US-Profi Patrick Ewing jr. fühlt sich nicht als Star

Bonn · Eine herzergreifende Vorstellung: Der Vater hängt für seinen zweijährigen Sohn den Korb etwas niedriger, damit der mit seinen Würfen auch Erfolg hat. So geschehen im Hause Ewing, als Patrick senior die ersten basketballerischen Gehversuche von Patrick junior begleitete.

26 Jahre später spielt der Junior für die Telekom Baskets Bonn und soll helfen, die Play-offs zu erreichen. Der 28-Jährige ist die spektakulärste Verpflichtung der Bonner. Spektakulär, weil Vater Patrick eine NBA-Legende ist, dem Dreamteam angehörte, das 1992 unter anderem mit Michael "Air" Jordan und Earvin "Magic" Johnson Olympia-Gold gewann, und als einer der besten Spieler, die es je im US-Basketball gegeben hat, in die Hall of Fame der NBA einzog.

Das hat es für Patrick jr. nicht einfacher gemacht. "Gegen mich waren immer alle besonders motiviert", erinnert sich der neue Bonner. Und er weiß, dass es in der Basketball-Bundesliga nicht anders werden wird. Ewing: "Natürlich stehe ich unter Druck, aber der größte Druck kommt von mir selbst."

Im Gespräch erlebt man den 2,03-Meter-Hünen als eloquenten und überaus sympathischen Mann, der sich den Schritt nach Bonn nach Jahren des Fahrstuhl-Daseins zwischen der großen NBA und den Niederungen der Entwicklungsliga (D-League) wohl überlegt hat. Er hatte lange darauf gehofft, einen festen Platz in einem NBA-Team zu bekommen. Und einmal "hätte ich es auch verdient gehabt. Die anderen waren nicht besser als ich." Doch jedes Mal wurde er aus dem Team gestrichen.

Nach einer "schrecklichen Saison" in der D-League, als "ich keine Motivation mehr verspürte, Basketball zu spielen", ließ er seinen Manager nach einem Verein in Europa suchen. Ewing: "Nur Tage später rief Baskets-Trainer Michael Koch an. Und dann wollte ich auch nicht mehr lange suchen. Ich habe mir gedacht, der erste, der anruft, meint es auch ernst."

Trotz des großen Namens fühlt sich Patrick Ewing jr. nicht als Star, auch wenn sein Verhalten auf dem Feld den Fans manchmal etwas anderes suggeriert. Er will sich dem Team und dem Erfolg, den es anstrebt, völlig unterordnen. "Es ist egal, ob ich auf der Bank sitze oder dem Trainer den Schweiß von der Stirn wischen muss. Wenn das Team gewinnt, bin ich zufrieden", sagte er.

Gewinnen - darum geht es ihm. Er weiß zwar, dass die Baskets nicht zu den Titelfavoriten gehören und womöglich hart um die Play-off-Teilnahme werden kämpfen müssen, "trotzdem will ich Meister werden. Was dann wirklich passiert, werden wir sehen. Doch ich will jedes Spiel gewinnen. Es geht immer bei 0:0 los. Was macht es für einen Sinn, aufs Feld zu laufen, ohne gewinnen zu wollen?"

Regelmäßig sucht Patrick Ewing jr. den Kontakt zu seinem Vater, der seine Schritte in Deutschland genau verfolgt. "Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Er weiß sehr genau zwischen der Rolle als Berater in Sachen Basketball und der Rolle als Vater zu unterscheiden." Ende des Jahres werde ihn seine Familie in Bonn besuchen.

Seine Ehefrau Katie hat er mitgebracht. Mit ihr will er Bonn und Deutschland genau kennenlernen. Ewing: "Wir werden uns alles ansehen."

Sportlich ist er sehr optimistisch, dass die Fans Freude an der neuen Mannschaft haben werden. "Es gibt viele bei uns, die nicht verlieren können. Wir geben nie auf", verspricht er. In einigen Vorbereitungsspielen haben die Baskets diese Qualität schon gezeigt. Doch Ewing betont: "Saisonspiele sind etwas völlig anderes. Da müssen wir uns neu beweisen." Nach Jahren, die er mit ständig wechselnden Teamkollegen zusammenspielen musste, sei er nun vor dem ersten Spiel am Mittwoch gegen den Mitteldeutschen BC besonders aufgeregt. Ewing: "Das ist jetzt für eine Saison meine Mannschaft. Das ist ein völlig neues Gefühl für mich."

Was die Bonner Fans bewegen können, habe er sich schon im Internet angesehen. "Nur eine kleine Gruppe von ihnen hat einmal den Korb in der gegnerischen Halle zum Beben gebracht. Wie muss das erst im Telekom Dome zugehen?", meinte er und spielt lachend auf ein Play-off-Spiel der Bonner im Viertelfinale in Bamberg an.

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