grundwerte des DFB mit dem Erdogan-Besuch nicht zu vereinbaren gewesen wären, dann hätte man die beiden Profis mit türkischen Wurzeln erst gar nicht mit zu dem Turnier nehmen dürfen. Die Lawine des Lamentierens und Lavierens hat auch Bierhoff losgetreten.

Mit seinen Aussagen schiebt der Ex-Nationalspieler Özil nun in eine Öffentlichkeit, die in dem Nationalspieler ohnehin das Sinnbild des deutschen Scheiterns vermuten. Vielleicht hofft er auch, dass der Londoner sich nun erst recht unerwünscht fühlt und von sich aus seinen Rücktritt anbietet. Das würde Bierhoff und dem DFB bei der Aufarbeitung des sportlichen Misserfolges sehr gelegen kommen. Als passendes Bauernopfer.

Bierhoff, so scheint es, ist schon längst kein Teamplayer mehr. Seinem Ziel, als starker Mann aus den Trümmern hervorzugehen, ist er damit aber vielleicht nähergekommen.

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