Interview mit Manuel Neuer "Ich springe trotzdem nach links"

SANTO ANDRÉ · Manuel Neuer über ein mögliches Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Brasilien und seine Vorbereitung.

Der Hype um seine Person beeindruckt den deutschen Torwart Manuel Neuer kaum. Er will auch gegen Brasilien cool bleiben. In einer Interviewrunde mit deutschen Journalisten spricht der 28-Jährige über seine Vorbereitung auf das "Spiel der Spiele", ein mögliches Elfmeterschießen und über seine weiteren sportlichen Talente.

Herr Neuer, Sie werden in Deutschland gefeiert, weil Sie ein herausragender Torwart sind. Was kaum jemand weiß - Sie gelten auch als sehr guter Tennisspieler. Stimmt das?
Manuel Neuer: Ich habe tatsächlich bis zu meinem 14. Lebensjahr neben dem Fußball auch Tennis gespielt, sogar ganz ordentlich. Aber dann habe ich mir zum Glück das Richtige ausgesucht.

Vor vier Jahren in Südafrika haben Sie durch starkes Flugballspiel überzeugt. Tun Sie das hier auch?
Neuer: Nein, ich weiß nicht, ob es so gut wäre nach meiner gerade überstandenen Schulterverletzung. Beim Tennis gibt es so ein paar Bewegungen, die nicht ideal wären.

Was bewegt Sie mit Blick auf das bevorstehende Halbfinale?
Neuer: Ich freue mich immer extrem auf solche Spiele. Gegen Brasilien im eigenen Land, das ist im WM-Halbfinale noch mal etwas ganz Anderes. Die Atmosphäre wird grandios sein. Diese Erlebnisse saugt man auf. Ich freue mich jedenfalls auf ein Stadion, das ich nicht kenne. Ich sammle nämlich gerne Stadionpunkte.

Dürfen wir - oder vielleicht besser - müssen wir wieder mit Ihren einzigartigen Ausflügen rechnen?
Neuer: Ich habe mein Spiel ja schon im Viertelfinale angepasst und musste nicht großartige Ausflüge machen. Das ist immer situationsabhängig. Gegen Algerien war es häufiger notwendig, gegen Frankreich war mein Torwartspiel wieder mehr gefragt.

Den Hype um Ihre Person in Deutschland und Brasilien haben Sie mitbekommen?
Neuer: Ich habe es mitgekriegt, weil viele aus meinem Freundeskreis Dinge rübergeschickt haben. Ich bin nicht der Spieler, der sehr viel liest und im Internet recherchiert wie zum Beispiel Thomas Müller, der immer auf dem neuesten Informationsstand sein möchte, damit er überall mitreden kann. Ich beschäftige mich nicht großartig damit.

Wie sieht der Kontakt mit den einheimischen Moskitos aus?
Neuer: Die Moskitonetze funktionieren. Und dann gibt es ja noch dieses Anti-Brumm-Spray. Ein sehr aggressives Mittel. Das wirkt.

Das kann man von der deutschen Abwehr auch behaupten. Taktisch wird sehr großer Wert auf solide Defensive gelegt - auf Kosten des schönen Spiels. Ein wenig schade, oder?
Neuer: Aus meiner Sicht kann man Turniere nur über eine stabile und gute Defensivarbeit gewinnen. Das Viertelfinalspiel gegen Frankreich hat gezeigt, dass wir uns in dieser Hinsicht gesteigert haben. Wenn wir das beibehalten, haben wir große Chancen, ins Finale zu kommen.

Wie erwarten Sie die Brasilianer ohne Neymar?
Neuer: Für uns ist es schade, dass er nicht spielen kann. Wir wollen immer gegen die beste Elf des Gegners antreten. Dadurch, dass Neymar nicht dabei ist, wird das brasilianische Spiel nicht zu vergleichen sein mit den bisherigen Begegnungen. Es war stark auf ihn ausgelegt. Jetzt ist wieder mehr das Team der Star der Mannschaft.

Ist Teamgeist ein Schlüssel zum Erfolg?
Neuer: Sicherlich. Ich glaube, dass wir seit 2010 in dieser Hinsicht auf jeden Fall Fortschritte gemacht haben. Wenn man sieht, wie die Bank jetzt an der Außenlinie mitfiebert. Ich kann das aus meiner Position als Torwart ja eher beobachten als die Feldspieler. Keiner ist irgendwie oder irgendwann beleidigt, wenn er mal nicht spielt. Jeder ordnet sich dem Ziel unter, weil jeder weiß, dass er auch persönlich vom Mannschaftserfolg profitiert.

Fürchten Sie die sehr robuste Spielweise der Brasilianer?
Neuer: Alle Spieler tragen Schienbeinschoner. Aber im Ernst: Damit können wir umgehen. Wir hatten in diesem Turnier schon einige Fouls gegen uns und sind immer wieder aufgestanden. Wir können was aushalten.

Wie sieht Ihre mentale Vorbereitung in den letzten 48 Stunden vor dem Anpfiff aus?
Neuer: Für mich zählt immer das nächste Training. Es gibt diesen alten Spruch, der immer noch zutrifft: Wie man trainiert, so spielt man auch. Es ist die halbe Miete, wenn man sich gut fühlt. Ich brauche nicht in mich zu gehen.

Welche Bilder formen sich denn in Ihrem Kopf?
Neuer: Klar sieht man die gelben Trikots irgendwann vor sich. Aber ich denke nicht beim Mittagessen an gelbe Trikots, sondern bin sehr ruhig. Sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, ist enorm wichtig. Denn ich weiß nicht, ob wir eine Atmosphäre, wie sie uns erwartet, schon mal erlebt haben.

Bereiten Sie sich speziell auf ein mögliches Elfmeterschießen vor?
Neuer: Ich bereite mich grundsätzlich auf jeden Gegner und besonders auf dessen Standardsituationen vor.

Worauf vertrauen Sie dabei: auf Statistiken und Videos, Zettel, die Ihnen zugesteckt werden, oder mehr auf Ihre Intuition?
Neuer: Ich treffe die Entscheidung von innen heraus. Da kann man nicht nach dem Papier gehen. Wenn der Andy Köpke mir vorher sagt, dass ein bestimmter Schütze sieben Mal in die rechte Ecke geschossen hat, und ich springe trotzdem nach links, dann ist das meine Entscheidung. Das kann mir keiner abnehmen.

Zur Person

Manuel Peter Neuer, geboren am 27. März 1986 in Gelsenkirchen, steht seit 2011 beim FC Bayern München im Tor. Das Nationaltrikot hat der Ur-Schalker bislang 50 Mal getragen. Im Januar 2014 wurde Neuer zum Welt-Torhüter des Jahres gewählt. bk

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