Olympic Taekwondo-Club Bonn: Leistungssport und Nachhilfe

BONN · Es gibt in Bonn sicherlich nur ganz, ganz wenige Projekte, bei denen der Integrationsgedanke von Bürgern aller Nationalitäten so perfekt umgesetzt wird wie beim Olympic Taekwondo-Club Bonn.

 Auch das gehört zum Vereinsangebot des OTC: Jugendliche vieler verschiedener Nationen proben in der Sporthalle ein Theaterstück ein - und gewinnen beim Wettbewerb "Bonner Chancen" einen Preis.

Auch das gehört zum Vereinsangebot des OTC: Jugendliche vieler verschiedener Nationen proben in der Sporthalle ein Theaterstück ein - und gewinnen beim Wettbewerb "Bonner Chancen" einen Preis.

Foto: Horst Müller

Doch das gesamte Projekt ist gefährdet. "Wenn die Stadt eine Sportstättennutzungsgebühr einführt, können wir zumachen", sagt OTC-Vorsitzender Aziz Acharki. Rund 180 Mitglieder hat der im Godesberger Pennenfeld direkt gegenüber der König-Fahad-Akademie beheimatete Verein, mehr als die Hälfte davon sind Jugendliche.

Sie kommen aus rund 20 Nationen. Kaum ein Außenstehender, der an der unscheinbaren Turnhalle hinter dem Sportpark Pennenfeld vorbeigeht, wird vermuten, dass hier ein Teil der besten deutschen Taekwondoka trainiert, dass sich hier ein Landesleistungszentrum und eine Außenstelle des Olympiastützpunktes Rheinland befinden.

"Wir haben im OTC derzeit sechs Bundeskaderathleten, dazu fast 15 Landeskader. Hier findet auch das Kadertraining statt, zu dem natürlich auch die übrigen Kaderathleten beispielsweise aus dem Taekwondo-Internat Swisttal kommen", erzählt Disziplin-Bundestrainer Acharki, der ehemalige Weltmeister und Olympia-Sechste von Sydney 2000.

Und der Stützpunkt arbeitet erfolgreich. Gerade erst wurde Ahmad Kassem deutscher A-Jugendmeister in der Klasse bis 55 kg, sein erst 14 Jahre alter Vereinskamerad Dennis Kim belegte Rang drei (bis 48 kg). Dazu kommt der deutsche Juniorenmeister Ibrahim Ahmadsei, der sich gerade auf die U-21-Europameisterschaft vorbereitet und sicherlich eine Olympiahoffnung für 2016 ist.

Oder der 19-jährige Mokdad Ounis, der kürzlich knapp an der Olympia-Qualifikation scheiterte und sich jetzt auf die Europameisterschaft vorbereitet. Oder Jugend-Vize-Europameisterin Yanna Schneider, oder, oder ... Die Aufzählung ließe sich leicht fortsetzen.

Doch der sportliche Erfolg ist nicht allein das Bemerkenswerte an diesem Verein, der die Bemühungen um Integration als zweites Standbein hat. "Jeder weiß, dass wir hier im Pennenfeld in einem Stadtteil leben, der nicht unproblematisch ist. Wir wollen hier etwas bewegen. Dabei geht es nicht um Kopftuch oder kein Kopftuch, um Religion oder nicht Religion, es geht um das Miteinander, das gemeinschaftliche Leben", sagt Acharki.

"Und nichts verbindet so wie der Sport." Um diesen Spagat zwischen Leistungssport und gelebter Integration hinzubekommen, suchte Acharki Hilfe - und fand sie bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bad Godesberg. "Ich habe hier so viel Unterstützung gefunden, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Angelika Weiß, die Leiterin des internationalen Zentrums der AWO, ist mit so viel Engagement dabei, dass wir hier ganz tolle Fortschritte machen", so Acharki.

Was er meint, ist rein äußerlich bereits an der Sporthalle zu erkennen. Der viele Jahre leerstehende und völlig vergammelte Toilettentrakt mit dem Geräte- und Abstellraum wurde umgebaut; es entstanden zwei helle Unterrichtsräume, eine kleine Küche und ein Büro. Sportler und Eltern halfen beim Einrichten, Streichen und Putzen, die Stiftung Jugendhilfe der Sparkasse Bonn unterstützte den Umbau mit über 13.000 Euro.

Da war es dann auch leichter zu verkraften, dass fast 60.000 Euro von der EU versprochene Fördergelder verfallen waren, weil die Stadt es über ein Jahr nicht geschafft hatte, die Baugenehmigung zu erteilen. Vor allem bedauerlich: Das EU-Projekt hatte die Finanzierung einer Vollzeitstelle für eine Sozialarbeiterin beinhaltet.

"Das ist jetzt alles Schnee von gestern", sagen heute Aziz Acharki und Angelika Weiß, die mit dem Geschafften mehr als zufrieden sind. Nicht nur, dass mit dem Schulungsraum endlich ein Platz für die Eltern gefunden ist, die während des Trainings auf ihre Kinder warten und sich dabei kennenlernen können, auch für die Jugendlichen selbst finden Veranstaltungen statt.

Nachhilfelehrer geben Hilfen in Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen, Kinder können Arabisch und Frauen Deutsch lernen, es gibt Vorlese- und Theaterprojekte. "Wir haben genügend Ideen, und wir brauchen noch Lehrer mit Zeit", sagt Angelika Weiß. "Und natürlich Geldgeber, die dieses vorbildliche Projekt unterstützen."

So nahmen die jugendlichen Vereinsmitglieder kürzlich mit viel Spaß an einem Theaterprojekt teil und gewannen beim Wettbewerb "Bonner Chancen 2011" der Telekom auch gleich einen Preis. "Es ist einfach toll, mit welcher Begeisterung hier gearbeitet wird, und dabei ist völlig egal, aus welchem Land der Jugendliche oder die Eltern stammen", sagt Angelika Weiß.

Für sie ist die Kooperation mit dem OTC natürlich auch ein Glücksfall, kann sie doch über den Sport leichter mit jungen Menschen und deren Familien in Kontakt kommen. So ist schneller eine Berufsberatung möglich, kann man problemloser Hilfestellung jeder Art leisten. Bei allem Bemühen um die Integration, Bundestrainer Aziz Acharki muss sich auch um das sportliche Fortkommen seiner Athleten kümmern.

In der kleinen Schulturnhalle sind die Möglichkeiten natürlich begrenzt, und so ist er dankbar, dass er jetzt vom benachbarten Wellfitpark Pennenfeld unterstützt wird: Seine Kaderathleten dürfen zum Krafttraining kostenlos die Geräte nutzen, wie Miteigentümer Andreas Schröder versprach. "Für diese Kooperation bin ich sehr dankbar", so Acharki.

Und so hängt der Verein mit seinem Sportangebot und seinen Integrationsbemühungen von zahllosen Geldgebern und Sponsoren ab, im Sportlichen vom Land, der Sportstiftung NRW, der Stadt, dem Taekwondo-Verband sowie von privaten Gönnern; im Sozialbereich vor allem von der AWO mit den vom Bund, Land und der Stadt geförderten Integrationsprogrammen.

Umso weniger ist es für Acharki zu verstehen, dass die Stadt mit ihrem Plan, von den Vereinen Sportstättennutzungsgebühren erheben zu wollen, jetzt den Verein und alles Erreichte gefährdet. "Hier geht man an die Schwächsten, die wirklich Unterstützung brauchen. Wir bewegen etwas in Bonn und werden für unser Engagement bestraft. Das darf eigentlich nicht sein", sagt der 39-Jährige, der 2009 mit dem Sportehrenpreis der Stadt für sein besonderes Engagement im Bonner Sport ausgezeichnet wurde.

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