WM 2018 Große Enttäuschung nach Auftakt der DFB-Elf

Moskau · Dass es auf dem Weg zum Finale nach Moskau besonders leicht werden würde, hat niemand angenommen. Dennoch schmerzt der Auftakt der deutschen Mannschaft in Russland.

 Die deutsche Mannschaft verlässt nach dem Spiel gegen Mexiko den Platz.

Die deutsche Mannschaft verlässt nach dem Spiel gegen Mexiko den Platz.

Foto: dpa

Nicht einmal Thomas Müller war zum Scherzen zumute. Das übliche breite Grinsen zur ernsten Grimasse verzogen. So wie sich die Münchner Frohnatur offenbar gefühlt hat, war es auch um den Gemütszustand der übrigen Nationalspieler an diesem besorgniserregenden Sonntagabend in Moskau bestellt. „Geknickt und enttäuscht“ seien jetzt erstmal alle, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Seine Mannschaft hatte nur Minuten zuvor eine Partie verloren, die eigentlich Selbstvertrauen für ein Turnier geben sollte, an dessen Ende die WM-Titelverteidigung stehen sollte. Nichts anderes. Das 0:1 (0:1) im WM-Auftaktspiel gegen Mexiko, das zuvor als härtester Gruppengegner ausgemacht worden war, sendete ein Botschaft – aber eine andere als vermutet und erhofft.

Dass es auf dem Weg zum Finale nach Moskau besonders leicht werden würde, hatte zwar keiner im Kreis des DFB angenommen. Dass die Aufgabe aber durch eine Leistung erschwert wird, die Anlass zur Sorge gibt, das hatten die deutschen Chefplaner so nicht in ihr Auftragsbüchlein geschrieben. "Das ist jetzt natürlich schon ein Zeichen“, sagte dann auch Teammanager Oliver Bierhoff, „dass es hier unheimlich schwer ist." Es war eine zwar etwas unerwartete Niederlage in einem wilden Spiel gegen hartnäckige und unnachgiebige Mexikaner – in dieser Form jedoch mit der zuletzt gezeigten Konteranfälligkeit passte sie ins Muster.

„Jetzt müssen wir gewinnen“, stellte der Bundestrainer ebenso bekümmert fest. Und Müller zog eine Rechnung heran, die allen Umstehenden im Bauch des riesigen Luschniki-Stadions ins Moskau sofort nachvollziehen konnten. Jetzt habe man statt möglicherweise vier K.o.-Spielen „eben zwei mehr“, sagte er ohne Rührung. Schon am Samstag gegen Schweden in Sotschi „stehen wir den Druck“, stellte Real-Star Toni Kroos fest. „Wir müssen sechs Punkte holen."

Das hatte der Auftritt der deutschen Mannschaft über sehr weite Strecken auch geradezu herausgefordert. Nach einer halben Stunde schon nahm Joachim Löw die Hände, die er lange tief in beide Hosentaschen gesteckt hatte, heraus. Er winkte aufgeregt an der Seitenlinie und schickte die Ersatzspieler zum Warmlaufen. Das war ein Zeichen. Ein Zeichen an jene elf Spieler, die Gefahr liefen auf dem rutschigen Boden vollkommen den Halt zu verlieren. Immer wieder waren die Mexikaner ausgeschwärmt wie hungrige Hornissen in die deutsche Hälfte. Sie deckten eben jene Schwächen der DFB-Elf auf, die schon vor dem Turnier ausgemacht worden waren.

Die Deutschen, auf Spielkontrolle bedacht, liefen bei Ballverlusten nur hinterher. Und die gab es reichlich. Sami Khedira, der Routinier, konnte sich davon am allerwenigsten freisprechen. So stand der nicht gerade als Abwehrfachmann bekannte Mesut Özil am Ende einer Fehlerkette, die beim früheren Stuttgarter begann – und die sich rächen sollte. Er verlor den Ball weit in der gegnerischen Hälfte, Mats Hummels rutschte weg. Und der rasende Hirving Lozano ließ nach einem Pass des früheren Leverkuseners Chicharito Özil stehen wie beim Schulhofskick. Ein trockener Schuss. Manuel Neuer, der zuvor einige Male ernsthaft eingreifen musste, war machtlos – 0:1 (35.). Das Tor war typisch für das Geschehen auf dem Rasen. Zwar setzte Joshua Kimmich, der eigentlich an Özils Stelle verteidigen sollte, nach vorn viele Akzente. Seine rechte Abwehrseite aber war zu oft die Bühne für rasante mexikanische Angriffe. Fast jeder Konter wurde zu einer Bedrohung. Selbst Abwehrchef Jerome Boateng, der häufig noch zur Stelle war und noch Schlimmeres verhinderte war die Verwirrung über so viel mexikanische Beinfreiheit noch nach dem Schlusspfiff anzumerken. Er sagte, bezogen auf die Kommunikationsfähigkeit seine Mitstreiter: „Da laufen einem im Rücken die Gegner weg – und keiner sagt was.

Dringende Verbesserungen nötig

Besonders der mexikanische Torschütze Lozano war auf kaum einzufangen. Kimmich hatte große Probleme, war aber zumindest nach vorn einer der Aktivposten. Auf der linken Seite von Marvin Plattenhardt, der für den grippekranken Kölner Jonas Hector in der Startelf stand, herrschte so viel Verkehr wie an einem autofreien Sonntag. Nichts lief. Das Passspiel der Deutschen hätte einer dringenden Nachjustierung bedurft. „Ich habe gedacht, wir würden über unsere Pässe zur Ruhe kommen, aber wir haben die Linie verloren“, sagte Bierhoff ernüchtert, „Warum, weiß ich auch nicht.“

Nur zweimal kamen die Deutschen einem Treffer wirklich nah vor dem Wechsel. Zunächst übersah Timo Werner den deutlich besser postierten und freistehenden Julian Draxler (20.). Dann zirkelte Toni Kroos einen Freistoß feinfühlig an die Latte, da waren schon fast vierzig Minuten gespielt. Die zweite Hälfte brachte keine umwerfenden Neuigkeiten. Die emsigen Mexikaner verteidigten konsequent und verlegten sich auf Konter. Ein Durchkommen durch das feinmaschige Netz stellte eine Herausforderung dar, die an diesem Abend für das DFB-Team nicht zu schaffen war. Erst ganz zum Schluss wurde es zwingender. Der eingewechselte Leverkusener Julian Brandt verzog hauchdünn. Wenn wir nicht über die Qualität kommen können so wie heute, dann müssen wir über die Mentalität kommen“, sagte Kimmich. „Das haben wir nicht geschafft.“

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