Tennisspieler Alexander Zverev Auch als Verlierer ein Gewinner

NEW YORK · Toni Nadal ist kein Mann der großen Worte. Der Mann, der seinen Neffen Rafael an die Spitze der Weltrangliste und zu 13 Grand-Slam-Titeln führte, produziert keine schnellen, billigen Schlagzeilen.

 Ihm gehört die Zukunft: Der 18-jährige Alexander Zverev gibt in der Dominikanischen Republik sein Davis-Cup-Debüt für Deutschland.

Ihm gehört die Zukunft: Der 18-jährige Alexander Zverev gibt in der Dominikanischen Republik sein Davis-Cup-Debüt für Deutschland.

Foto: DPA

Aber zum deutschen Tennis-Teenager Alexander Zverev hat der Erfolgscoach nun einmal eine klare Meinung, eine Erwartung für die Zukunft - auch wenn es spektakulär, sogar reißerisch klingt: "Alex wird einmal ganz vorne im Tennis stehen, auf Platz 1", sagt der Mallorquiner.

In zwei anderen Fällen hat ihn seine Vorahnung nicht getrogen. Denn sowohl seinem Schützling Rafael wie auch Novak Djokovic sagte der umsichtige Trainer den Sprung nach oben voraus, auf den Gipfel. Zverev könnte der dritte Mann sein, Nadal senior ist jedenfalls voll der Überzeugung: "Er hat alle Anlagen, das Potenzial dazu. Und er ist schon sehr weit in seiner Entwicklung."

Sehr weit: Ja, das stimmt. Aber eben noch nicht weit genug. Und noch lange nicht ausgereift, körperlich wie mental. Am Dienstag (Ortszeit) war das fast symbolisch im deutschen Erstrundenkampf zu beobachten, im Dreieinhalbstunden-Drama gegen Philipp Kohlschreiber (7:6, 2:6, 0:6, 6:2, 4:6) in der Höllenhitze von New York: Zverev fightete bis zum Umfallen gegen den Routinier, machte einen Satzrückstand wett, aber in den kritischen Schlussminuten, bei den alles entscheidenden Big Points, fehlten ihm noch Abgeklärtheit und Souveränität zum durchaus möglichen Prestigetriumph.

Und doch bewies auch dieses Spiel, dieser imponierende Auftritt eins: Zverev gehört die Zukunft, im deutschen Tennis sowieso, im Weltmaßstab aber wohl auch. "Er ist einer von zwei, drei Spielern, die ab 2020 die großen Titel ausspielen können", sagt John McEnroe, schickt aber eine kleine, nicht unwesentliche Einschränkung hinterher: "Wenn sein Weg so geradlinig weitergeht, wenn er sich nicht verrückt machen lässt."

Kohlschreiber ist noch der unumstrittene Topmann im international kaum relevanten deutschen Herrentennis, er ist auch der einzige Top-50-Spieler, den die Republik derzeit hat. Aber schon jetzt ist ihm Zverev sportlich dicht auf den Fersen, so dicht, dass im nächsten oder übernächsten Jahr eine Wachablösung möglich erscheint.

Zverev ist auch die einzige Perspektive für die Zukunft, sozusagen ein Solist, der Deutschland früher oder später mit Alleinvertretungsrecht in der internationalen Spitze repräsentiert. Alternativen? Sie sind nicht in Sicht, das hat dieses Grand-Slam-Jahr mit all seinen deutschen Enttäuschungen schonungslos aufgezeigt.

Als einziger Deutscher rückte Kohlschreiber gerade in die zweite US- Open-Runde vor - nur zum Vergleich: Österreich brachte drei Spieler weiter. Spieler, die noch vor anderthalb Jahren als Hoffnungsträger gehandelt wurden, standen in New York gar nicht im Hauptfeld: Peter Gojowczyk, Matthias Bachinger, Tobias Kamke.

Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann steht deshalb vor keinem großen Besetzungs-Rätsel für die Davis-Cup-Partie in der Dominikanischen Republik - direkt am Wochenende nach dem New Yorker Grand-Slam-Spektakel. Die Gegner vom Dienstag, Kohlschreiber und Zverev, werden dann als Einzelspieler den Kern der DTB-Truppe bilden, hinzukommen wahrscheinlich Philipp Petzschner und Dustin Brown. "Wenn Deutschland mich nimmt, dann spiele ich auch", sagte Zverev nach dem bitteren Aus im Big Apple, "ich wäre stolz auf eine Berufung." Wobei der Konjunktiv nur offiziellen Charakter hat: Längst ist klar, dass der 18-Jährige in der Karibik sein Debüt geben wird.

Was bei Zverev vor allem auffällt, ist die verschwundene Hitzigkeit, das überschießende, selbstzerstörerische Temperament. Der junge Hamburger hat gelernt, seine Energie zielführend einzusetzen, vor allem nicht gegen sich selbst. Wie er sich gegen Kohlschreiber zurückkämpfte, wieder und wieder, und das nach schon drei harten Qualifikationsspielen, das hatte Klasse und Substanz, machte ihn auch als Verlierer noch zum Gewinner. "Ausscheiden ist immer Mist. Aber ich bin auch stolz, was ich geleistet habe. Hier in New York, aber auch in den letzten Monaten", sagte Zverev.

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