Telekom Baskets Bonn Wie im Treibsand

BONN · Als Chris Ensminger am Sonntagabend den Telekom Dome verließ, konnte man aus seinem Gesicht eine Mischung aus Wut und tiefer Enttäuschung herauslesen. Der Center der Telekom Baskets Bonn signalisierte nach der deprimierenden 72:85-Niederlage gegen Würzburg zwar mit jeder Faser seines Körpers und vor allen seinen Augen "Sprich mich bloß nicht an!", stellte sich dann aber professionell den Fragen.

"Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Und jeder in der Mannschaft muss dazu beitragen, dass es besser wird", stellte er fest, nachdem die Bonner in der Basketball-Bundesliga auf Platz zwölf zurückgefallen sind. "Wir haben nicht gut verteidigt", benannte der Hüne das Kernproblem.

Ein Problem, das die Mannschaft in den letzten Wochen auf eine Achterbahn geführt hat, auf der es inzwischen mehr abwärts als aufwärts geht. Ensminger: "Man fühlt sich wie im Treibsand." Spielmacher Jared Jordan gibt zu: "Es ist frustrierend. Wir geben zu viele Punkte ab."

Baskets-Trainer Michael Koch muss sich eingestehen, "dass wir individuell und als Team nicht auf dem Level verteidigen, das ich gerne hätte." Jeder Spieler habe seine Stärken und Schwächen in diesem Bereich, "und es ist meine Aufgabe, die Verteidigungsarten zu finden, die die Stärken der Spieler zum Tragen kommen lassen und die Schwächen kaschieren."

Man muss aber auch wollen. Nicht zuletzt Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich ist der Meinung, dass es da hapert. Auf die Heimschwäche angesprochen - Bonn verlor vor eigenen Fans viermal in Folge - meinte er: "Offensichtlich ist die Mannschaft ein Fall für die Couch. Sie kann es auf jeden Fall besser. Aber es geht hier nicht nur um Unvermögen, sondern vor allem um die unzumutbare Einstellung." Das hatten die Fans genauso gesehen und quittierten die Vorstellung mit gellenden Pfiffen.

"Warum wirken wir vor allem in der Defense nicht von der ersten Sekunde an spielbereit", fragt sich Manager Andreas Boettcher folgerichtig. "Und warum verlieren wir chronisch in den letzten Wochen, wenn es eng wird, richtiggehend den Faden und sind dann nicht mehr in der Lage, diesen Faden aufzunehmen und uns am eigenen Schopf aus dem Dreck zu ziehen?"

[kein Linktext vorhanden]Fragen, denen seit Montag verstärkt nachgegangen wird. "Es wird viele Gespräche geben, mit der Mannschaft, aber auch einzelnen Spielern", blickte Boettcher voraus. Coach Mike Koch machte klar, dass man im Vorfeld des Spiels am Samstag beim deutschen Meister Brose Baskets Bamberg nicht einfach zur Tagesordnung übergehen werde. "Es ist klar, dass wir Veränderungen vornehmen müssen", sagte er, ohne konkret darauf eingehen zu wollen. Immerhin so viel: "Wir müssen die Spieler im Training noch mehr fordern."

Man hat sehr wohl den Eindruck, dass die sportlich Verantwortlichen nicht nur die Probleme sehr gut kennen, sondern auch die speziellen Problemkinder. Selbst der fachkundige Zuschauer auf den Tribünen sieht, dass ein Chris Ensminger inzwischen seinem Alter hohen Tribut zollen muss.

Dass Patrick Ewing jr. abgesehen von dem ein oder anderen Highlight keine große Hilfe ist, vor allem nicht in der Verteidigung, und dass ein Kyle Weems nach vielversprechendem Saisonbeginn völlig außer Tritt ist, was in ähnlichem Ausmaß auch auf den zwar stets bemühten, aber verunsicherten Benas Veikalas zutrifft. Das alles hat Folgen. Koch: "Bei dem Personal, das wir haben, können wir uns zwei, drei Komplettausfälle nicht leisten."

Doch Koch redet nur allgemein, stellt einzelne Spieler nicht öffentlich an den Pranger. Intern soll in dieser Woche bei den Baskets aber alles auf den Tisch kommen. Es geht darum, dass die Mannschaft sich zusammenrauft. Bei Komplikationen scheinen auch personelle Entscheidungen möglich. "Wir denken nach", antwortete Präsident Wiedlich vielsagend auf die Frage, ob einzelne Spieler hinterfragt werden und personelle Konsequenzen denkbar sind.

Der Trainer scheint dabei nicht zur Diskussion zu stehen. Jedenfalls verwies Manager Boettcher Gerüchte, Co-Trainer Carsten Pohl werde in Kürze das Zepter übernehmen, ins Reich der Fabel. Genährt wurden diese Gerüchte am Sonntag nach dem Spiel beim Fan-Talk im Foyer des Telekom Domes, bei dem nur Pohl sich den Fragen stellte.

Wie sich herausstellte, fühlte sich der Assistent ein wenig überrumpelt. In der Choreographie des Interview-Rituals, dass vom Verein für jedes Heimspiel speziell festgelegt wird, stand Pohl zwar von vorneherein als Gast auf der Fan-Talk-Liste, doch neben Spieler Jared Jordan sollte auch Mike Koch wie immer dabei sein. Doch der Cheftrainer war durch erhöhten Gesprächsbedarf in der Kabine und bei der Pressekonferenz aufgehalten worden.

Kurzerhand musste Pohl zum Spiel Stellung nehmen. "Es ist ein Unding, dass man mir dann auch noch Illoyalität gegenüber Michael Koch vorwirft", ärgerte sich Pohl über Einträge in einschlägigen Internetforen. Und Koch wurde vorgeworfen, er drücke sich vor unangenehmen Fragen. "Ich hatte bis dahin in acht Jahren als Trainer der Telekom Baskets noch keinen Fan-Talk verpasst, egal, wie schwierig die Situation war", erklärte er. Das Ganze sei unglücklich gelaufen und, als er verspätet hinzukam, auch nicht mehr zu korrigieren gewesen.

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