Kommentar zu Joachim Löw Der Bundestrainer muss liefern

Meinung | Bonn · Bundestrainer Joachim Löw bleibt der deutschen Nationalmannschaft erhalten. Doch ein einfaches "Ja" wird nicht reichen, die Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. "Tief greifende Maßnahmen" sind nötig, findet GA-Redakteur Guido Hain.

In Südtirol, als die Sonne noch kräftig schien über der Nationalmannschaft, sah man einen Bundestrainer, der seine leicht entrückte Präsenz gerne zur Schau stellte. Breite Schultern unter dem engen T-Shirt, kräftiger Bizeps. Das jahrelange Krafttraining hat seine Wirkung nicht verfehlt. Joachim Löw mag dieses Bild als Feldherr auf dem Fußballplatz von sich, das der Welt zeigen soll: Hier geht's jemandem gut. Mit meiner Hilfe kann der Nationalmannschaft nichts passieren. In den Tagen von Russland hat dieses Bild tiefe Kratzer bekommen. Löw kam nach dem WM-Aus daher wie zu Beginn seiner Trainertätigkeit – mit hängenden Schultern und Stutzen.

In all den Jahren des Erfolgs hatte Löw diesen Löw längst hinter sich gelassen. Doch Russland kramte ihn wieder hervor. Und nicht jeder im Fußballvolk ist sich nun sicher, dass dieser schwer geschlagene Mann so viel Kraft aufbringen kann für einen Neuanfang auf höchstem Level. Diese Frage, den Status hat sich der 58-Jährige erarbeitet, durfte er selbst beantworteten. Der DFB machte in dieser Causa keine gute Figur. Der Verband überließ die Deutungshoheit einer einzelnen Person, erwies sich als handlungsunfähig.

Löw musste wohl nicht lange überlegen. Zu sehr schätzt er seinen Job und die damit verbundenen Annehmlichkeiten. Er macht weiter. Man kann jedoch nur hoffen: nicht einfach so. Denn, keine Frage, der Mann aus Baden hat Fehler gemacht in Russland: spieltaktische vor allem. Zudem hat er mit der Schonung der Weltmeister zu lange Bewährtes bewahrt. Auch seine Distanz zum Geschehen auf dem Rasen war offensichtlich. Aber gibt es Alternativen zu Löw?

Seine Entscheidung wurde wohl auch von der Stimmung im Land gelenkt. Ein Proteststurm gegen ihn nach dem kläglichen WM-Auftritt war jedenfalls nicht zu vernehmen. Seine Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist ihm wichtig. Seine altgedienten Spieler haben ihn zudem bestärkt, was nicht viel heißen muss, denn die Spieler dürften sicher geahnt haben, dass es nicht im Interesse ihrer Karriere liegt, den Trainer zu hinterfragen, wenn der denn bleibt. Ein schmaler Grat des Vertrauens.

Löw seinerseits weiß: sein einfaches Ja wird nicht reichen, um die Nationalmannschaft wieder auf Kurs zu bringen. „Tief greifende Maßnahmen“ hatte er selbst für unumgänglich gehalten. Diese beinhalten weniger die wünschenswerte Entschlackung dieses riesigen DFB-Apparates mit seinem Trainerteam, den überzähligen Spezialtrainern, den Scoutingexperten. Es betrifft vor allem den Spielerkader, der sich in Russland als nicht tauglich erwies.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort