DFB-Pressesprecher Zeit, dass sich was dreht

SANTO ANDRÉ · Bodo Illgner war ein sehr ordentlicher Schüler. Ein guter Zweier-Schnitt stand auf seinem Abi-Zeugnis. Schwarz auf weiß. Doch nicht nur die Nationalmannschaft profitierte von dem früheren Kölner, der beim WM-Titelgewinn 1990 im deutschen Tor stand. Hans-Ulrich Voigt verdankte ihm sogar den Einstieg in seine berufliche Karriere. Der Journalist, von allen nur Uli gerufen, unterrichtete einst als Referendar am Hardtberg-Gymnasium in Bonn.

 "Herbergsvater": Pressesprecher Uli Voigt vor dem WM-Quartier der deutschen Mannschaft in Santo André.

"Herbergsvater": Pressesprecher Uli Voigt vor dem WM-Quartier der deutschen Mannschaft in Santo André.

Foto: ga

Einer seiner Schüler war: Illgner. Lektionen in Französisch gab er dem talentierten Torwart. Im Gegenzug gab Illgner Voigt ein Interview. Das schlug ein in der Medien-Landschaft. Und war für Voigt der Beginn einer Karriere, die ihn ebenfalls bis in die Nationalmannschaft führen sollte.

Heute koordiniert der Bonner beim DFB als Pressesprecher die Zusammenarbeit mit den elektronischen Medien (Fernsehen/Hörfunk). Seit 2005 ist der Verband sein Arbeitgeber. Trotz einer gewissen Routine - eines hat sich der 61-Jährige erhalten: seine Neugier. Sie war es auch, die sein Bewusstsein für den Job als Journalist schärfte. Seine erste Neugier stillte er bei Video Bonn, dem Stadtfernsehen - "für 30 Mark den Beitrag".

Nach einer kurzen beruflichen Orientierungsphase, Mitte der 1980er Jahre arbeitete er ein Jahr für die Bundestags-Vizepräsidentin Annemarie Renger, schlug er endgültig die Journalistenlaufbahn ein. Er blieb dabei. Bis heute. Nach Stationen bei Sat1 als Reporter für Fußball und Tennis (1986 bis 1999) und im Team von Sky/Premiere (1999/2000) arbeitete er fünf Jahre als Fußballchef von RTL, ehe 2005 der Deutsche Fußball-Bund rief. Der Ruf muss laut gewesen sein, denn Voigt war gerade auf dem Berg. Beim Skifahren. Er ließ den Anruf von Oliver Bierhoff, dem DFB-Manager, kurz nachhallen, dann gab er sein Okay. "Ich fand die Vorstellung gut", sagt Voigt. Vielleicht dachte er auch schon in diesem Augenblick an die Erfüllung seines Traumes: einmal die deutsche Spielerkabine zu betreten. Er erfüllte ihn sich.

Der Gang in das Spieler-Heiligtum ist für ihn heute noch so aufregend wie das Topfschlagen auf dem Kindergeburtstag. Dort hineinzugehen, davor habe er "jetzt noch Hemmungen". Eine Aussage, die zeigt: Voigt ist Fußballer, durch und durch, ein Besessener - im positiven Sinn. Er ist da keineswegs wählerisch.

Ob Brüser Berg oder Brasilien - für den Bonner ist nur eines wesentlich: Hauptsache, der Ball rollt. Zeit, dass sich was dreht - so könnte das Credo lauten bei einem wie ihn, der das Verweilen im Stillstand schlicht ablehnt. Der Mythos Kabine ist für ihn eigentlich kein Mythos, trotz seiner ewig jungen Aufgeregtheit. "Die Kabinen sind wie in der Kreisliga", sagt Voigt. "nur größer. Und es gibt einen Whirlpool", sagt er. Und schmunzelt.

In der Kreisliga kennt sich Voigt ohnehin bestens aus. Trotz seiner 61 Jahre kann er nicht lassen vom Fußball. Er steigt jetzt wieder ein. In der Kreisliga D, beim 1. SF Brüser Berg, dritte Mannschaft. Mit Kumpels und Bekannten. Die Alten Herren seien ihm zu ernst. Und außerdem: "Ich will mich ja bewegen." Selbst die Sprüche über sein nicht mehr ganz zartes Fußballer-Alter stören ihn kaum.

"Die meisten Jungs akzeptieren mich." Und wenn doch mal einer übers Ziel hinausschießt? Voigt, selbst nie um einen krachenden Spruch verlegen, kontert geschickt. Der Sport dient ihm als Ventil. Dort kann er auch mal Druck ablassen. Selbst in diesen Tagen in Brasilien hält es ihn - in den raren freien Minuten - nicht auf dem Liegestuhl am Pool. Er joggt regelmäßig, meistens in aller Herrgottsfrüh am Strand. Kickt mit den DFB-Mitstreitern.

Voigt kickt auch daheim, ein Mal die Woche auf dem Kunstrasenplatz am Kölner Geißbockheim. Doch der frühere Oberliga-Stürmer (VfL Hamm, SV Remagen), der auch lange Jahre für den 1. FC Godesberg spielte, hat nicht nur auf dem Platz das richtige Gefühl. Sein Näschen gilt in Kollegenkreisen als legendär. So war er es, dem 1998 (gemeinsam mit einem Kollegen) eine vielbeachtete journalistische Leistung gelang.

Als bei der WM 1998 in Frankreich der Polizist Daniel Nivel in Lens von deutschen Hooligans zusammengetreten wurde, ging Voigt der Sache - damals bei RTL beschäftigt - in Kreisen des DFB nach. Er traf Egidius Braun in einem Hotel und rang dem damaligen Präsidenten ein Statement zu den Vorkommnissen ab. Braun kündigte an, die Mannschaft von dem Turnier zurückziehen zu wollen (es kam nicht dazu). Dennoch: Dieser Satz war geladen mit Sprengstoff. "Und wir", sagt Voigt, "waren die einzigen Journalisten, die bei Braun waren."

Er ist eben immer auf Achse. Zwischen seinem Arbeitsort Frankfurt und Bonn, er wohnt in Poppelsdorf, pendelt Voigt. Täglich. "Bonn ist eben eine sehr schöne Stadt", sagt er. Dort fühlt sich der in Borne bei Magdeburg geborene Uli Voigt pudelwohl. Dort kann er kicken, nach Lust und Laune. Mit seinen Kumpels. Beim SF Brüser Berg.

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