Politik-Professor aus Bad Neuenahr-Ahrweiler läuft 100. Marathon Vom Hörsaal auf die Marathonstrecke

BAD NEUENAHR · Politik-Professor Wolfgang Gieler aus Bad Neuenahr-Ahrweiler hat seinen 100. Marathon absolviert. Das Laufen ist bei den Gielers mittlerweile so etwas wie ein Familienunternehmen.

 Wolfgang Gieler im Zieleinlauf beim diesjährigen Bonn-Marathon im April.

Wolfgang Gieler im Zieleinlauf beim diesjährigen Bonn-Marathon im April.

Foto: Sport online

Er ist kaum zu übersehen. Wolfgang Gieler schießt mit seinen 1,98 Metern auch im Lieblingscafé sitzend über die anderen Gäste hinaus. Man könnte meinen, beim gebürtigen Bonner handelt es sich um einen Basketballer. Das ist gar nicht so daneben. Schließlich ging sein Sohn, Wolfgang Gieler junior, jahrelang als Center auf Körbejagd, unter anderem bei den Junioren der Baskets Bonn.

Nun liegt der sportliche Fokus bei den Gielers, die seit Jahren in Bad Neuenahr-Ahrweiler wohnen, aber auf der Marathonstrecke. Zwar sind der Sohn und die Tochter längst aus dem Elternhaus, doch wenn der Papa gerade mal wieder irgendwo in der Republik für die 42,195 Kilometer an den Start geht, dann ist das ein Familienunternehmen. "Meine Entourage begleitet mich fast immer", sagt der ambitionierte Hobby-Läufer. So auch bei seinem 100. Marathon in Stockholm, es war sein erster außerhalb Deutschlands.

Die Planungen für seine Läufe stehen meist schon Wochen vorher. "Es ist ein großer Zeitfaktor und ein kostenintensives Vergnügen. Deshalb verbinde ich das, wenn möglich, mit Vorträgen und Buchvorstellungen", erklärt der seit Jahren als Politik-Professor in Istanbul ansässige und auch für deutsche Unis als Dozent tätige Gieler sein Marathon-Rezept.

"Man bekommt den Kopf dadurch so richtig frei", sagt der 55-Jährige. Seine Promotion und Habilitation seien vor allem beim Laufen entstanden, ganz nach dem Motto "Wer laufend denkt, bewegt sich". Für Gieler, der nicht mehr wie in jungen Jahren auf Bestzeit läuft, der größte Gewinn.

Die "Marathon-Geburt" des in den USA aufgewachsenen Politologen und Ethnologen war 1986 in Duisburg. Damals lief er noch unter drei Stunden, bis 1989 kamen ein paar weitere Marathonläufe hinzu. Der berufliche Einstieg in Forschung, Wissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit brachten eine 14-jährige Pause. Das "erste Comeback" folgte 2003 in Münster.

Als unermüdliche Wurfmaschine für seinen ambitionierten Sohn, der auf den Sprung in die deutsche Juniorenauswahl und in die Basketball-Bundesliga hoffte, brach er sich 2004 jedoch einen Halswirbel und wurde operiert. Beim Post-Marathon 2006 in Bonn ging er wieder an den Start, doch 2009 verletzte sich Gieler erneut.

Während eines Uni-Projekts in Burkina Faso ließ er es sich nicht nehmen, kurz vor dem Ende des Fußball-Freundschaftsspiels zwischen Studenten aus Deutschland und Burkina Faso im Nationalstadion in Ouagadougou aufs Feld zu laufen. Beim ersten Ballkontakt, einem Kopfball, fiel er so ungünstig, dass er sich eine Schulterfraktur zuzog.

In Bremen begann 2010 sein intensives Läufer-Leben so richtig: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", sagt Gieler. Bei diesem, seinem insgesamt zehnten Marathon, lernte er Ultraläufer und Marathon-Oldies kennen: "Da ist der Traum mit den 100 Marathons entstanden." 2011 und 2012 nahm er an jeweils 15 Läufen teil, 2014 steigerte er das auf 31 Marathons. Auch im vergangenen Jahr ließ er kaum eine Gelegenheit verstreichen. Jedes Mal flog er aus der Türkei nach Deutschland oder verband seine Heimatbesuche und Blockseminare an hiesigen Unis mit Marathon-Teilnahmen.

Der härteste Marathon - zumindest vom Kopf her - sei der Karnevalsmarathon auf der 400 Meter-Bahn im Iburg-Stadion in Bad Driburg gewesen. "Das war am 11.11.2011", erinnert sich Gieler noch genau. Im Anschluss an den Lauf habe er noch einen Uni-Kurs gehabt und sich vor den Studis ziemlich in Rage geredet. Ob Läufer oder Nicht-Läufer, man mag sich schon die Frage stellen: Ist Gielers Lauftrieb noch eine gesunde Kombination von extremer Freizeitgestaltung und Berufsleben? Der 55-Jährige findet schon: "Du kannst methodisch im Seminar ganz anders arbeiten und einen Kontrapunkt zu klassischen Veranstaltungen setzen."

Sechsmal lief er in Frankfurt sowie in Köln und Bonn. "Ich wollte Deutschland richtig kennenlernen", sagt Gieler, der privat wie beruflich viele Jahre seines Lebens in den USA, Afrika und in der Türkei verbracht hat. Nach 99 Marathons in Deutschland hat er mit seinem 100. Lauf in Stockholm nun eine neue Phase begonnen. In Zukunft will er öfter im Ausland an den Start gehen und am einen oder anderen Ultralauf teilnehmen. Sein läuferischer Traum ist die erfolgreiche Teilnahme am Sieben-Tage-Marathon in Ocala/Florida zwischen Weihnachten und Neujahr. Auch die Teilnahme an einem Wüstenmarathon reizt den für den Lauftreff Ahrweiler startenden Gieler.

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