Arvid Kramer zu Gast bei den Baskets "Wir waren ganz schön verrückt"

BONN · Sonnenschein fast das ganze Jahr, kaum Regen und ein Strand, der mit seinen Wellen die Surfer anzieht wie das Licht die Motten. Encinitas, Surf-Paradies an der Küste von Kalifornien nördlich von San Diego, bietet Urlaubs-Atmosphäre pur. Wenn der Pazifik lockt, geht es im Sommer am Moonlight Beach zu wie in einem Ameisenhaufen. Aber nicht alle kommen der Wellen wegen und haben ein Brett bei sich, viele faulenzen einfach nur oder gehen baden. "California Dreamin" sangen einst The Mamas and the Papas.

 Inmitten alter Weggefährten saß Arvid Kramer zusammen mit Lebensgefährtin Joanne Berg beim Eurocupspiel gegen Reggio Emilia auf der Tribüne, darunter Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich (links).

Inmitten alter Weggefährten saß Arvid Kramer zusammen mit Lebensgefährtin Joanne Berg beim Eurocupspiel gegen Reggio Emilia auf der Tribüne, darunter Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich (links).

Foto: Jörn Wolter, Ronald Friese, Gerhard Mertens

Diesen Traum hat sich Arvid Kramer erfüllt. Seit seiner Rückkehr in die USA vor neun Jahren hat der ehemalige Center der Telekom Baskets Bonn und langjährige Sportmanager des Basketball-Bundesligisten im Orange County zwischen San Diego im Süden und Los Angeles im Norden seine Zelte aufgeschlagen. "Ich laufe fast das ganze Jahr in kurzen Hosen rum", sagt er.

Derzeit bevorzugt der 58-Jährige allerdings lange Beinkleider, denn er ist zurück im kalten Deutschland und stattet seinem Ex-Verein, dessen Geschicke er maßgeblich mitbestimmt hat, einen Besuch ab. Am Mittwoch saß er beim Eurocup-Heimspiel gegen Reggio Emilia im Telekom Dome auf der Tribüne - inmitten alter Weggefährten, darunter Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich. Auch am Sonntag (17 Uhr) wird er Zaungast beim Spiel gegen Bremerhaven sein.

Kramer erlebte die neue Spielstätte zum ersten Mal. "Das war schon ein besonderes Erlebnis", sagt er und erinnert sich an die Anfänge 1987, als er zum Godesberger TV kam, einem Vorläuferverein der Telekom Baskets. Gespielt wurde in der bei Heimspielen aus allen Nähten platzenden Schulturnhalle im Pennenfeld, später in der Hardtberghalle.

"Wir waren ganz schön verrückt. Wenn man jetzt sieht, was hier über die Jahre daraus gewachsen ist, überwältigt mich das. Das ist Wahnsinn, einmalig", sprudelt es aus Kramer heraus. 17 Jahre hat er die Entwicklung der Baskets in Bonn mitbestimmt. Zuerst als gefürchteter Center mit unnachahmlichem Hakenwurf, der entscheidend am Bundesligaaufstieg 1996 beteiligt war.

Dann nach Karriereende als energiegeladener Sportmanager, der an der Seitenlinie so manchen Schiedsrichter mit seiner impulsiven Art beeindruckte. "Der dachte, ich wollte ihn beißen", erinnert er sich an ein Scharmützel mit Andreas Schreiner.

2005 zog es ihn mit seiner Familie zurück in die Heimat. Tochter Lisa ist eine talentierte Volleyballerin, die Söhne Josh und Denn sind natürlich Basketballer. Dennis Kramer gastierte vor Kurzem mit TBB Trier im Telekom Dome. "Das war für mich wie ein Heimspiel", meinte der Junioren-Nationalspieler, dessen Vater in den Katakomben der Arena in überlebensgroßen Bildern verewigt ist.

Der Nachwuchs-Center war auch als Zugang bei den Baskets im Gespräch, doch dann schlugen die Brose Baskets Bamberg gleich zu, ehe Kramer vor sechs Wochen nach Trier wechselte. "Ich wollte mehr Spielzeit in der Bundesliga bekommen", so Kramer, der in Bamberg vornehmlich beim Zweitligisten Baunach spielte. Vater Arvid berät seinen Sohn und stellt fest: "Ich glaube, es wäre nicht so gut gewesen, wenn Dennis in Bonn seine BundesligaKarriere begonnen hätte. Man hätte ihn immer mit mir verglichen."

In Kalifornien hat sich Arvid Kramer mit einer Basketballschule (mavsbball.com) für Kinder und Jugendliche etabliert und organisiert für sie Turniere. Lange Zeit arbeitete er als Trainer alleine, inzwischen hat er auch Assistenzcoaches im Einsatz. Kramer: "Wir betreuen über das Jahr verteilt bis zu 100 Kinder, das schaffe ich nicht mehr allein."

Der Anfang nach der Rückkehr in die USA war allerdings nicht einfach. "Ich habe mir zunächst mit Hundeausführen Geld verdient. Ich war jeden Tag Stunden unterwegs", erzählt Kramer. Ein gesunder und durchaus einträglicher Job, denn die Klientel in der Gegend von Encinitas ist zahlungskräftig, was Kramer auch beim Zuwachs für seine Basketballschule half. "Die Eltern sind froh, wenn ihre Kinder mit ihrer Freizeit etwas Vernünftiges und Sinnvolles anfangen", sagt Kramer. "Und sie zahlen gerne dafür."

Bei seinem Besuch in Deutschland freute er sich besonders auf ein Kölsch. Kramer: "Das gibt es bei uns auch, doch eine kleine Flasche kostet fünf Dollar. Ab und zu genehmige ich mir eine und genieße sie."

Einst gab der 2,08-Meter-Schlaks seine Staatsbürgerschaft für den Basketball auf und wurde Deutscher. "Ich wollte unbedingt weiter professionell spielen", blickt er zurück auf die Zeiten, als in der Bundesliga die Zahl der US-Amerikaner begrenzt war. Heute, fast zehn Jahre später, ist er noch Deutscher und kämpft immer noch darum, wieder eingebürgert zu werden. Kramer: "Ich arbeite daran. Ich denke, in zwei Jahren werde ich es geschafft haben."

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