Weltmeister Deutsches Vier-Gefühl

RIO DE JANEIRO · Das Mirakel von Maracana ist Realität, Deutschland hat den vierten Stern. Exakt um 23.37 Uhr deutscher Zeit stemmte Philipp Lahm als vierter Kapitän nach den Legenden Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus den Weltpokal in die Höhe.

Goldregen prasselte aus dem Nachthimmel von Rio de Janeiro auf die deutschen Helden nieder. Mit einer überragenden Gemeinschaftsleistung bezwang das Team von Bundestrainer Joachim Löw durch ein Tor von Mario Götze in der 112. Minute Argentinien mit 1:0 (0:0) nach Verlängerung. Löw lieferte damit acht Jahre nach seinem Amtsantritt im sein Meisterstück ab. Sein Team ist das erste aus Europa, das in Südamerika Weltmeister geworden ist.

Das deutsche Team hatte eine lange Nacht in Rio vor sich. "Wenn wir es schaffen, kommt das Feierbiest bei mir raus", hatte selbst der ansonsten so zurückhaltende Miroslav Klose angekündigt.

Als die deutschen Spieler 40 Minuten vor Spielbeginn das Spielfeld der Fußball-Kathedrale betraten, wurden sie mit "Deutschland, Deutschland"-Rufen und freundlichem Applaus empfangen. Den stimmgewaltigen, zahlenmäßig deutlich stärker vertretenen argentinischen Anhang übertönte fünf Minuten später ein erstes Pfeifkonzert. Die Sympathien der brasilianischen Zuschauer waren damit gegen den wenig geliebten Nachbarn verteilt. Die Rivalität der südamerikanischen Nachbarländer ist der zwischen Deutschland und den Niederlanden vergleichbar.

Für Veränderungen in der DFB-Startelf hatte es nach dem historischen 7:1-Halbfinalsieg gegen Brasilien keinen Grund gegeben. Fünf Minuten vor dem Anpfiff wurde Joachim Löw aber dazu gezwungen. Wegen Wadenproblemen musste Sami Khedira passen.

An seiner Stelle begann Christoph Kramer, der seine Sache an der Seite des überragenden Bastian Schweinsteiger sehr gut machte. Der 23 Jahre alte Mönchengladbacher musste jedoch bereits nach einer halben Stunde mit Verdacht auf Gehirnerschütterung verletzt vom Platz. Für Kramer kam Offensiv-Joker André Schürrle ungewollt früh.

Argentiniens Coach Alejandro Sabella hatte auf den verletzten Angel Di Maria verzichten müssen. Der Offensive des deutschen Gegners fehlte damit eine wichtige Kraft. Somit war es erwartungsgemäß vor allem Lionel Messi vorbehalten, Gefahr vor dem von Manuel Neuer sicher gehüteten deutschen Tor heraufzubeschwören. Argentiniens viermaliger Weltfußballer leitete auch die Situation ein, in der Gonzalo Higuain den Ball in die Maschen des deutschen Tores drosch (30.). Der Treffer fand jedoch wegen Abseits zurecht keine Anerkennung.

[kein Linktext vorhanden]Schürrle war nach seiner Einwechslung sofort präsent und brachte Variationsmöglichkeiten ins Spiel der DFB-Auswahl. Der Chelsea-Profi zwang Argentiniens Schlussmann Sergio Romero nach Vorarbeit von Benedikt Höwedes mit einem Rechtsschuss aus zwölf Metern zu einer Glanztat (36.). Der Angriff der Löw-Elf hatte Schwung aufgenommen, immer öfter kombinierten sich Müller & Co. nun durch die argentinischen Hinterreihen. Allein der letzte Schritt fehlte noch. Am dichtesten an der Führung war Höwedes, als er kurz vor dem Halbzeitpfiff mit einem Kopfball nach Ecke von Lahm am Pfosten scheiterte. Auf der Gegenseite war Messi über rechts bis kurz vor den Fünfmeter-Raum vorgedrungen, bevor Mats Hummels und Jérôme Boateng in höchster Not retteten (40.).

Noch 45 Minuten. Die Intensität des Spiels nimmt zu. Beide Teams kämpfen mit offenem Visier, ein Schlagabtausch. Härte kommt auf. Vor allem von argentinischer Seite. In der 57. Minute faustet Manuel Neuer den Ball vor dem heranstürmenden Higuain am Strafraumeck weg, trifft den Angreifer, der Neuer nicht kommen sah, am Kopf. Glück für die Löw-Elf, dass Schiedsrichter Nicola Rizzoli aus Italien gelassen bleibt und für Neuer entscheidet.

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Deutschland fehlt hier und da die ordnende Hand Khediras - ausgerechnet im Endspiel. Und trotzdem gibt die deutsche Offensive weiterhin Vollgas. Ständige Positionswechsel in vorderster Linie, selbst Höwedes taucht kurz in der Angriffsmitte auf. Nur am letzten Pass fehlt es. Toni Kroos (82.) schießt nach feiner Vorarbeit von Mesut Özil nur Zentimeter am rechten Pfosten vorbei.

Argentinien kaum noch in Ballbesitz. Wenn noch gefährlich, dann fast immer über Messi. Higuain, dem die Luft ausgegangen war, ist längst ausgewechselt worden. Bevor etwas anbrennt, ist immer der überragende Mats Hummels da - der Beckenbauer der Moderne. Überragend. Pokerface Löw an der Seitenlinie bleibt zumindest äußerlich ruhig. 88. Minute: Er bringt Mario Götze an Stelle von Miroslav Klose, der unglaubliche Laufwege hinter sich gebracht hat.

[kein Linktext vorhanden]Verlängerung. Keine Atempause. Schürrle setzt sich atemberaubend auf der linken Seite durch, wird gefoult, Vorteil, Götze legt zurück auf Schürrle, der schon wieder auf den Beinen ist und an Romero scheitert (91.). Die Argentinier wirken stehend k.o., Müller rennt wie in der ersten Minute. Die Deutschen greifen an, sind anfällig für Konter. Rodrigo Palacio hebt den Ball über Neuer, aber auch knapp neben das Tor (97.).

Ansonsten können sich die Südamerikaner nur noch mit übergroßer Härte helfen. Immer wird Schweinsteiger gefoult. Als Sergio Auero ihn im Luftkampf ins Gesicht schlägt, wird selbst das nicht vom Unparteiischen geahndet. Der Münchner muss mit einer blutenden Wunde unter dem rechten Auge vom Platz, wird zwei Minuten lang behandelt. Die neutralen Zuschauer jubeln, als er zurück auf den Platz kommt. Argentinien wird von ihnen ausgepfiffen.

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Dann die Sekunde der Gerechtigkeit: Schürrle setzt sich auf dem linken Flügel durch, flankt präzise. Und dann der Moment, mit dem Mario Götze in die Annalen der Fußball-Geschichte eingeht: Der Dortmunder nimmt den Ball in vollem Lauf sechs, sieben Meter vor dem kurzen Pfosten mit der Brust an und vollendet elegant mit dem linken Fuß an Romero vorbei ins lange Eck. Deutschland ist Weltmeister. Zum vierten Mal. Der vierte Stern.

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