Vorbereitung aufs Finale Schotten dicht im Campo Bahia

SANTO ANDRÉ · Die Entschlossenheit hat keine Spur nachgelassen. Zwei Tage vor dem Duell mit Argentinien hat Bundestrainer Joachim Löw am Donnerstag die Schotten im Basislager der deutschen Nationalmannschaft dicht gemacht und das Campo Bahia zur Wagenburg erklärt.

Die letzte der obligatorischen Pressekonferenzen findet heute in Santo André statt - ohne Löw. Wenig später setzt der DFB-Tross letztmals mit der Fähre über den Rio João de Tiba, um eine halbe Stunde Busfahrt und eineinhalb Flugstunden später dann am Ziel seiner Träume zu landen: in Rio de Janeiro, ziemlich genau 48 Stunden vor dem Anpfiff zum Finale der 20. Fußball-WM.

"Europa gegen Südamerika - eine reizvolle Konstellation. Argentinien ist defensiv stark, kompakt und gut organisiert", ließ Löw wissen, nachdem er mit der Mannschaft das zweite Halbfinalspiel auf einer Großleinwand im Basiscamp verfolgt hatte. "In der Offensive haben die Argentinier überragende Spieler wie Messi und Higuain", sagte der 54-Jährige, versprach den deutschen Fans aber: "Wir werden uns gut vorbereiten." Gemeinsam mit Chefscout Urs Siegenthaler wird Löw seinem Team alles Wissenswerte über die "Albiceleste" vermitteln.

Gestern durften die Journalisten noch 20 Minuten beim Training zuschauen, danach war Sendeschluss. Keine Interviews, aber auch keinen Besuch mehr: Am Vormittag durften die Familien-Angehörigen letztmals ins Campo Bahia, dann wurde das deutsche Quartier bis zur Abreise an die Copacabana heute Nachmittag abgeriegelt. Nichts soll die Konzentration auf das Finale gegen Maradonas Erben stören. Die Elf um den Weltstar hatte 1986 in Mexiko mit 3:2 gegen Deutschland ihren zweiten WM-Titel gewonnen. Vier Jahre später revanchierte sich die DFB-Auswahl in Rom mit dem 1:0-Finalsieg durch ein Elfmetertor von Andreas Brehme. Beide Nationen sind seitdem ohne WM-Titel.

Assistent Hansi Flick vertrat gestern einmal mehr den Bundestrainer bei der Pressekonferenz. "Die Spieler trainieren individuell. Je nachdem, was der Einzelne braucht", erklärte Flick: "Einige auf dem Bike, andere auf dem Trainingsplatz." Die Regeneration steht im Vordergrund - kein Wunder nach sechs kräfteraubenden WM-Spielen. Das siebte wird das voraussichtlich intensivste. Nur auf der offiziellen Pressekonferenz am Tag vor dem Endspiel im Fußball-Tempel Maracanã wird sich Joachim Löw noch einmal öffentlich äußern.

Gegenüber Finalgegner Argentinien, der in der Runde der letzten Vier einen Tag später ranmusste und 120 Spielminuten plus Elfmeterschießen zu verkraften hat, genießen die Deutschen einen kleinen Vorteil: "Ein Tag mehr Pause tut uns gut", sagte Flick: "Die Spieler schätzen es, einen Tag mehr zur Verfügung zu haben." Vor allem dürfte Mats Hummels froh darüber sein. Der Innenverteidiger von Borussia Dortmund war beim 7:1 gegen Brasilien zur Halbzeit ausgewechselt worden, weil er über Sehnenbeschwerden in der Kniekehle klagte. Hummels signalisierte jedoch, er sehe seinen Endspieleinsatz nicht in Gefahr.

Für die deutschen Spieler geht es darum, den schmalen Grat zwischen Lockerheit und Anspannung nicht zu verlassen, auf dem sie bislang so sicher wandeln. Zuletzt griffen alle Rädchen im Mannschaftsgefüge ineinander - von Torwart Manuel Neuer über die gefestigte Defensive und das starke Mittelfeld bis hin zum Angriff, der gegen Brasilien auf eine mehr als beeindruckende Art seine Durchschlagskraft wiedergewonnen hat.

Von Überheblichkeit ist im deutschen Spielerkreis dennoch nichts zu spüren. Am besten hatte das wieder einmal Thomas Müller direkt nach dem Brasilien-Spiel auf den Punkt gebracht. "Eintrag in die Geschichtsbücher, Gratulation. Die Favoritenrolle für das Finale werden wir wohl nicht mehr los", sagte der Torjäger und warnte im selben Atemzug: "Der Untergang des Favoriten im Finale, das geht ganz schnell."

Sein Selbstvertrauen wirkt derweil unerschütterlich. "Wir werden wieder alles raushauen müssen. Aber wir haben eine breite Brust." Aus Sicht von Mittelfeldstratege Toni Kroos hat sich durch den historischen Erfolg in der magischen Nacht von Belo Horizonte nichts geändert: "Die andere Seite hätte uns sowieso ernst genommen, auch wenn wir nur 1:0 gewonnen hätten. Wir tun das aber genauso."

Der Unterstützung der brasilianischen Zuschauer im Finale können sich die Deutschen ziemlich sicher sein. Argentinien steht bei den Fans der Seleção nämlich in puncto Beliebtheitsgrad ähnlich hoch im Kurs wie die Niederlande bei den deutschen Fußballanhängern. Großen Respekt hat sich die Löw-Elf mit ihrer grandiosen Vorstellung gegen den Gastgeber ohnehin im Land des Fußballs erspielt. "Auf dem Rückweg haben wir immer wieder Brasilianer gesehen, die uns applaudiert haben", erzählte Hansi Flick gestern über die Busfahrten in Belo Horizonte nach dem 7:1-Sieg und vom Flughafen in Porto Seguro zurück ins Basiscamp. "Es ist eine Riesengeste, zu sehen, wie fair die Brasilianer sind", sagte Flick: "Wir hoffen darauf, dass sie uns im Finale unterstützen."

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