Neuer SSB-Geschäftsführer Bernd Seibert "Der Sport will seinen Beitrag leisten"

Wir müssen wissen, wie sich der Sport entwickelt in Köln", sagt Bernd Seibert - und meint natürlich Bonn. Knapp drei Jahrzehnte Studium und Arbeit in der Domstadt lassen sich nicht so leicht abschütteln. Seit sechs Wochen ist Seibert nun als Geschäftsführer beim Stadtsportbund (SSB).

 Neu in Bonn, neu beim SSB, neu an seinem Schreibtisch: Bernd Seibert.

Neu in Bonn, neu beim SSB, neu an seinem Schreibtisch: Bernd Seibert.

Foto: Horst Müller

Erstmals leisten sich die Bonner Vereine einen Hauptamtlichen in diesem Job. Mit Seibert sprach Gert auf der Heide.

Sind Sie schon angekommen in Bonn? Oder brauchen Sie 100 Tage, um sich einen Überblick verschafft zu haben?
Bernd Seibert: Auf der persönlichen Ebene bin ich angekommen. Bis ich inhaltlich richtig angekommen bin, wird's noch eine Weile dauern. Aktuell nehme ich jeden Termin mit, um Menschen kennenzulernen.

Ist Bonn eine Sportstadt?
Seibert: Im Moment nehme ich das noch nicht so wahr. Ich würde mir wünschen, dass ich mich täusche. Oder dass es sich bald ändert.

Ist Bonn eine Kulturstadt?
Seibert: Ich höre immer nur von dem Konflikt zwischen Sport und Kultur.

Gibt es diesen Konflikt in Köln?
Seibert: Als Geschäftsführer eines Vereins habe ich keine Dissonanzen wahrgenommen.

Philharmonie und FC vertragen sich?
Seibert: Ja.

In Bonn ist Martin Schumacher Dezernent für Kultur, Sport und Wissenschaft. Braucht Bonn einen reinen Sportdezernenten?Seibert: Ich kenne keine Stadt, wo das so ist. In der Gewichtung wäre das vielleicht auch übertrieben. Das entsprechende NRW-Ministerium ist schließlich für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport verantwortlich. Damit kann ich wunderbar leben. Außerdem ist Herr Schumacher ja nicht Dezernent für Kultur, sondern für Kultur, Sport und Wissenschaft.

Haben Sie ihn schon kennengelernt?
Seibert: Ich habe ihn zweimal getroffen, und er hat mir gesagt, wo er herkommt, in Oldenburg, seien Sport und Kultur ganz eng beieinander. Auch in Bonn muss ein Dialog her. Ich war neulich bei der Diskussion zum Festspielhaus, da fiel immer wieder der Satz: Wir dürfen es nicht zulassen, dass Sport und Kultur auseinanderdividiert werden. Aber natürlich muss festgehalten werden, dass es im Moment ein extremes Ungleichgewicht in der finanziellen Ausstattung gibt.

Wie viel Geld investiert die Stadt in den Bonner Sport?
Seibert: Da muss ich mich auf unseren Finanzexperten Achim Dehnen berufen: Alles in allem sind das etwa 15,1 Millionen Euro. Diese Summe beinhaltet aber auch die Aufwendungen für Bäder, Sportplätze und Hallen inklusive aller Personalkosten. Und die Schulturnhallen werden ja erst ab ca. 17 Uhr von den Vereinen genutzt. Die reinen Zuschüsse an die Vereine belaufen sich auf rund 1,57 Millionen.

Und für die Kultur?
Seibert: Wieder laut Achim Dehnen: Die Vergleichszahl zu den 15,1 Millionen ist 67,3 Millionen.

Als Hauptstadt bekam Bonn viel Geld vom Bund. Hat die Stadt in diesen Zeiten verlernt, clever zu sein?
Seibert: Die Kunst ist ja, clever zu sein, solange es einem gut geht, wenn man's eigentlich nicht muss. Diese Haltung vermisse ich auch ein wenig bei der Diskussion ums Festspielhaus. Was ist denn, wenn das Gebäude nach 30 Jahren an die Stadt Bonn übergeht. Freue ich mich dann darüber? Oder sind wir dann genau an dem Punkt, wo es einen hohen Sanierungsbedarf gibt? Ist irgendwo festgeschrieben, in welchem Zustand Bonn das Gebäude übernehmen soll? Aber nochmal: Ich will diesen Konflikt zwischen Kultur und Sport nicht schüren. Ich möchte den Dialog.

Sie sind der erste hauptamtliche SSB-Geschäftsführer in Bonn. Wie sieht das in anderen Städten aus, sind Sie ein Unikat?
Seibert: Definitiv nein. Die überwiegende Zahl der 50 Stadtsportbünde wird hauptamtlich geführt.

Was macht ein SSB-Geschäftsführer den lieben langen Tag?
Seibert: Er unterstützt den ehrenamtlichen Vorstand. Er bündelt die Interessen des Bonner Sports und vertritt sie gegenüber Politik und Verwaltung. Ich habe mich den Vereinen zuerst schriftlich vorgestellt und habe jetzt angefangen, sie zu besuchen. Ich will wissen, ob sie zufrieden sind mit dem SSB, ob und wie sie ihn wahrnehmen, ob sie ihn überhaupt brauchen. Vielleicht brauchen uns die großen, hauptamtlich geführten Vereine gar nicht so sehr. Definitiv aber die kleinen.

Wo hat der SSB seine Kernkompetenz?
Seibert: Wir betreuen eine Fülle von Förderprogrammen, etwa für Sportgeräte- oder Projektförderung, bei denen die Vereine aber selbst aktiv werden müssen. Wir vermitteln in Zusammenarbeit mit dem Landesportbund Beratungen zu steuerlichen oder rechtlichen Fragen. Und dann ist da natürlich das breite Feld der Qualifizierungsmaßnahmen: Aus- und Fortbildung, Übungsleiterschulung, Kooperation von Schule und Kita mit den 280 Vereinen, und, und, und.

Wird der SSB angemessen wahrgenommen? Wissen die Leute, dass Sie helfen können? Wissen sie überhaupt, wo der SSB sitzt? Die Büros erreicht man durch einen Nebeneingang des Frankenbades, das ist nicht unbedingt repräsentativ.
Seibert: In der Sportszene werden wir sehr wohl wahrgenommen. Das Thema Öffentlichkeitsarbeit ist aber sicherlich ein Punkt, dem wir uns widmen werden. Womöglich wissen viele Bürger gar nicht, was wir hier machen. Und was die räumliche Situation angeht: In unserem Papier "Vision 2030" geht es auch um ein "Haus des Sports". So etwas gibt es in vielen Kommunen. Es macht definitiv Sinn, Sportverwaltung und Sportselbstverwaltung unter einem Dach zu haben. Ich habe mich jetzt schon fünf, sechs Mal mit den Leuten vom Sport- und Bäderamt getroffen. Wenn ich nur ein Stockwerk hochlaufen muss, geht das alles viel schneller. Auch darüber hinaus gäbe es Synergieeffekte.

Könnte der SSB auch städtische Fördergelder verteilen oder die Sportstätten zuweisen?
Seibert: Es gibt Kommunen, da ist das so. Die Sportstättenentwicklung wird ja ein ganz zentrales Thema sein. Aber dazu muss man erstmal wissen: Was habe ich in Bonn? Wo ist welcher Sanierungsbedarf? Wir brauchen also ein Sportstättenkataster. Und dann fragt man sich: Was brauche ich in zehn Jahren? Vor dem Hintergrund der demografischen und gesellschaftlichen Entwicklung muss umrissen werden: Wie entwickelt sich der Sport in Köln?

Bonn!
Seibert: Ertappt. Bonn!

Welche der Visionen für 2030 stehen bei Ihnen ganz oben auf der Liste?
Seibert: Ich wünsche mir eine intensive Vernetzung mit den Bereichen Bildung und Gesundheit. Und ich würde mir wünschen, dass der Sport mehr starke Wirtschaftspartner bekommt. 75.000 Vereinsmitglieder mit einem Interesse - das muss eine Marke werden, die vielleicht sogar die Global Player mit ins Boot bringt.

Als klassische Vereinssponsoren?
Seibert: Nein, ich könnte mir zum Beispiel die weitere Gestaltung des Rheinufers als Laufstrecke, als öffentlichen Sportraum vorstellen.

In den USA ist diese Art von Gemeinsinn verbreitet. Brauchen wir das hier auch, da öffentliche Gelder immer knapper werden? Etwa Patenschaften für Sportplätze?
Seibert: Wenn ich jetzt mal träumen darf: Es wäre zum Beispiel toll, einen Partner zu finden, der für den Betrag der demnächst wieder geforderten Sportstättennutzungsgebühr gerade steht. Und wir füllen das dann mit Leben.

Im Haushalt für 2017 wird mit einer Sportstättennutzungsgebühr in Höhe von 750.000 Euro geplant.
Seibert: Wir wollen ja unseren Beitrag leisten. Aber diese Gebühr würde nur zu der Haltung führen: Ich bezahle, und dann habe ich mit allem nichts mehr zu tun. Ich würde lieber von einem Sportstättennutzungsbeitrag reden, also einem Beitrag, den der Sport leisten kann, ohne diese Gebühr einzuführen: Es gibt nämlich eine unfassbare Bereitschaft zu bürgerlichem Engagement. Bei den kleinen Vereinen sind das Arbeitsstunden, bei den großen kann das bis zur Übernahme einer kompletten Sportstätte gehen. Wenn ich einem Verein die Verantwortung für eine Sportstätte übertrage, geht er auch verantwortungsvoller damit um. Die Glühbirne wechsle ich dann selbst aus - und warte nicht eine Woche darauf.

Zur Person

Bernd Seibert (48) arbeitete zuletzt als Geschäftsführer des Rheinischen Turnerbundes. Davor war er viele Jahre für Rot-Weiss Köln tätig. Der Familienvater studierte an der Kölner Sporthochschule und blieb dort zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Aktiv spielte er Handball, heute sind die Bälle beim Tennis etwas kleiner.

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